Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Musterschüler NRW

„Deutschland finanziert den Polnischunterricht an seinen Schulen nicht!“ Dass diese Behauptung seitens einiger polnischer Politiker schlicht falsch ist, wurde bereits mehrfach dargelegt – nicht zuletzt auch in dieser Zeitung. Im Rahmen des sogenannten herkunftssprachlichen Unterrichts wird Polnisch an zahlreichen öffentlichen Schulen in Deutschland nämlich sehr wohl angeboten und von den Bundesländern finanziert. Doch auf welcher Grundlage wird dieses Zusatzangebot eigentlich organisiert? Und wie wird es umgesetzt? Ein kurzer Überblick am Beispiel Nordrhein-Westfalens (NRW).

Der Herkunftssprachenunterricht (HSU) in Deutschland gilt als wichtiger Baustein zur Förderung der Mehrsprachenkompetenz der Schüler mit Migrationshintergrund. Er wird manchmal auch „muttersprachlicher Ergänzungsunterricht“ genannt und hat als freiwilliges Zusatzangebot das Ziel, mehrsprachig aufwachsenden Kindern und Jugendlichen bildungssprachliche Fertigkeiten in der Sprache ihres Herkunftslandes zu vermitteln. Durch den Erhalt der Mehrsprachigkeit soll die ethnische, kulturelle und sprachliche Identität der Schüler mit Zuwanderungsgeschichtegestärkt werden, wie es im Schulgesetz des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Schule und Bildung heißt.

Quelle: Mediendienst Integration

Aufgrund des deutschen Bildungsföderalismus unterscheiden sich die Regelungen und Rahmenbedingungen für den HSU von Bundesland zu Bundesland. Laut einer Recherche des Mediendienstes Integration können Schüler in mittlerweile zwölf Bundesländern herkunftssprachlichen Unterricht an öffentlichen Schulen besuchen, darunter auch in NRW. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: In Bayern und Baden-Württemberg liegt ein solcher Unterricht bislang ausschließlich in der Verantwortung der Herkunftsländer und wird von den jeweiligen Konsulaten organisiert und durchgeführt. In Thüringen und Sachsen-Anhalt gibt es sogar überhaupt keinen herkunftsprachlichen Unterricht (siehe Grafik).

Im bevölkerungsreichen NRW wird der HSU derzeit für 26 Sprachen angeboten – mehr als in jedem anderen Bundesland (in Brandenburg beispielsweise stehen aktuell „nur“ zehn Sprachen auf der HSU-Angebotsliste, im Saarland vier). Im Schuljahr 2020/2021 nahmen in NRW mehr als 100.000 Schüler am HSU teil. Die meisten davon (etwa 44.000) besuchten den Türkischunterricht – und knapp 5.000 jenen für Polnisch.

Laut eines Erlasses des NRW-Schulministeriums zur Umsetzung des HSU wird dieser eingerichtet, wenn in der Primarstufe (Grundschule) mindestens 15 und in der Sekundarstufe I (Klassenstufe 5 bis 10) mindestens 18 Schüler mit derselben Herkunftssprache angemeldet werden und dauerhaft teilnehmen. Möglich sind auch schulform- und jahrgangsübergreifende Lerngruppen.

Der HSU in NRW ergänzt mit bis zu fünf Wochenstunden den regulären Unterricht und findet meist am Nachmittag statt. Die HSU-Lehrkräfte sind Muttersprachler und Bedienstete des Landes NRW; die jeweiligen Herkunftsstaaten haben keinen Einfluss auf die Auswahl und die Arbeit der Lehrkräfte.

Ab dem dritten Schuljahr wird der HSU benotet. Die Note wird im Zeugnis vermerkt, die erbrachte Leistung ist allerdings nicht versetzungsrelevant. Am Ende der Sekundarstufe I steht aber eine verpflichtende Sprachprüfung im HSU an. Wird diese Prüfung bestanden, kann die jeweilige Sprache in der gymnasialen Oberstufe als fortgeführte Fremdsprache belegt werden, sofern ein entsprechendes Angebot besteht.

ln

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