Mitte und Ende Januar wird in Deutschland und Polen der Opfer der verschiedenen deutschen Konzentrationslager und der Befreiung dieser Lager durch die Rote Armee gedacht. Das Erinnern geschieht auch an den Überresten des kleinen, im Kontext der großen Vernichtungslager oft vergessenen Lagers in Soldau (Działdowo), dessen Geschichte aber nicht mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 vorbei war. Dort soll zukünftig mit einer Dauerausstellung und einem „Garten der Erinnerung“ den Opfern Ehre erwiesen werden.
Am 18. Januar wurde in Soldau der „Tag der Erinnerung an die Opfer beider Totalitarismen in Ermland und Masuren“ begangen, der 2020 eingeführt wurde und erstmals 2021 stattfand. Dort hatten in den Gebäuden der früheren deutschen und nach dem Ersten Weltkrieg polnischen Kaserne die Nationalsozialisten das Konzentrationslager Soldau eingerichtet; nach 1945 nutzten die Sowjets die Infrastruktur für ein Zentralverwaltungslager des NKWD, also des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten.
Viele Namen, viele Opfer
„Hierher kamen etwa 30.000 Menschen, hauptsächlich der polnischen Eliten, von denen viele brutal ermordet wurden. Nach der Einnahme der Stadt durch die Rote Armee […] gestaltete diese es in ein weiteres Werkzeug der Repression um“, zitierte Radio Olsztyn den neuen Marschall der Woiwodschaft Ermland-Masuren, Marcin Kuchciński, von der Feier. Die Gäste, darunter auch der neue Woiwode von Ermland-Masuren, Radosław Król, legten Blumen und Kränze vor dem Denkmal für die Opfer der deutschen Gewalt nieder.
Soldaus Bürgermeister Grzegorz Mrowiński erinnerte daran, dass es um die Stadt herum und auch auf dem Gelände des Lagers Gräber der Ermordeten gibt: „Ein Teil wurde nach dem Krieg exhumiert, doch bei den Bauarbeiten 100 Meter vom Denkmal entfernt haben wir noch im Sommer ein Massengrab mit 80 sterblichen Überresten entdeckt.“ Bereits ein Jahr zuvor wurden im Wald von Illowo (Iłowo-Osada), wo sich ein Außenlager von Soldau befunden hatte, 17 Tonnen Asche von etwa 8.000 Opfern gefunden.
Polnische Eliten, Behinderte – und Deutsche
Gegründet wurde Soldau als Arbeitserziehungslager, wurde dann Kriegsgefangenen- und zuletzt Durchgangslager, doch unabhängig vom Namen diente es der Liquidation von Polen und Behinderten. Hierbei ging es zum einen um die sogenannte Intelligenzaktion, also den Mord an der polnischen Elite. In Soldau wurden zum Beispiel im Vergleich zu anderen Lagern überdurchschnittlich viele katholische Geistliche ermordet. Die Rede ist von mindestens 256 Personen. Nur einige wenige Geistliche überlebten das Lager.
Zum anderen wurden im Rahmen der Aktion T4 1.550 deutsche und etwa 300 polnische behinderte Menschen aus verschiedenen Anstalten, unter anderem aus Kortau bei Allenstein (heute Olsztyn-Kortowo, Standort der Universität Ermland-Masuren) nach Soldau gebracht und umgebracht. Hier war explizit Ostpreußens Gauleiter Erich Koch (1896–1986) involviert. Nach 1945 nutzte der NKWD das Lager für Reichsdeutsche und erneut für Angehörige der polnischen Elite.
Aufbau und Erinnerung
Bei den von Bürgermeister Grzegorz Mrowiński erwähnten Bauarbeiten geht es um die Revitalisierung des Hauptgebäudes des ehemaligen deutschen Lagers. Er kündigte für das Frühjahr den Abschluss der ersten Phasen der Bausicherung und Renovierung an. In eine der Außenwände wurde dabei eine neue Tür eingebaut. „Dort wird bei der Ausgestaltung im Inneren ein ‚Garten der Erinnerung‘ entstehen, der mit dem Grün draußen harmoniert. Damit sowie mit Elementen der Architektur und einer Dauerausstellung wollen wir die Opfer des Lagers verewigen“, blickte Bürgermeister Mrowiński schon in die Zukunft. Denn selbst wenn die Bauarbeiten im Frühling fertig werden, wird die Vorbereitung der Ausstellung länger dauern. Mit der Eröffnung des Objekts ist wahrscheinlich Ende kommenden Jahres zu rechnen.
Uwe Hahnkamp