Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Vom Atmen im Mutterleib zu Geschwindigkeitskontrolle

Eines alltäglichen, aber überraschend umfangreichen Themas hatte sich das Museum der Moderne des Städtischen Kulturzentrums in Allenstein am 13. März mit einem Vortrag zum aktuellen Exponat des Monats und einer an diesem Tag eröffneten Ausstellung angenommen. Unter dem Titel „Der polnische Beitrag zur Geschichte des Pustens“ nahm Jacek Moczulski, der Leiter des Museums, die Geschichte des Haartrocknens und des Föns unter die Lupe – verbunden mit einigen praktischen Vorführungen.

Bereits der bequeme, jedoch bescheiden aussehende Stuhl vor den Sitzreihen der Zuschauer erwies sich mit dem ersten Griff von Jacek Moczulski als Exponat Nummer 1 der Ausstellung. Mit einem einfachen Ruck am Kopfteil lässt sich bei diesem Friseurstuhl aus Königsberg nämlich das Sitzkissen umdrehen, wodurch die Reinigung einfacher und der Wechsel der Kunden schneller wird. Der innovative Geist der Friseure zeigte sich im 19. Jahrhundert auch beim Franzosen Alexander-Ferdinand Godefroy (1852–1933), der sich selbst als Friseur und Erfinder bezeichnete. Er entwickelte eine Konstruktion zum Haare trocknen, indem die Luft mit einem Gasofen erhitzt und in eine Haube auf dem Kopf geleitet wird.

Vernissage und Vortrag: Jacek Moczulski und seine Gäste
Foto: Uwe Hahnkamp

Dobrowolski zum Ersten: vom Feuer zum Strom

Er präsentierte das Gerät erstmals 1888 in St. Louis im US-amerikanischen Bundesstaat Missouri. Obwohl die Regulierung der Temperatur sehr eingeschränkt war, schlug diese Art der wesentlich schnelleren Verbesserung der Schönheit bei privaten Kundinnen und Friseursalons, vor allem in den USA, wie eine Bombe ein. Aus dieser Idee – der Kombination von Erhitzen und Luftzug – entwickelten sich mannigfaltige, oft auch nicht ungefährliche Einrichtungen. Eine Installation im früheren Trolleybusdepot und heutigen Ausstellungsraum des Museums der Moderne zeigt eine waghalsige Konstruktion aus einem Staubsauger, der Luft über einen Stoffschlauch in einen großen Karton leitet und einem Toaster, der dort die Luft erhitzt, die über einen weiteren Schlauch an die Haare gelangt.

Das war aber nur möglich mit elektrischem Strom. Hier kommt Michał Doliwo-Dobrowolski (1862–1919) ins Spiel. Der in Gattschina (Gatczyna) bei St. Petersburg als Spross eines polnischen Adelsgeschlechts geborene Pionier der Wechselstromtechnik ging in Odessa zur Schule, studierte in Riga (Ryga) und nach der Emigration ab 1883 an der Technischen Universität in Darmstadt. 1888 konstruierte er einen Generator für dreiphasigen Wechselstrom und ein Jahr später einen Induktionsmotor mit Rotor. Sein großes Verdienst war, dass er die Geschäftsleitung der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft (AEG), für die er arbeitete, von der Idee des Wechselstroms überzeugte.

Dobrowolski zum Zweiten: die Erfindung des Föns

Als Chefingenieur des AEG-Werks in Nürnberg entwickelte er im Jahre 1898 den ersten Hand-Haartrockner. Er nannte ihn „Fön“ – nach dem Föhn, dem warmen Fallwind an den Alpen, ließ aber bewusst das „h“ weg. Der Name wurde auf die ersten Geräte geprägt und so zum Eigennamen des Handtrockners bis heute. Der neue Fön wurde jedoch nicht patentiert; das machte zehn Jahre danach ein Amerikaner mit einem Gerät, das im Grunde eine Kopie von Dobrowolskis Fön war. Dobrowolski selbst wurde später Direktor der Berliner Fabrik der AEG, nahm die schweizerische Staatsbürgerschaft an und starb schließlich in Heidelberg.

Dobrowolskis Konstruktion erwies sich als so gelungen, dass sich das Aussehen der meisten Haartrockner oder Föne auf der Welt bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts nicht änderte. Die Geräte wurden etwas größer oder etwas kleiner, das Material ging von Stahl über leichtere Metalle zu den ersten Kunststoffen über, um den Umgang mit den anfangs doch recht schweren Geräten zu vereinfachen. Neben diesen Fönen führte Jacek Moczulski an einem seiner Mitarbeiter vom Städtischen Kulturzentrum eine tragbare Version des Staubsauger-Toaster-Modells vor, in dem ein Handsauger der Firma Vorwerk den zentralen Platz einnimmt.

Prototyp des Föhns 1898
Foto: Uwe Hahnkamp

Polnische Fabrikationen und Rückkehr zum alten Design

Die unterschiedliche Leistungsstärke und die Geräusche, die einzelne Föne produzieren, präsentierte Jacek Moczulski zudem an den in Polen hergestellten Haartrocknern, die dank des Kunststoffs Bakelit auch andere Formen haben. Unter den in der Ausstellung gezeigten Exponaten des Museums selbst und Leihgaben von Privatpersonen befindet sich auch einer der ersten polnischen Föne, die 1953 bei der Fabrik für Fahrräder und Kinderwagen in Rzeszów produziert wurden. Besonderes Augenmerk liegt auf den verschiedenen Generationen des 1964 erstmals auf dem Markt erschienenen Fema SR, der in Bromberg (Bydgoszcz) und später in Rastenburg (Kętrzyn) hergestellt und noch bis in die 1990er-Jahre verkauft wurde.

Dobrowolskis Konstruktion erwies sich als so gelungen, dass sich das Aussehen der meisten Haartrockner oder Föne auf der Welt bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts nicht änderte

Die heutigen Föne orientieren sich im Prinzip wieder an der Konstruktion von Dobrowolski. Die „Ausstellung des Designs“ – so der Untertitel der Veranstaltung – zeigt auch einen Trockenhelm, der wunderbar in den Film „Metropolis“ gepasst hätte, und erzählt von ungewöhnlichen Anwendungen der Föne. Wie Jacek Moczulski erklärte, kann man damit kleine Kinder in den Schlaf wiegen, weil das Geräusch sie an das Atmen ihrer Mutter erinnert, das sie im Bauch gehört haben. Und wenn man mit einem großen Fön bewaffnet eine Messung der Geschwindigkeit nachspielt, bringt man die Autofahrer dazu, vor dem eigenen Haus endlich langsamer zu fahren.

Für Interessierte ist die Ausstellung im Trolleybusdepot des Museums der Moderne noch bis zum 2. April zu sehen. Am Wochenende danach (6./7. April) findet dort als nächste große Veranstaltung das 13. Festival der Modellbau-Kultur statt.

 

Uwe Hahnkamp

 

 

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