Schon seit Jahren kursiert in der Führungsetage der deutschen Minderheit in Polen die Idee, eine Ausstellung über die Geschichte der Deutschen in Polen nach 1945 vorzubereiten. Die Mittel für die Ausstellung und deren Szenario sind nur zwei Aspekte, über die man sich Gedanken macht. Der dritte und vielleicht wichtigste Aspekt, sind die Museen, in denen eine solche Ausstellung präsentiert werden könnte. Die antideutsche Affäre rund um das neue Schlesische Museum in Kattowitz schließt dieses erstmals aus, doch jetzt kommt etwas mehr westlich – in Breslau – eine Initiative ans Tageslicht, die neue Chancen in diesem Bereich bietet.
Schon einige Tage nachdem bekannt wurde, wer ab 2016 im alten Depot der Breslauer Straßenbahn (Grabiszyńska Straße) ein Museum einrichten darf, wurde es laut rund um die Gesellschaft „Erinnerung und Zukunft“. Es war das Projekt dieses Vereins, das den Breslauer Stadtpräsident Rafał Dutkiewicz, neben verschiedenen anderen, am meisten überzeugte. Nachdem für die Straßenbahn eine neue Wagenhalle gebaut wurde, blieb es zu entscheiden, was mit dem alten Depot passieren sollte, das schon zu Zeiten Kaiser Wilhelms II. in Betrieb war. Gemäß dessen. dass Breslau 2016 europäische Kulturhauptstadt ist, setzte Dutkiewicz, der als besonders erfolgreicher Manager gilt, auf Kultur. Für 32 Millionen Zloty soll „Erinnerung und Zukunft“ im alten Depot ein Zentrum der Geschichte errichten, dass als Ergänzung der Großen Stadtmuseen dienen soll.
Was unterschiedet das Zentrum, das ganz einfach „Zajezdnia“ (polnisch Depot) genannt wurde, von den anderen Museen in Breslau? Erstens die Thematik: „Wir wollen uns besonders auf der Nachkriegsgeschichte Breslaus konzentrieren. Das, was in Breslau passiert ist, dass so viele Deutsche vertrieben wurden, und an deren Stelle so viele Bewohner ehemaliger polnischer Ostgebiete geholt wurden, sucht seinesgleichen in der Geschichte, die ganze Realität wurde innerhalb weniger Tage verändert. Unserer Meinung ist das alles wert, dem ein ganzes Museum zu widmen“, sagt der Pressesprecher der Gesellschaft Erinnerung und Zukunft Juliusz Woźny. Nach Woźny wird in der ständigen Ausstellung von „Zajezdnia“ sowohl der polnische Wiederaufbau Breslaus und die Bewegung „Solidarność“ ihren Platz haben, wie auch die nationalen Minderheiten in der Nachkriegsmetropole und die Aspekte der deutsch-polnischen Versöhnung: „Wir wollen hier zum Beispiel Bischof Kominek zeigen. Er spielte als Bischof von Breslau und Autor des Briefes der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder eine maßgebliche Rolle bei der Versöhnung zwischen Deutschen und Polen“, so Woźny.
Doch die Themen der ständigen Ausstellung sind nicht das einzige was das neue Zentrum so besonders macht. Es geht auch um die Mitgestaltung des Museums: „Wir wollen, dass die Bewohner von Breslau das Museum mitgestalten, wir haben 600 Meter für die zeitbegrenzte Ausstellungen zur Verfügung. Wir sind offen für jegliche Ideen, die Privatpersonen oder Vereine aus Breslau und außerhalb haben“, sagt Direktor von „Erinnerung und Zukunft“ Marek Mutor.
Mutors Worte sind ein Appell an alle Bewohner Breslaus, also auch an die deutsche Minderheit. Da schon die ständige Ausstellung des Museums Themen der nationalen Minderheiten ansprechen wird, wären Ausstellungen über die deutsche Minderheit in Polen eine willkommene Ergänzung für das Zentrum Zajezdnia. Für die deutschen Vereine – nicht nur aus Breslau – wäre das Zentrum eine Chance, da man sich nicht mit allen Museen in Schlesien (siehe Schlesisches Museum in Kattowitz) auf eine Präsentation von Ausstellungen, die auch die deutsche Geschichte Schlesiens zeigen, einigen kann.
Etwas Zeit hat die deutsche Minderheit noch, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Das Zentrum soll nämlich erst im August 2016 eröffnet werden.
Łukasz Biły