Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Keine Antwort

Der Vorsitzende des Verbandes deutscher Gesellschaften in Polen (VdG), Rafał Bartek, hat im September einen Brief an die First Lady der Republik Polen, Agata Kornhauser-Duda, geschickt, in dem er die Reduzierung der Stundenzahl für Deutsch als Minderheitensprache in den Schulen anspricht. Nach Angaben des Verbandsbüros hat das Belvedere bis heute nicht geantwortet.

Bevor sie Polens First Lady wurde, unterrichtete Agata Kornhauser-Duda Deutsch an einer Krakauer Sekundarschule. Nicht zuletzt deshalb wird sie von der deutschen Minderheit als jemand angesehen, der den Kampf um die Wiedereinführung von drei Stunden Deutsch als Minderheitensprache in den Schulen unterstützen könnte.
Bereits im April hatte der damalige Vorsitzende des Bundes der Jugend der deutschen Minderheit, Oskar Zgonina, seinen Brief an die First Lady geschickt ebenso wie junge Vertreter von Szymon Hołownias Polen 2050 einige Wochen zuvor. Bislang hat Agata Kornhauser-Duda jedoch noch nicht zum Deutschunterricht Stellung genommen.

VdG-Vorsitzender Rafał Bartek
Foto: Lucas Netter

Warschau
Diesmal wurde sie also von Rafał Bartek angesprochen, der gleich zu Beginn des Briefes erklärte: „Ich schreibe Ihnen als Vorsitzender der deutschen Minderheit in Polen und als Bürger der Republik Polen, der sehr besorgt ist über die derzeitige politische Situation in Polen in Bezug auf die nationalen und ethnischen Minderheiten“. Die Diskriminierung einer einzigen Minderheit durch eine Verordnung vom 4. Februar, mit der die Zahl der Unterrichtsstunden für diese Minderheitensprache reduziert wurde, findet – wie der VdG-Vorsitzende betonte – zum ersten Mal im freien Polen statt. Als Reaktion darauf setzten unter anderem zwei Vertreter der deutschen Minderheit ihre Teilnahme an der Arbeit der Gemeinsamen Kommission von Regierung und Minderheiten aus und aus Solidarität mit ihnen taten dies am 1. Juni zwölf weitere Mitglieder der Kommission. „Dies war keine leichte Entscheidung für uns. Ich gehöre dieser Kommission seit ihrer Gründung im Jahr 2005 an und die Kommission selbst war bisher die einzige Form eines kontinuierlichen Dialogs zwischen Minderheiten und der Regierung. Leider wurde die Kommission bei der Einführung der diskriminierenden Rechtsvorschriften völlig ignoriert“, schrieb Rafał Bartek.

Er betonte auch, dass die Entscheidung des Bildungsministers nicht nur de facto Tausende von Kindern der Möglichkeit beraubte, Deutsch als Minderheitensprache zu lernen, sondern auch dazu führte, dass Hunderte von Germanisten ihren Arbeitsplatz verloren oder einen völlig anderen Unterricht übernahmen. „Sind wir wirklich über Nacht zu Bürgern zweiter Klasse geworden, nur um politischer Ad-hoc-Ziele willen? Bürger, deren Engagement und Arbeit für die Republik Polen weniger wert ist? Bürger, deren Kinder nicht die Möglichkeit haben, ihre Muttersprache im gleichen Maße zu erlernen wie Kinder anderer Minderheiten in Polen“, fragt Rafał Bartek und bittet die First Lady um Unterstützung: „Als Lehrerin und Mutter wissen Sie am besten, wie schädlich eine ungleiche Behandlung für Kinder ist. Und das ist es, was jetzt in unseren Schulen geschieht – in europäischen Schulen des 21. Jahrhunderts. Dafür gibt es keine Zustimmung oder moralische Billigung. Denn, wie Erzbischof Nossol zu sagen pflegte: ‚…Anderssein ist nicht gleichbedeutend mit Entfremdung. Durch das Anderssein können wir uns gegenseitig bereichern. Dank des Andersseins können wir uns gegenseitig beschenken’. Ich bitte Sie daher, sowohl im Namen meiner Gemeinschaft als auch in Sorge um andere Minderheiten in Polen, einen echten Dialog mit diesen Gemeinschaften aufzunehmen.
Wir zählen sehr auf Ihre Unterstützung, denn ich bin davon überzeugt, dass es nicht im Interesse Polens ist, diese ohnehin schon kleinen Gemeinschaften zu marginalisieren.“Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe hatte das VdG-Büro jedoch keine Antwort vom Belvedere erhalten.

 

Präsidentengattin Agata Kornhauser-Duda
Foto: Jakub Szymczyk/KPRP

Berlin
Unklar ist auch, ob die Frage des Deutschunterrichts beim Treffen zwischen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihrem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau erörtert wurde. Auf die Frage der Redaktion, ob das Thema zur Sprache kam, antwortete das Auswärtige Amt, dass „wir keine Auskunft über den Inhalt des vertraulichen Gesprächs der Außenministerin geben können.“ Zugleich betonte die Pressestelle des Ministeriums: „Die Reduzierung des muttersprachlichen Deutschunterrichts in Polen auf nur noch eine Stunde pro Woche ab dem Schuljahr 2022/23 und die deutliche Kürzung der Mittel aus dem polnischen Haushalt für diesen Unterricht sind für die Bundesregierung von großer Bedeutung. Die Bundesregierung führt daher auf mehreren Ebenen zahlreiche Gespräche mit der polnischen Seite, um diese Frage zu klären.“

 

Tschechien
Die Tschechische Republik beweist derzeit, dass die Frage des Sprachunterrichts nicht der Partei- oder Regierungsdisziplin unterworfen sein muss. Auch dort geht es um das Schicksal des Deutschunterrichts als zweite Pflichtfremdsprache. Der tschechische Bildungsminister Vladimír Balaš beabsichtigt nämlich wie sein Vorgänger, den Kernlehrplan zu ändern und den obligatorischen Unterricht einer zweiten Fremdsprache in der Grundschule abzuschaffen. Für die deutsche Minderheit in Tschechien wäre dies ein großes Problem, erklärte Martin H. Dzingel, Chef der tschechischen Organisation der deutschen Minderheit, in Zeitung Landesecho.cz: „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der deutschen Minderheit der deutsche Sprachunterricht praktisch verwehrt. Deshalb spricht die heutige ältere Generation der Minderheit nur noch wenig Deutsch. Auch wenn es sich heute nur um den Unterricht einer zweiten Fremdsprache handelt, ist Deutsch die am häufigsten gewählte zweite Fremdsprache und es erinnert somit an die Zeit, in der Deutschunterricht überhaupt nicht möglich war. Das ist eine Parallele, die mir sofort in den Sinn kommt“.
Doch nicht nur die deutsche Minderheit in Tschechien sowie die Botschafter Deutschlands und anderer europäischer Staaten haben sich mit einer gemeinsamen Petition gegen die geplante Entscheidung gestellt, sondern auch ein weiteres Mitglied der Regierung in Prag. Der dortige Innenminister Vít Rakušan ist der Ansicht, dass Deutschkenntnisse für Tschechen nicht zuletzt wegen der Nähe zu den deutschsprachigen Ländern wichtig sind. „Ich bin dafür, dass in den Grundschulen auch in Zukunft eine zweite Fremdsprache unterrichtet wird“, sagte Rakušan in einem Interview mit der Sudetendeutschen Zeitung.
Wird der Vorschlag des Bildungsministers letztendlich umgesetzt werden? Zurzeit findet eine Diskussion statt, die in Polen völlig fehlte, als praktisch über Nacht beschlossen wurde, die Stundenzahl für Deutsch als Minderheitensprache radikal zu reduzieren.

Rudolf Urban

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