Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Auf schwäbische Art

Wenn ich an die Genossenschaft Agrária in Entre Rios, Brasilien, denke, scheint sie mir ein Vorbild für die soziale Rolle der Wirtschaft zu sein. Eine Aufführung einer deutschen (genauer: donauschwäbischen) Laienspielgruppe aus Entre Rios in Mosbach erinnerte mich an meinen Besuch in dieser deutschen Enklave im brasilianischen Bundesstaat Paraná. Die Menschen, die ich dort kennenlernte, entpuppten sich plötzlich als hervorragende Schauspieler, die das große Publikum in Mosbach mit einem humorvollen Stück im donauschwäbischen Dialekt begeisterten.

Auch mich haben sie begeistert. Schließlich führte mich Lora durch das Museum, der bühnenwirksame Rudi zeigte mir die Laborbrennerei, Viviane organisierte meinen Aufenthalt, die Lehrerin unterrichtet an einer Schule, die ich besuchte, und die Moderatorin leitet die örtliche Kulturstiftung. Um sie wieder zu treffen, bin ich nach Mosbach gereist.

Aber es gäbe diese Theatergruppe, diese Kulturstiftung, diese deutsche Schule, dieses Museum der Donauschwaben nicht, wenn es die Genossenschaft Agrária nicht gäbe. Ohne sie gäbe es auch kein Krankenhaus, kein Altenheim, keine Kirche in Entre Rios, keine Straßen und keine Kanalisation, kein lebensmittelwissenschaftliches Institut, kein Auditorium mit mehreren tausend Plätzen, keine für den Staat Paraná wichtige Landwirtschaftsmesse. Wie ich von Adam Stemmer, dem Präsidenten von Agrária, erfuhr, hätte es nicht einmal eine schön gestaltete Monografie über die deutsche Gemeinde Entre Rios gegeben. All diese Initiativen gibt es dank der finanziellen und organisatorischen Unterstützung von Agrária, einem der größten Lebensmittelhersteller Brasiliens.

Sie wurde nach dem Vorbild der Genossenschaft gegründet, die deutsche Bauern vor dem Krieg in Jugoslawien hatten, von wo sie vertrieben wurden. Da sie in Österreich in Kasernen untergebracht waren und keine Aussicht hatten, Landwirte zu bleiben, beschlossen sie, nach Brasilien zu gehen, wo sie Ackerland erhalten konnten. Mit der Zuteilung von Land gründeten diese 500 Familien die brasilianische Agrária und verankerten gleichzeitig die Pflege der deutschen Sprache und des donauländischen Erbes in ihren Statuten. Und das mit Erfolg. Sie bauten sich von Grund auf eine wirtschaftliche Position auf, errichteten die ersten Holzhäuser, legten Straßen an und bauten in jedem Dorf eine Schule und eine Kirche. Jahre später ist Entre Rios ohne dieses Netzwerk deutscher Institutionen, das ich kennenlernen durfte, nicht mehr denkbar. Es wäre auch undenkbar, dass die inzwischen vierte Generation der Einwohner kein Deutsch spricht.

Zum Schluss ein schlesischer Akzent: Eine neunzigjährige Bewohnerin eines Altenheims erinnerte sich, als sie hörte, dass ich aus Schlesien stamme, mit Rührung an die Schönheit der ersten Großstadt, die sie dort gesehen hatte. Es war Waldenburg (Wałbrzych), über das ihre komplizierte Kriegs- und Nachkriegsreise in Brasilien endete.

Bernard Gaida

Titelfoto: Donauschwäbische Theatergruppe aus Entre Rios in der St.-Josef-Kirche in Mosbach (Foto: Landsmannschaft der Donauschwaben Mosbach/Facebook)

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