Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Wahl 2023

Die Wahlen rücken näher und alle politischen Parteien, die schon seit Langem, sich über Gesetze hinwegsetzend, ihre Wahlkämpfe führen, lassen weiterhin ihre Muskeln spielen. In den Umfragen herrscht im Wesentlichen Gleichstand zwischen den Parteien, die der Regierung angehören, und denen, die mit der Opposition verbunden sind. Ein Gleichstand, der sich aus möglichen Koalitionsmöglichkeiten ergibt.

Wenn ich über polnische Parteien schreibe, verwende ich schon seit geraumer Zeit keine Begriffe wie „rechts“ oder „links“ oder konservative Parteien, weil sich die wichtigsten von ihnen nur schwer in diese Begriffe einordnen lassen. Wie kann man den Kanon der konservativen Werte bei einer Partei anlegen, deren erklärte Haltung zur Religion ihrer Politik widerspricht, die vor Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen nicht zurückschreckt? Oder wie kann man eine Gruppierung als konservativ bezeichnen, die in der Wirtschaft so weitreichende nationalisierende Tendenzen aufweist?

Andererseits zeigen liberale Parteien, die einem emotionalen Wahlkampfstil erliegen, ihre Ziele vor allem in Bereichen, in denen die Polarisierung der Meinungen am einfachsten ist. Wirtschaftliche Fragen stellen sich nicht im Zusammenhang mit dem Steuersystem, dem Zugang zu Hilfsgeldern oder der Förderung in- und ausländischer Investitionen, sondern im Zusammenhang mit Eigennutz und Vetternwirtschaft, die zu enormen Ausmaßen aufgeblasen wurden. Dies ist ein Thema, das keine Expertenprogramme der Parteien und kein Wissen der Wählerschaft erfordert, die von den Politikern in Polen bisher ohnehin nicht allzu ernst genommen wurde.

In Verbindung mit der Tatsache, dass selbst die größten Parteien in Polen doch als Kleinparteien bezeichnet werden können – die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat etwa 45.000 und die PO weniger als 23.000 Mitglieder – bedeutet dies, dass ein Wähler, der an einem detaillierten Programm interessiert ist, mit gähnender Leere und bestenfalls mit einem populistischen Vorschlag konfrontiert wird, um seine Stimme für ein paar hundert Złoty mehr für Kinder oder Renten zu kaufen. Aktuell bleibt also die Aussage der Schriftstellerin Maria Czubaszek, die auf die Frage, wen sie wählen würde, antwortete: „Eine Waschmaschine, denn die hat wenigstens ein Programm …“.

Aber Scherz beiseite. Der Grad der politischen Degeneration ist bereits so weit fortgeschritten, dass es bei den Wahlen nicht mehr um eine vernünftige Richtung für das Land geht, sondern um die Macht selbst, die die einen den sogenannten Rechten überlassen und die anderen den Rechten wegnehmen wollen. Die Wahlbeteiligung in Polen zeigt, dass eine so begrenzte Auswahl ohne die Möglichkeit, eine Partei auf der Grundlage ihres Programms zur Rechenschaft zu ziehen, viele nicht überzeugt.

Eine gesellschaftliche Gruppe sollte sich durch keinerlei Zweifel beunruhigen lassen und zu 100 Prozent zur Wahl gehen. Das ist die deutsche Minderheit, die derzeit vom Regierungslager diskriminiert wird und schon jetzt klar erkennen kann, dass die erklärten christlichen Werte dieser Partei eine Mogelpackung sind und das Engagement der Liberalen für nationale Minderheiten eher am grauen Ende ihrer Ziele liegt. Wir brauchen also unsere eigenen Abgeordneten!

Bernard Gaida

Titelfoto: Element5/unsplash.com

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