Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ein Hügelgrab im scheinbaren Nirgendwo

Anlass waren die 14. Europäischen Tage der Archäologie, Organisatoren für die Gemeinde Osterode (Ostróda) deren Beauftragter für Fragen des kulturellen Erbes,WiesławSkrobot, sowie die Geologin Alicja Szarzyńska vom Ermländisch-Masurischen Zentrum für Lehrerfortbildung. Ziel der archäologisch-historischen Werkstatt unter freiem Himmel war das Hügelgrab an der Straße zwischen Peterswalde und Rhein (Ryn) in den Kernsdorfer Höhen (Wzgórze Dylewskie).

Pünktlich zur Exkursion ins scheinbare Nirgendwo kam nach wochenlanger Trockenheit endlich der ersehnte Regen – und das zwischendurch recht heftig. Aus der Freiluftwerkstatt wurde eine Expedition in die Vergangenheit. Mit dem Auto von der Autobahn A7 südlich von Hohenstein (Olsztynek) in Richtung der Kernsdorfer Höhen, sich durch den Schleier des Regens vortastend durch immer schmalere, von Büschen und Bäumen gesäumte Wege gelangt man plötzlich an eine über hundert Jahre alte, mit Kopfsteinen gepflasterte Straße, der man ins Ungewisse, Richtung Westen folgt, bis man hinter einer Kuppe in ein Tal hinabsieht und zur linken Hand das Hügelgrab der ersten Siedler dieses Fleckchens Erde vor sich sieht.

Die Teilnehmer der Expedition auf dem HügelgrabFoto: Uwe Hahnkamp
Die Teilnehmer der Expedition auf dem Hügelgrab
Foto: Uwe Hahnkamp

Von Gräbern und Grabungen

Zum einsamen Fahrer gesellten sich weitere, dem Regen trotzende Interessierte: die Organisatoren, Mitarbeiter der Forstverwaltung, die den Wildwuchs am Hügelgrab bereits etwas beseitigt hatten und der stellvertretende Gemeindevorsteher von Osterode, Grzegorz Kostrau, wagemutig und durchnässt auf seinem Motorrad. Vor allem aber eine tapfer durch die fallenden Wassermassen stapfende Gruppe Schüler der Grundschule in Peterswalde in farbenfrohen Regenponchos und begleitet von einem Hund.

Das Hügelgrab war weitgehend unbekannt, sodass der Bauer, dem das Feld gehört, es beinahe eingeebnet hätte, so WiesławSkrobot in seiner Einleitung: „Dabei war es keine neue Entdeckung von mir, sondern eine Wiederentdeckung. Bereits vor 90 Jahren, im Juni 1933, erkundeten es Carl Engel und Friedrich Baumhauer vom Prussia-Museum in Königsberg.“ Gemeinsam mit Alicja Szarzyńska gelang es ihm, dieses Zeugnis aus prähistorischen Zeiten zu erhalten und wieder mehr im Bewusstsein der Menschen zu verankern, unter anderem mit einer Informationstafel am Standort und der Sicherung der Sichtbarkeit des Hügelgrabs.

Belohnendes Lagerfeuer mit Würstchen
Foto: Uwe Hahnkamp

Kulturen auf eiszeitlichem Gelände

„Ein Hügelgrab ist übrigens Stätte der Beerdigung nicht einer Person, sondern vieler Menschen eines Clans“, erklärte WiesławSkrobot den aufmerksam lauschenden Teilnehmern im nachlassenden Regen. „Wenn jemand starb, wurde er verbrannt, die Grabkammer mit dem großen Deckstein seitlich geöffnet, die Urne hinein- und der Abschlussstein wieder davorgeschoben.“ Das heutige Hügelgrab sei, am Rande bemerkt, etwa die Höhe eines „Skrobot“, niedriger als ursprünglich, ergänzte er selbstironisch und zeigte mit der Hand die vermutliche Obergrenze des Hügels.

In dem Hügelgrab wurde nicht nur eine Person beerdigt, sondern viele Menschen eines Clans.

Bei den für die Kammer verwendeten Steinen handelt es sich um Findlinge aus dem skandinavischen Raum, so Alicja Szarzyńska: „Sie wurden von dort mit dem Inlandeis transportiert, was bis heute an den einzelnen Steinen erkennbar ist. Zwei Gletscher stießen hier aufeinander und schufen die Kernsdorfer Höhen sowie das Tal mit dem Hügelgrab.“ Und diese durch ihre Form gegen heftige Witterung geschützte und leicht gegen Feinde zu verteidigende Mulde bot sich für eine Besiedelung geradezu an.

Das Nirgendwo als interessanter Lebensraum

„Heute liegt Peterswalde weitab von Städten, vor 100 Jahren gab es nahebei lediglich ein Gut, was die gepflasterte Straße erklärt, aber ganz früher war es hier ideal“, erläuterte WiesławSkrobot. Um das zu verdeutlichen, hat er mit Alicja Szarzyńska landschaftliche Elemente auf der Basis einer lokalen Legende benannt: „Vom Eulenberg fließt der Silberbach am Hügelgrab vorbei unter der Straße hindurch, neben dem Findling der Dämmerung und mündet in den Mondsee.“ Dabei handelt es sich heute um Feuchtwiesen in Form eines Sichelmonds.

Es gab also genug Wasser, fruchtbaren Boden, Fischfang war möglich und im Wald gab es Tiere zu jagen, das haben die ersten Einwohner, dann die Goten, dann die Sassinen und später die Ritter des Deutschen Ordens erkannt, die Peterswalde gegründet haben. Für die Verpflegung der Teilnehmer der Expedition hatten die Förster zum Abschluss ein Lagerfeuer mit Würstchen auf die Beine gestellt. Zum Wärmen, Trocknen und Sattwerden. Auch die heutigen „Siedler“ erkannten: hier lässt es sich aushalten.

Uwe Hahnkamp

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