Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Leben in Freiheit

Vor Kurzem ist die polnische Fassung der Memoiren von Markus Meckel, dem einstigen DDR-Oppositionellen und späteren SPD-Bundestagsabgeordneten, in polnischer Fassung erschienen. Eine erste Lesung gab es vergangene Woche in dem in Oppeln beheimateten Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen.

Die Memoiren Meckels „Zu wandeln die Zeiten“ sind im Original im Jahr 2020 erschienen. Nun hat das Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften die polnische Übersetzung unter dem Titel „Osobistahistoriawolności“ herausgegeben. Darin schreibt Meckel über sein Leben bis zur politischen Wende 1989/1990.

Familienpolitik
Markus Meckel, Pastor und Politiker, ist einer der bekanntesten DDR-Oppositionellen, Mitbegründer der SPD in der DDR, Teilnehmer der dortigen Rundtischgespräche und schließlich der letzte DDR-Außenminister einer demokratisch gewählten Regierung. Sein Engagement für die Opposition, obwohl man es damals nicht so genannt hatte, hat sich durch die Familie entwickelt. „Das war Familienpolitik. Mein Vater, der 1949 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam, siedelte, obwohl er aus Westdeutschland stammte, zusammen mit meiner Mutter in der DDR an, weil dort evangelische Geistliche gebraucht wurden. Und von Anfang an hat er sich mit dem System kritisch auseinandergesetzt. In diesem Geist bin ich dann auch aufgewachsen.“
Ohne ein staatlich anerkanntes Abitur konnte Markus Meckel nur an kirchlichen Schulen studieren und wurde schließlich, wie sein Vater, Pastor. In dieser Funktion war es für Meckel immer wichtig, den Friedens- und Freiheitsgedanken mit dem christlichen Glauben zu verbinden. „Ich habe meine erste Predigt in meinem mecklenburgischen Dorf über Galater 5, Vers 1 gehalten. Dort heißt es: ‚Zur Freiheit hat euch Christus befreit, darum lasst euch nicht wieder in das Joch der Knechtschaft zwingen‘. Das war für mich die christliche Botschaft und dafür habe ich versucht, Menschen zu gewinnen. Sie sollten nicht nur einfach den Gottesdienst besuchen, sondern wissen, dass Leben in Freiheit wichtig ist“, sagte der Politiker bei dem Treffen in Oppeln.

Markus Meckel stellte sein Buch im Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen vor. Foto: DAZ

Politik
Markus Meckel engagierte die Menschen in unterschiedlichen Gruppen zu vielfältigen Themen, woraus später die eigentliche Opposition in der DDR entstanden ist. Eine strikt politische Aktivität entstand aber erst mit Gorbatschows Rede vor den Vereinten Nationen im Jahr 1988, als er sagte, die Länder des Ostblocks sollten ihr politisches System selbst wählen. „Auf wen sollten wir also warten, doch nicht auf die von der SED! So haben wir die SPD in der DDR gegründet, denn Demokratie braucht Parteien“, erinnert sich Meckel.
Es folgten Proteste im ganzen Land, ein Runder Tisch über die Zukunft des Landes und schließlich freie Wahlen zum DDR-Parlament. Die demokratischen Parteien haben diese Wahlen gewonnen und Meckel wurde in der neuen Regierung Außenminister. Sein politisches Engagement hörte auch nach 1990 nicht auf, denn in der gesamtdeutschen SPD war er weiterhin aktiv und saß bis 2016 im Bundestag.

Minderheit
Die Zeit nach der Wende wird in dem Buch zwar nicht behandelt, war aber eines der Themen des Treffens in Oppeln. Dabei ging es auch um die deutsche Minderheit, die für die West-SPD ein heikles Thema gewesen ist, wie Meckel betont. Er sah dies aber auch als Auftrag für seine Partei und engagierte sich für die Minderheitenrechte. „Ich war wohl der erste Sozialdemokrat, der Anfang der 90er Jahre durch Schlesien fuhr und mit den Menschen sprach“, erinnert sich Meckel und sagt bei dem Gespräch in Oppeln, dass, so wie damals, auch heute Minderheitenpolitik ein wichtiger Bestandteil der Demokratie sei:„Deshalb gehört Minderheitenpolitik auch auf EU-Ebene, vielleicht sogar mit einem eigenen EU-Kommissar, damit überall gleiche Standards gelten.“
Markus Meckel stellte sein Buch in polnischer Übersetzung auch in Breslau vor.

Rudolf Urban

 

Box: Die polnische Version des Buches von Markus Meckel sowie weitere Publikationen können Sie hier herunterladen: qr-code

Foto: Markus Meckel stellte sein Buch im Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen vor. Foto: DAZ

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