Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Lokal handeln in einer großen Gemeinschaft

Manchmal kommt es einem in der „Diaspora“ der deutschen Minderheit in der Woiwodschaft Ermland-Masuren trotz der regelmäßigen regionalen Treffen so vor, als wäre man ein Einzelkämpfer. Und es scheint den Aktiven so, als träten sie auf der Stelle, und frische Ideen wollten sich nicht einstellen. Dem entgegen wirken die Stipendien des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa)in Stuttgart für Kulturassistentinnen und Kulturassistenten,Social Media und Hospitationen bei der deutschen Minderheit in Mittel- und Osteuropa.‬‬‬‬‬‬

Es sind drei unterschiedlich lange Zeiträume, in denen die Stipendiatinnen und Stipendiaten gefördert werden. BeimSocial-Media-Stipendium geht es um einen kurzen Zeitraum, in dem die geförderte Person in diesen Programmen etwas produziert; die Kulturassistenzen dauern mehrere Monate, in denen von einer ehrenamtlich für die deutsche Minderheit arbeitenden Person neue Impulse gesetzt und frische Projekte umgesetzt werden. Beim dritten, bis zu vier Wochen dauernden Stipendium geht es um Erfahrungsaustausch und Einblick in Arbeitsansätze bei anderen deutschen Organisationen, wenn möglich in einem anderen Staat. Ich selbst durfte die letzte Möglichkeit für eine Hospitation in Ratiborbei „Radio Mittendrin“nutzen.

Abenteuer Teil I: über Stuttgart in die weite Welt

Auf die Programme aufmerksam gemacht hatte mich Julia Herzog, die in Allenstein (Olsztyn) als Kulturmanagerin des ifatätig war und jetzt beim ifaebenjene Stipendienbetreut. Ende Oktober startetemein Bus nach Stuttgart, der allerdings wegen der Dauerbaustelle des Bahnhofs in Stuttgart den Flughafen anfuhr, was dann bereits einen vielfältigen Eindruck von der großen Stadt entlang der Stadtbahn erlaubte. Hotel und Tagungsort lagen zentrumsnah und damit in Laufweite vom ifa, dem Schloss und der Innenstadt – eine gute Wahl.

ifa-Workshop zum Projektmanagement mit Marta Gawinek-Dagargulia(rechts)‬

Ein wichtiger Teil des Seminars war ein Besuch im Gebäude des ifa selbst, der Einblick in die Arbeit der Abteilung Dialoge, die für die Stipendien zuständig ist, und der ungewöhnlich umfangreichen Bibliothek, in der sogar Wörterbücher für seltener gesprochene Sprachen wie Lettisch zu finden sind. Vor allem aber war es interessant, die Menschen kennenzulernen, die hinter der Arbeit stecken, und die man in der alltäglichen Routine häufig nur als Telefonstimme oder als Partner im schriftlichen Austausch kennt.

Fotografische Dokumentation des ifa-Workshops

Die Hauptaufmerksamkeit galt aber dem Thema Projektmanagement, das Marta Gawinek-Dagargulia den Teilnehmerinnen und Teilnehmern näherbrachte. Eifrige Diskussionen zu Organisation und Finanzen, zu Planung und Einbindung der sozialen Medien und nicht zuletzt einige neue Projektideen prägten drei lange Tage. Und nicht nur ich, sondern alle der sehr unterschiedlichen Stipendiaten genossen die länder- und kulturübergreifenden Gespräche – von Kirgistan bis Lettland, von Kasachstan über Georgien bis Rumänien und Kroatien. In seinem Land, in seiner Region fühlt man sich manchmal allein, doch hier war eine Gemeinschaft über die Grenzen hinweg zu spüren. Mit diesen Erfahrungen im Gepäck konnte es kommen, das…

 

…Abenteuer Teil II: über Ratibor nach Schlesien und Oppeln

Wie weit Ratibor eigentlich von Allenstein entfernt ist, war die erste Erfahrung auf der langen Fahrt nach Süden an die tschechische Grenze kurz vor Ostrau(Ostrava). Und während man in der Woiwodschaft Ermland-Masuren recht weit bis zur nächsten deutschen Gesellschaft fahren muss, stolpert man dort direkt im Nachbarort über einen weiteren deutschen Verein. Selbst das ein wenig abgelegene Lubowitz(Lubowice) mit dem Oberschlesischen Eichendorff- Kultur- und Begegnungszentrum, in dem ich für drei Wochen Unterkunft fand, liegt gerade einmal zehn Kilometer vom Sitz der Deutschen in Schlesien in Ratibor entfernt, in dem sich auch das Studio von „Radio Mittendrin“befindet.

In seinem Land, in seiner Region fühlt man sich manchmal allein, doch hier war eine Gemeinschaft über die Grenzen hinweg zu spüren.

Die Aufnahme im Team bei „Radio Mittendrin“ – und dafür bin ich sehr dankbar – kam mir geradezu so vor, als wäre ich nur soeben für eine kurze Recherche außer Haus gewesen und danach wieder hereinspaziert. Vollkommen selbstverständlich durfte ich dabei sein und mich schlaumachen, wie die Redaktion arbeitet. Eine wertvolle neue Erfahrung: im Team mitarbeiten. Denn in Allenstein bin ich nicht selten mit meiner Arbeit allein. Ebenso wichtig waren die geplanten Einblicke in die Arbeit eines Internetradios, das sich wegen personeller und gerätetechnischer Voraussetzungen nicht in den Norden übertragen lässt; dafür wird unsere Radiosendung „Allensteiner Welle“ bei „Radio Mittendrin“zu hören sein. Über das Mode-Thema „Podcast“ und die Umsetzung dieser Ausdrucksform mit ihren Möglichkeiten und Grenzen hatten wir ebenso interessante Diskussionen wie über die technische Hilfe durch den „Mind_Netz“-Medienkoffer. Und ich konnte für die aktuellen Sendungen Beiträge, unter anderem von der diesjährigen Feier zum Todestag von Joseph von Eichendorff, liefern.

Im Studio von „Radio Mittendrin“ in Ratibor

Doch auch hier war meine wichtigste Erfahrung: ich bin nicht allein. Ob das Team bei „Radio Mittendrin“, die Aktiven des Eichendorff-Zentrums, die Kolleginnen und Kollegen bei der Schulung zu Social Media und Fotografie in Oppeln, die während meiner Zeit in Ratibor stattfand und die ich besuchen konnte – so viele Menschen setzen sich für die Öffentlichkeits- und Kulturarbeit der deutschen Minderheit ein. Was im Rückschluss uns als Redaktion der „Allensteiner Welle“ weiterhelfen würde, sind ein, zwei weitere junge Personen, die mitmoderieren oder sich um den Bereich Social Media kümmern könnten – denn dort sind wir schwach aufgestellt.

ifa-Stipendiatinnen aus Kasachstan, Kirgisistan und Kroatien: Kristina Larina, Alina Franz und Klara Fehir(v. l.)

Man sagt, dass ein Ortswechsel, eine neue Umgebung, neue Eindrücke und neue Menschen um einen herum einem guttun können. Ich denke, das stimmt, und kann dafür die Stipendien des ifa nur empfehlen. Und zuletzt: Danke euch allen, mit denen ich zusammen sein durfte!

Text und Fotos: Uwe Hahnkamp

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