Im Mai verlieh die deutsche Botschaft in Polen das deutsche Sprachdiplom an 200 polnische Schülerinnen und Schüler. Dieses entspricht dem Niveau B2 bis C1 des „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen“ und bescheinigt den selbstständigen bis fließenden Gebrauch der Sprache. Der Ort der Vergabe war die Willy-Brandt-Schule in Warschau, eine von 141 deutschen Schulen im Ausland.
Seit mehr als 40 Jahren ist die Schule ein Aushängeschild der deutschen Sprache in Polen. Die Schule wurde ursprünglich als Botschaftsschule unter dem Namen „Deutsche Schule Warschau” im Jahr 1978 gegründet. Damals bestand die Schule aus zwei Lehrern, einer Kindergärtnerin und zehn Schülern. Heute zählt die Schule 300 Schüler, 80 Kindergartenkinder, 10 Erzieher und 40 Lehrkräfte.
Gütesiegel „Exzellente Deutsche Auslandsschule”
Dem „Deutschen Schulverein Warschau” obliegt seit 2009 die Trägerschaft, doch die Schule ist nach polnischem Recht eine Privatschule mit den Befugnissen einer polnischen öffentlichen Schule. Gefördert wird die Schule daher von der Bundesrepublik Deutschland sowie von der Republik Polen. Die Kinder können entweder am deutsch- oder polnischsprachigen Programm teilnehmen. Beide Programme basieren auf dem allgemeinen deutschen Bildungssystem mit Grundschule, Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Im Vordergrund jedoch steht die Vorbereitung auf ein deutsch-muttersprachliches Abitur nach dem Vorbild der Bildungspläne in Thüringen und Baden-Württemberg. Der deutsche Bildungsmonitor sieht die beiden Bundesländer 2019 im Vergleich zu den anderen 14 Bundesländern auf den Plätzen drei und sechs. Die Schüler erfahren folglich eine Bildung, die nicht nur über dem polnischen, sondern auch über dem deutschen Standard liegt. Für ihre gute Arbeit wurde die Schule mit dem Gütesiegel „Exzellente Deutsche Auslandsschule” gewürdigt. Mit dem Abitur als Abschluss wird den Schülern ermöglicht, an einer deutschen Hochschule zu studieren. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zur weltweiten Wertschöpfung mit dem Stand Juni 2018 besitzen nur 25 Prozent aller Schüler an deutschen Auslandsschulen einen deutschen Pass. Durchschnittlich 10 Prozent aller nicht-deutschen Schüler hätten den Wunsch, in Deutschland zu studieren. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2017 geht sogar jeder dritte nicht-deutsche Absolvent nach dem Schulabschluss nach Deutschland. Seit 2001 vergibt der Deutsche Akademische Austauschdienst Stipendien an die besten Schüler der Auslandsschulen für ein Studium an einer deutschen Hochschule. Damit ist die Schule wichtiger Faktor für die Rekrutierung schlauer Köpfe für die Bundesrepublik.
Angst vor Elitenbildung
Laut einer Studie des DIW sind an den Deutschen Auslandsschulen durchschnittlich 13 Nationalitäten vertreten. Die Studie gibt fünf von fünf Punkten für „Begegnung der Kulturen”. Die „Zeit” verwies schon im Jahr 1965 in einem Artikel auf die Wichtigkeit der Deutschen Auslandsschulen für die wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland. Das legt nahe, dass ehemalige Schüler wichtige Rollen in der deutschen Wirtschaft spielten. Das muss allerdings nicht unbedingt allein auf eine gute Ausbildung zurückzuführen sein. Der „Zeit“-Artikel deutete an, dass schon beim Schulbankdrücken wichtige Kontakte zwischen den Schülern verschiedener Nationalitäten geknüpft werden, aus denen später nicht selten Geschäftskontakte entstehen. Auch heute noch besteht der Vorwurf an die Deutschen Auslandsschulen, dass sich dort privilegierte Eliten entwickeln, die sich schon jetzt untereinander verknüpfen und eine bessere Bildung genießen würden als Schüler an öffentlichen Schulen.
In Warschau zum Beispiel kostet ein Schuljahr von 22.000 PLN bis zu 25.000 PLN. Dazu können Kosten für die Nachmittagsbetreuung von bis zu rund 3500 PLN pro Halbjahr kommen. Bei einem Nettodurchschnittslohn von 3530 PLN pro Monat in Polen, kann man davon ausgehen, dass die Schülereltern eher zu den wohlhabenden Schichten gehören.
Schulen müssen selbst für sich sorgen
Die hohen Beiträge sind allerdings nicht aus der Luft gegriffen: Die Schulen erhalten im Schnitt pro Jahr 1,36 Millionen Euro. Diese machen jedoch nur circa 30 Prozent der Gelder aus, mit denen sich die Schulen finanzieren. Der Rest wird durch das Schulgeld eingenommen. Zudem gibt es Sponsoren. In Warschau sind dies bekannte Größen, wie zum Beispiel Lidl, Pepe Jeans oder die Allianzversicherung. Auf ihrer Website wirbt die WBS mit „Bildungspartnerschaften mit gut ausgebildeten, mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern, Absolventinnen und Absolventen der Schule, sowie deren Eltern”. Das ist nur ein Teil der Sponsoren-Partnerschaft. Zudem kann man lesen: „Diese Form der Zusammenarbeit eröffnet die Möglichkeit (…), durch die Teilnahme an schulischen Veranstaltungen das Angebot ihres Unternehmens oder ihrer Institution einem größeren Publikum vorzustellen.” Und tatsächlich, auf dem Video des Sommerfests der Schule im Jahr 2017 schwenkt das Bild zu einem Stand der Allianz. Im Abspann des Videos sind die Sponsoren noch einmal aufgelistet. Das mag alles ganz harmlos sein, doch die Firmen sind nicht schlecht beraten, an der Schule mit ihrer wohlhabenden Schüler- und Elternschaft Werbung für sich zu machen. Im Marketing spricht man davon, ein Zielpublikum anzusprechen.
Prekäre Arbeitsverhältnisse für Lehrer
Die Lehrer an den Deutschen Auslandsschulen verdienen allerdings nicht viel mehr als ihre Kollegen in der Bundesrepublik und manchmal nicht genug, um die Kosten eines Auslandsaufenthalts zu decken. Die Politik verspricht, die Auslandsschulen finanziell besser auszustatten. Doch die Zahl der Bewerbungen von Lehrern auf Auslandsstellen geht zurück. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft warnt Lehrer vor prekären Arbeitsverhältnissen im Ausland. Der Weltverband Deutscher Auslandsschulen will den örtlichen Trägervereinen mehr Macht geben, was das Mitspracherecht der Lehrkräfte beschneiden würde.
Für die Schüler allerdings ist die Einrichtung ein großer Gewinn. Die Bildung ist auf einem hohen Niveau. Darüber hinaus bietet die Schule auch extrakurrikulare Aktivitäten an. So pflegt sie zum Beispiel eine Zusammenarbeit mit dem BVB Dortmund, die jungen Fußballern die Chance gibt, an einem Trainingslager mit dem bekannten Fußballverein teilzunehmen. Für diese Möglichkeiten müssen ihre Eltern nur das entsprechend hohe Schulgeld bezahlen.
Justus Niebling