Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Reise ins Ungewisse

In seinem Debütroman „Polnischer Abgang“ erzählt der Schriftsteller Mariusz Hoffmann vom Ankommen und Bleiben, vom Abschiednehmen und Wiederfinden.

Oberschlesien im Jahr 1990: In der kleinen Ortschaft Salesche (Zalesie Śląskie) packen der 14-jährige Jarek und seine Eltern ihre Siebensachen. Sie wollen nach Deutschland aussiedeln, so wie Oma Agnieszka, die schon seit acht Jahren in der Bundesrepublik lebt. Als Jarek ins Auto steigt, das ihn über die Grenze ins „gelobte Land“ und in ein vermeintlich besseres Leben bringen wird, weiß er genau: In seine Heimat wird er nicht mehr zurückkehren. Und auch seinen besten Freund Andrzej und seine heimliche Liebe Ola muss er zurücklassen. Doch statt zu Oma Agnieszka nach Hannover zu fahren, verschlägt es die Familie Sobota zunächst in eine Erstaufnahmeeinrichtung – und das Wiedersehen mit der Großmutter rückt in immer weitere Ferne. Wird die Familienzusammenkunft etwa wegen eines Verrats hinausgezögert, der länger zurückliegt?

Ortseinfahrt von Salesche in Oberschlesien
Foto: Aotearoa/wikimedia.org

So weit ein erster Einblick in die Rahmenhandlung des Romans „Polnischer Abgang“ von Mariusz Hoffmann. Ein „polnischer Abgang“ – das ist eine umgangssprachliche Redensart, mit der das Verlassen eines gesellschaftlichen Treffens oder einer Feier ohne Verabschiedung bezeichnet wird. Der Titel ist dabei nicht zufällig gewählt, denn in dem Buch geht es auch um das „Verschwinden“: „Es gibt die Großmutter, die ohne Abschied viele Jahre vorher das Land verlässt; es gibt Jarek und seine Eltern, die das Land verlassen; es gibt ein System, das verschwindet; es gibt Namen, die verschwinden – und auch Träume und Illusionen, die irgendwann verschwinden“, erklärt Mariusz Hoffmann in einem Interview mit dem Radiosender WDR 5.

Cover des Debütromans von Mariusz Hoffmann
Foto: Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH

Die fiktionale Geschichte des Romans, der für den diesjährigen Literaturpreis Ruhr nominiert war, enthält dabei zahlreiche autobiografische Züge. Denn auch der Autor selbst siedelte im Jahr 1990 als damals Vierjähriger mit seinen Eltern aus Polen nach Deutschland über. Da seine eigenen Erinnerungen an diese Zeit sehr diffus sind, interviewte er für das Buch seine Eltern und Großeltern – und ließ die Erzählungen und Anekdoten aus dem Familiengedächtnis in das 240-Seiten-Werk einfließen.

„Mariusz Hoffmann erzählt geradlinig und empathisch von Ankunft und Bleiben, Abschied und Wiederfinden. Eine zarte Komik schöpft er dabei aus der Absurdität der Ausgangssituation: Wie ‚beweist‘ man als Pole, dass man ‚eigentlich‘ Deutscher ist? Und was sagt es über ein Land aus, dass so ein Bekenntnis von Aussiedlern verlangt wird?“, resenziert Lina Brünig von WDR 5. Und der deutsche Schriftsteller Pierre Jarawan findet: „Eine warmherzige, humorvolle Geschichte, die in einem Roadtrip von Oberschlesien bis nach Deutschland führt und die – frei von Kitsch und in einer poetischen Sprache – mit liebenswerten Figuren vom Suchen und Ankommen erzählt.“

ln

Polnischer Abgang
Autor: Mariusz Hoffmann
Herausgeber: Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH
Format: Hardcover, 240 Seiten
Sprache: Deutsch
Preis: 22 Euro
ISBN: 978-3-8270-1481-8

Titelfoto: Didgeman/pixabay.com

Show More