Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Worüber Polen lacht

Ob gesundheitsgefährdende Nachrichtensendungen, Richter mit Maulkörben oder eine patriotische Apfelpolitik: Der gesellschaftliche und politische Alltag in Polen hält einige Eigen- und Besonderheiten bereit, die für den gemeinen Deutschen oftmals gar nicht so leicht zu durchschauen sind. Ein neues Buch des polnischen Karikaturisten Andrzej Mleczko und des deutschen Publizisten Matthias Kneip schafft hier nun Abhilfe. Auf unterhaltsame Weise – und immer mit einem Augenzwinkern – bringt es den Menschen in Deutschland ihr östliches Nachbarland ein wenig näher.

„Lasst uns irgendwas mit einer Schweigeminute begehen, sonst halten sie nie den Mund“, sagt die Sejmmarschallin zu ihrem Präsidiumskollegen, während die Debatte im Plenarsaal des Sejm allem Anschein nach völlig aus dem Ruder läuft, die wütenden Parlamentarier Rudel gebildet haben und sich – teils mit geballten Fäusten – gegenseitig anschreien. Die Abgeordneten haben sich so in Rage geredet, dass auch die Parlamentspräsidenten sie nicht mehr unter Kontrolle bringen kann. Um die Volksvertreter zu beruhigen, hilft wohl nur noch das Abhalten einer Schweigeminute zu irgendeinem Thema.

Es ist eine satirisch-überzeichnete Interpretation der mitunter emotionalen Debattenkultur in Polen, die sich in Form einer Karikatur Ausdruck verschafft. Sie entstammt der Feder – oder besser gesagt: dem Pinsel – von Andrzej Mleczko, der mit seinen Zeichnungen nicht nur die hiesige politische Kultur, sondern auch viele andere Bereiche des politischen und gesellschaftlichen Lebens regelmäßig aufs Korn nimmt. Zu sehen ist das Bild nun – zusammen 71 weiteren Zeichnungen – in dem kürzlich veröffentlichten Buch „Darüber lacht Polen – Eine Landeskunde in 72 Karikaturen und Texten“.

Das polnisch-deutsche Gemeinschaftswerk von Andrzej Mleczko und Matthias Kneip beleuchtet auf unterhaltsame Weise verschiedene Aspekte des polnischen Alltagslebens und Zeitgeschehens. So vermittelt es allerhand wissenswerte Landeskunde über die aktuelle Lebenswirklichkeit in Polen – selbstverständlich immer mit einem Augenzwinkern.

Kneip liefert die Erklärungstexte zu Mleczkos Zeichnungen

Im Zentrum des Buches stehen die Karikaturen von Andrzej Mleczko. Der Satiriker, 1949 in Tarnobrzeg in der Woiwodschaft Karpatenvorland geboren und heute wohnhaft in Krakau, ist einer der bekanntesten Karikaturisten Polens. Seit vielen Jahren kommentiert er mit seinen pointierten Zeichnungen die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Land; seine Bilder erscheinen in zahlreichen wichtigen polnischen Zeitungen und Zeitschriften, zum Beispiel allwöchentlich im auflagenstarken Nachrichtenmagazin „Polityka“.

Zu seinen Karikaturen, die nun Eingang in das Buch gefunden haben, hat der deutsche Polenfreund Matthias Kneip kurze landeskundliche Texte verfasst. Sie begleiten die Zeichnungen und erklären die gesellschaftspolitischen Hintergründe der satirischen Darstellungen. Der Schriftsteller und Publizist Kneip, der zudem als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Polen-Institut in Darmstadt tätig ist, gilt als einer der bekanntesten Mittler polnischer Kultur in Deutschland; er hat mehrere Bücher und Essays über Polen verfasst, darunter „111 Gründe, Polen zu lieben“ (2015) oder „Polen in Augenblicken“ (2019).

Zeitlose Karikaturen

Die in dem Buch „Darüber lacht Polen“ präsentierten 72 Karikaturen sind in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten entstanden und wurden zuvor bereits in verschiedenen polnischen Publikationen veröffentlicht. „Aber sie sind gewissermaßen auch zeitlos (…). Denn es geht nicht um die jeweils tagespolitischen Anlässe der Zeichnungen, sondern um den universellen Charakter, den Mleczkos Werke vielfach besitzen. Und den sie auch behalten werden, wenn sich die politischen Verhältnisse in Polen wieder einmal ändern“, schreibt Peter Oliver Loew, der Direktor des Deutschen Polen-Instituts, im Vorwort des 152-Seiten Werkes. Denn eines sei jetzt schon klar: „Die Landeskunde zeigt zwar ein Polen um das Jahr 2022, aber sie zeigt auch ein zeitloses Polen der vergangenen und der künftigen Jahrzehnte“, so Loew, dessen Institut das Buchprojekt als Pate und Kooperationspartner begleitete.

Cover des neues Buches „Darüber lacht Polen“
Foto: Verlag Friedrich Pustet

Inhaltlich richtet sich das im Verlag Friedrich Pustet erschienene Buch vorranging an ein Lesepublikum in Deutschland, wo das Wissen über Polen, obwohl Nachbar, oftmals noch rar gesät ist. Der Ansatz: Über Humor und gemeinsames, freundschaftliches Lachen lernt man sich immer noch am besten kennen! („Und ganz im Gegensatz zum vermeintlichen Bierernst, den die Regierenden an der Weichsel oft an den Tag legen, lachen Polen auch gern über sich selbst“, betont Peter Oliver Loew.)

So dürften auch die Polinnen und Polen beim Betrachten der Karikaturen ins Schmunzeln geraten und sich hier und da ertappt fühlen – zum Beispiel bei dem ihnen oft nachgesagten nationalen Pessimismus, ihrem Faible für Ratgeberbücher aller Art oder hinsichtlich des fortschreitenden Wertewandels in zahlreichen Lebensbereichen.

„Darüber lacht Polen“ ist eine amüsante und kurzweilige Lektüre, die gleichzeitig zum Nachdenken anregt und den Leserinnen und Lesern in Deutschland dabei hilft, Polen und seine Politik, seine Menschen und Lebensweise, seine Kultur und Werte, seine nationalen Traumata und Ängste besser zu verstehen. Dabei zaubert das Ganze noch ein Lächeln ins Gesicht – und damit ist schon viel erreicht.

Im Nachwort des Buches betont Matthias Kneip, dass dieses keinen Anspruch erhebe, die Welt oder das deutsch-polnische Verhältnis zu verändern. „Wenn es überhaupt einen Zweck erfüllen möchte, dann den, dass möglichst viele Leserinnen und Leser in unser gemeinsames Lachen einstimmen. Und, vielleicht, über das Lachen etwas über den anderen erfahren.“

Lucas Netter

Darüber lacht Polen – Eine Landeskunde in 72 Karikaturen und Texten
Autoren: Matthias Kneip (Texte), Andrzej Mleczko (Zeichnungen)
Herausgeber: Verlag Friedrich Pustet
Erscheinungsdatum: 28. Februar 2023
Preis: 20 Euro
ISBN: 978-3-7917-3393-7

Artikelfoto: Andrzej Mleczko/Verlag Friedrich Pustet
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