Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Ein Ort des Friedens?

Ich habe kürzlich zum zweiten Mal Erich Maria Remarques Antikriegsroman „Die Nacht von Lissabon“ gelesen. Dieser vielschichtige Roman lässt sich nicht auf ein Schema festlegen, denn es ist sowohl ein Roman über die schöne Liebe als auch über den Krieg, der im Hintergrund bleibend das Leben von Emigranten und Flüchtlingen prägt. Ich befürchte, dass die Reflexion der Helden des Romans auch in die Gegenwart gehört. Sie waren überrascht, mit welcher Geschwindigkeit alles zum Krieg führte und ihn dann auf andere Länder ausbreitete, sodass am Ende nur noch Portugal ein Stückchen Freiheit war. Relativer Freiheit, denn Flüchtlingen und Auswanderern drohte die Abschiebung.

Das war die damalige Form der Pushbacks. Und der Krieg rückte schnell näher. Innerhalb von drei Jahren kam es zum Anschluss Österreichs, zur Münchner Konferenz, zur Besetzung Polens und de facto erreichte der Krieg mit seinen Folgen schließlich die Pyrenäen. Überall in dieser Gegend gab es Millionen von Menschen, die sich zunächst selbst täuschten, dass der Krieg nicht ausbrechen würde, und dann, dass sie nicht in den Krieg verwickelt werden würden. Darüber sprechen die Helden der Nacht in Lissabon.

Seit 2014, als Russland die Krim besetzte, beobachten wir erstmals die Wirkungslosigkeit der Minsker Vereinbarungen, was Putin ermutigt hat. Er hat die Ukraine bereits vor anderthalb Jahren offen angegriffen. Flüchtlinge aus der Ukraine füllen Europa. Der blutige Krieg und Verbrechen an der Zivilbevölkerung gehen weiter. Russland bombardiert Häuser und Krankenhäuser, Frauen und Kinder werden getötet. Weitere Konflikte brechen am Rande Russlands aus, etwa um Bergkarabach.

Aufgrund der Verbrechen der Hamas in Israel bricht im Gazastreifen plötzlich ein Krieg aus. Die Ermordung unschuldiger jüdischer Zivilisten und die Entführung von Geiseln rufen eine enorme Solidarität mit Israel und den Familien von über tausend Opfern hervor. Fragen nach einem jahrzehntelangen inkompetenten Bau internationaler Beziehungen zwischen den Völkern und Nationen des Nahen Ostens bleiben außen vor. Es besteht Einigkeit darüber, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen. Angesichts der militärischen Vergeltung Israels im Gazastreifen und der Tötung Tausender Zivilisten schüren nicht nur die Familien der Geiseln, sondern auch ein wachsender Teil der Weltöffentlichkeit Zweifel. Das Interesse verlagert sich von der Ukraine in den Nahen Osten. Dies kommt Russland zugute, und die Haltung der USA, Irans, arabischer Länder und Chinas wird mit größter Aufmerksamkeit beobachtet. Aus der Türkei droht Erdogan Israel und seinen Verbündeten mit den Worten: „Wir könnten jede Nacht unerwartet kommen.“

Gibt es noch Raum für Frieden? Alle Autoritäten, die ohne Relativierung sagen könnten, dass der Tod jedes Kindes ein Verbrechen ist, egal ob in Charkow oder in einem Kibbuz, in Gaza oder an der polnisch-belarussischen Grenze, unabhängig von seiner Nationalität, Religion oder Hautfarbe, wurden degradiert. Ohne moralische und absolute Verurteilung solcher Verbrechen bedroht uns der Krieg jeden Tag.

Bernard Gaida

Titelfoto: Levi Meir Clancy/unsplash.com

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