Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ein Hauch der Jahrhunderte

Das im Landkreis Brieg gelegene Grottkau entstand an einer Kreuzung wichtiger Handelswege und ist heute Sitz der gleichnamigen Gemeinde. Die Lokalhistorikerin Wanda Cebulka verrät uns die Geschichte ihrer Heimatstadt.

Alt Grottkau und Neu Grottkau, die von Heinrich dem Bärtigem nach dem Magdeburger Recht gegründet wurden, wurden 1241 bei den Mongoleninvasionen zerstört. Etwas weiter entfernt, auf einem kleinen Hügel zwischen Sümpfen und zwei Flüssen, wurde Grottkau nach dem Neumarkter Stadtrecht neu gegründet. „Die Stadt hat seit dem Mittelalter kaum etwas von ihrem Stil verloren, die Straßen verlaufen senkrecht und parallel zum Marktplatz“, sagt Wanda Cebulka.

Das erste Rathaus war gleichzeitig der Wohnsitz des Bürgermeisters. Zu dem einen Haus wurde schließlich ein zweites dazu gemauert. Das Gebäude am Rande des Marktplatzes steht heute noch. Über dem Eingang: die Wappen der Breslauer und Neisser Bischöfe, wie auch das Wappen des Bürgermeisters Hildebrandt. Aufgrund großer Schulden der Fürsten von Grottkau übernahm Preczlaw von Pogarell, Fürstbischof von Breslau, die Herrschaft in Grottkau: „Er richtete dort seine Residenz ein, sozusagen die Stadtverwaltung. Fünf Ratsmitglieder waren es, die dort amtierten. In der Chronik von Długosz wird das erste Rathaus sogar als Schloss Grottkau bezeichnet“, erforschte die Lokalhistorikerin.

Seltene Innenräume bergen historische Mitshäuser in Grottkau.
Foto: Manuela Leibig

Die Bischofsstadt

Für über 400 Jahre, also bis 1810, war Grottkau eine Stadt des Fürstentums Neisse und somit Territorium der Breslauer Bischöfe. Was das bedeutet, weiß Wanda Cebulka: „Die Bischofsstadt hatte zur Folge, dass andere Religionen hier kaum eine Chance hatten zu existieren. Von Anfang an, als sich die Stadt entwickelte, ich spreche noch vom Mittelalter, kamen Juden hierher. Aber als der Bischof hier zu regieren begann, hat er die Juden getrennt, sie lebten in der Diaspora. Er sonderte die Juden sogar mit einem Schutzwall ab.“

Die Stadt wurde von zahlreichen Feuern heimgesucht. Auch der 30-jährige Krieg, die drei Kriege um Schlesien und die Napoleonischen Kriege haben die Gebäude in Grottkau nicht verschont. Dennoch erinnern heute noch die alten Stadtmauern mit den dazugehörigen Stadttoren an das Mittelalter. „Zum Zeitpunkt des Einmarsches der Hussiten haben die Bewohner aufgrund eines Abkommens mit Breslau die Mauern abgetragen, sodass die Hussiten hineinkamen und die Stadt nicht zerstörten. Die Hussiten ließen sich hier in Grottkau nieder, während in Breslau sich die Soldaten in dieser Zeit auf die Vergeltung vorbereiten konnten“, sagt Wanda Cebulka und fügt hinzu: „Die Stadtmauern blieben als Erinnerung an früher, obwohl sie im 16. und 17. Jahrhundert wieder umgebaut wurden. Auch die Stadttore in der Mauer zeugen noch heute von der Geschichte der Stadt.”

Ob die Stadt geschichtlich zu Oberschlesien oder Niederschlesien gehört – darüber sind sich Historiker bislang nicht einig geworden.

Die hier regierenden Bischöfe haben in der Stadtarchitektur auch einige Gebäude errichten lassen. „Einer von ihnen, Balthasar von Promnitz, ließ ein richtiges Rathaus in der Mitte des Marktplatzes erbauen. Es war ein zweigeschossiges Gebäude“, sagt Wanda Cebulka. Das heutige Rathaus ähnelt dem 1840 nach einem Entwurf des Oppelner Architekten Philippi erbauten Rathaus. „Zuerst gab es den Turm, der schon seit dem Mittelalter existiert. Es war der größte Turm in der Stadt, in dem man in Falle eines Angriffs Alarm schlug und Zuflucht suchte. Später wurde zu dem Turm das Rathaus dazu gebaut war, dann folgten die Tuchhallen, das Haus des Kaufmanns, die Waage, wie in jeder Stadt. Und natürlich gab es rundherum einen Markt“, so die Historikerin.

Anstelle des Kaiser Wilhelm Denkmals vor dem Rathaus steht nun eine Büste von dem 1769 in Grottkau geborenen Joseph Elsner. Um 12 Uhr wird von dem Rathausturm aus die g-Moll Messe Elsners gespielt, die der Komponist speziell für seine Heimatstadt erschaffen hat.

Die katholische Kirche in Grottkau wurde viele Male von Feuern und Kriegen heimgesucht. 1671 wurde die Pfarrkirche der Heiligen Jungfrau Maria dank der Bemühungen des hier geborenen Bischofs Sebastian von Rostock renoviert. „Er baute den dreischiffigen Teil der Kirche und den Chor weiter aus. Darunter befindet sich eine Gedenktafel, ein Epitaph, mit Danksagungen an von Rostock. Einer der Seitenaltäre in der Kirche wurde vom Vater Joseph Elsners geschnitzt“, berichtet Wanda Cebulka.

Königreich Preußen

Nach den Kriegen um Schlesien fällt Grottkau von der Habsburgermonarchie an das Königreich Preußen. Direkt nach dem Siebenjährigen Krieg wurde die Stadt vom preußischen König Friedrich II. zur Garnisonsstadt erhoben. Viele der Soldaten: Evangelisch. So musste ihnen das Ausleben ihres Glaubens in Form von Andachten ermöglicht werden, zuerst im Alten Rathaus. „Den Status der Garnisonsstadt behielt Grottkau bis 1945. Die Kaserne hat der Stadt viel gegeben, denn die Soldaten haben zur Entwicklung der Stadt beigetragen. Beispielsweise gab es hier eine Zeit lang ca. 50 Gastwirtschaften. Da für die Truppenübungen Pferde benötigt wurden, entstanden große Speicher für Korn. Die meisten Soldaten waren evangelisch, also hatten sie die evangelische Kirche gebaut. Die Katholiken halfen mit, denn damals spielte es keine Rolle, welchen Glauben man hatte, sondern wie man als Mensch war. Auch eine Grundschule und eine weiterführende Schule wurden hier von der Evangelischen Glaubensgemeinschaft gegründet“, weiß Wanda Cebulka.

Die Evangelischen

Die evangelische Kirche in Grottkau wurde 1784 erbaut. Aufgrund eines Konstruktionsfehlers und darauffolgender zahlreicher Risse in den Wänden wurde sie teilweise abgetragen und 1845 im neuromanischen Stil wiederaufgebaut. „Der Pastor kam zuerst nur zum Gottesdienst in die Stadt, später wurde er hier sesshaft“, erforschte Wanda Cebulka. Die meisten der deutsch-evangelischen Grottkauer wurden 1945 in das Arbeitslager in Grottkau interniert. Weil die katholische Kirche zerstört war, wurden ab 1946 übergangsweise in der evangelischen Kirche katholische Messen gefeiert. „Als nach 1945 Repatriierte hierherkamen, stellte sich heraus, dass viele von ihnen evangelisch waren und der evangelische Gottesdienst wurde wieder aufgenommen. Doch nach einiger Zeit verließen die Repatriierten die Gemeinde und die Kirche begann zu verfallen. Die evangelische Kirche wurde schließlich ausgeraubt und sich selbst überlassen. Ich erinnere mich, dass wir als Kinder immer auf den Turm der Kirche stiegen, dort saßen und uns umschauten. Es war eine sehr schöne Aussicht von dort. Die Treppen waren in einem besseren Zustand als in der katholischen Kirche. Aber dann fingen die Natur und die Menschen langsam an, hier alles zu zerstören, Fliesen und Bänke herauszureißen“, weiß Wanda Cebulka zu berichten. 2013 wurde das Dach des Turmes rekonstruiert, um ihn vor weiterem Verfall zu schützen, im Moment werden keine weiteren Arbeiten an der Kirche durchgeführt.

Die Evangelische Kirche ist nun von den Menschen abgeschlossen. Was fehlt, ist der Dachstul.
Foto: Manuela Leibig

Nach der Säkularisation 1810 verloren die Breslauer Bischöfe Grottkau zusammen mit dem Fürstentum Neisse. Nun waren drei Konfessionen in Grottkau vertreten: Katholiken, Protestanten und Juden. „König Friedrich begann nach den Schlesischen Kriegen, Juden hierher zu holen, um die Wirtschaft zu verbessern. Sehr viele Juden kamen nach Grottkau. Ihre Situation verbesserte sich zusehends, sie mieteten oder kauften Häuser hier, sogar auf dem Marktplatz, obwohl es ein jüdisches Viertel gab, doch da wohnten eher die ärmeren Juden“, sagt Wanda Cebulka. Zum Beten mieteten die Juden einen Raum in der Neisser Straße 3.

400 Menschen

Vor der Front sind viele Grottkauer geflüchtet. Die, die geblieben waren, wurden kurze Zeit später in das Grottkauer Übergangslager des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit interniert: “Die Bedingungen, unter denen sie dort lebten, waren jedoch schrecklich, zudem brach eine Seuche aus. Soviel ich weiß, starben 400 Menschen, bevor die Überlebenden in den Westen deportiert wurde. Einige Menschen, die gebraucht wurden, um zum Beispiel ein Gaswerk, ein Postamt, irgendeine Anlage, die es dort gab, oder ein Kraftwerk zu betreiben, blieben natürlich hier. All dies musste jemandem beigebracht werden. Wo wurden sie begraben? 400 Menschen sind keine ‘Nadel im Heuhaufen’. Sie müssen irgendwo begraben worden sein, aber die Chroniken schweigen hierzu. Die letzten deutschen Einwohner der Stadt wurden erst 1946-1947 deportiert.”

Was macht die Stadt des einstigen Sitzes des Landkreises Grottkau so besonders? Es ist wohl die Architektur der Stadt, die im Zweiten Weltkrieg kaum zerstört wurde. Auch der Aufbau der Stadt ist so wie vor Jahrhunderten, weil die Keller der Gebäude einst gemauert wurden und nicht umgesetzt werden konnten.

Die Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg wenig beschädigt. Viele schöne Fassaden sind im Stadtbild noch sichtbar.
Foto: Manuela Leibig

Ob die Stadt geschichtlich zu Oberschlesien oder Niederschlesien gehört – darüber sind sich Historiker bislang nicht einig geworden. Die Stadt lag zuerst im Fürstentum Neisse, das zu Niederschlesien gehörte, und ab 1815 im Regierungsbezirk Oppeln und der Provinz Oberschlesien. Ob so oder so – die Stadt ist einen Besuch wert.

Mehr dazu: Schlesien Journal 27 02 2024

Manuela Leibig

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