Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Ein neues Kapitel

Im Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen in Polen in Oppeln eine Podiumsdiskussion über die Zukunft der Beziehungen zwischen Polen und Deutschland statt. Thema war neben der allgemeinen Neuausrichtung der politischen Verhältnisse unter der amtierenden liberal-konservativen Bürgerkoalition auch die Formulierung einer einvernehmlichen Perspektive auf die europäische Sicherheits- und Außenpolitik.

Lucjan Dzumla, Direktor des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit, durfte angesichts dieser wichtigen Themen entsprechend hochrangige Gäste begrüßen: Marek Krząkała, Abgeordneter der Bürgerplattform im Sejm und Mitglied der deutsch-polnischen bilateralen Gruppe, Dietmar Nietan, Bundestagsabgeordneter der SPD und Koordinator im Auswärtigen Amt für die deutsch-polnische Zusammenarbeit sowie Dr. Katarzyna Kownacka, Expertin für nationale Minderheiten von der Universität Oppeln.

V.l.n.r.: Katarzyna Kownacka, Dietmar Nietan, Marek Krząkała, Lucjan Dzumla. Foto: Felix Werner

Mehr Sicherheit und Freiheit

Wichtigstes Thema war der Umgang Europas mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Entsprechend wurde gleich zu Beginn auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht auch und gerade in außen- und sicherheitspolitischen Angelegenheiten wieder enger zusammenzurücken. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der geopolitischen Entwicklung der letzten zwei Jahre, die als Konsequenz der russischen Invasion in der Ukraine zu betrachten ist. Man müsse Frieden und Freiheit gegen den russischen Imperialismus verteidigen – dies sei aber alleine nicht möglich, dazu brauche man Mittel- und Osteuropa.

In dieser Hinsicht ist es besonders wichtig, sich klar vor Augen zu führen, dass die gegenseitige Kritik politischer Fehlentscheidungen in den letzten Jahrzehnten auf beiden Seiten zurecht erfolgt ist. Nach wie vor gibt es nicht nur in den politischen Prioritäten beider Länder, sondern auch in den Interessen ihrer Bevölkerung beachtliche Unterschiede. Doch gilt es nun angesichts der Bedrohung durch die russische Aggression, welche als potentielle Gefahr einer Destabilisierung europäischer Friedenspolitik auf den Weg kommt, die Gemeinsamkeiten gegenüber den Unterschieden hervorzuheben.

Kritik an der PiS

Aber auch abseits der Sicherheitspolitik sieht man auf  beiden Seiten einen deutlich gestiegenen Bedarf für engere Kooperation – sowohl zwischen den beiden Ländern als auch auf gesamteuropäischer Ebene. Dass dies in der Vergangenheit zunehmend schwieriger war, liegt an der achtjährigen Regierungszeit der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), welche mit ihrer antideutschen Rhetorik, insbesondere den überzogenen Forderungen nach erneuten Reparationszahlungen, die außenpolitischen Beziehungen der beiden Länder zunehmend strapazierte. „Die PiS hat ihre antideutsche Haltung zum festen Bestandteil ihrer Wahlkampagne gemacht und somit den Zusammenbruch der deutsch-polnischen Beziehungen herbeigeführt. Nun kommt die Zeit, wieder zu einem regelmäßigen Dialog zurückzukehren. Und es gibt viel zu besprechen“, betont Marek Krząkała.

“Es ist eine große Chance für beide Länder, nun eine polnische Regierung haben, die Außenpolitik nicht als Nullsummenspiel begreift”

Dietmar Nietan schloss sich der Kritik an der PiS an und äußerte sein Unverständnis über die antieuropäische Einstellung der Partei. „Ich sehe eine große Chance darin, dass wir nun eine polnische Regierung haben, die Außenpolitik nicht als Nullsummenspiel begreift, die nicht sagt: wenn wir größer werden wollen, dann muss halt jemand anderes kleiner werden. Dieses veraltete Denken, dass es in einer übergeordneten Interessensgemeinschaft nur Gewinner oder Verlierer geben kann, ist schlicht falsch.“

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass angesichts der demografischen Entwicklungstrends Europa im Vergleich zur Welt immer kleiner werden wird. Übergeordnetes Ziel muss es also sein, Europa mit vereinter Kraft stark für die Zukunft zu machen: wirtschaftlich unabhängig, kulturell geeint, eine lebenswerte Heimat für alle, die sich ausdrücklich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen.

Deutsche Sprache, wertvolle Sprache

Bei all dem ist die Rolle der deutschen Sprache nicht zu unterschätzen. Die Hoffnung, dass sich im Zuge des Regierungswechsels die deutsch-polnischen Beziehungen wieder erholen, hat sich vor allem auf den Erwerb deutscher Sprachkompetenzen begründet. Im Detail ging es darum, eine besonders unpopuläre Regelung der PiS aufzuheben, welche eine Reduzierung des Deutschunterrichts als Minderheitssprache von drei auf eine Stunde pro Woche verordnet hatte. So wurden en passant mit nur einem politischen Handstreich über 55.000 Kinder der staatlichen Benachteiligung ausgesetzt, während der Unterricht anderer Minderheitssprachen weiterhin mit drei Wochenstunden fortgesetzt wurde. Diese diskriminierende Praxis hat nach immerhin zweijährigem Bestand mit der neuen Regierung ein Ende gefunden.

Von deutscher Seite aus, erklärt Nietan, sei es mit der Regelung für Polnisch als Minderheitssprache in den Schulen leider etwas schwieriger. Das liegt an dem föderalen System der Bundesrepublik und der Tatsache, dass Bildungspolitik dort eine Sache der einzelnen Bundesländer ist. Trotzdem sind auch hier Fortschritte zu verzeichnen, denn immerhin stehen seit nunmehr einem Jahr Geldmittel im Bundeshaushalt zur Verfügung, um polnische Sprachkurse außerhalb der Schule gezielt fördern zu können.

“Immer da, wo Menschen ihre Muttersprache pflegen, finden wir eine besonders florierende Wirtschaft.”

Die Unterstützung von Minderheitssprachen ist aber nicht nur eine kulturelle Bereicherung, sondern, führt Nietan weiter aus, ergibt auch wirtschaftspolitisch Sinn: „Immer da, wo Menschen ihre Muttersprache pflegen, finden wir eine besonders florierende Wirtschaft. Dass es gerade in dieser Region so viele wirtschaftliche Erfolge gibt, liegt also daran, dass so viele Menschen neben Polnisch auch gut Deutsch sprechen. Andersrum sind Polen in Deutschland die zweitgrößte Minderheit – wenn wir also auch dort Polnisch als Minderheitssprache fördern, ist das ein Vorteil für uns alle. Eine engagierte Minderheit ist immer ein Gewinn für die Mehrheitsgesellschaft.“

Felix Werner

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