Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ein oberschlesischer Europäer

Mit Marcin Langner, Germanistikstudent der Universität Oppeln, sprach Andrea Polański über sein Interesse für die Geschichte und Identität.


Wann hat es bei Dir angefangen, dass du Interesse an Geschichte bemerkt hast?
Bereits in meiner Kindheit erzählten mir meine Großeltern Geschichten aus ihrer Kindheit, Jugend und aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Ich fand ihre Erzählungen sehr spannend und fing an mir verschiedene Fragen zu stellen, wie „Wer bin ich eigentlich?“, „Wie sieht die ganze Geschichte meiner Familie aus?“. Die Fragen gaben mir einfach keine Ruhe. Ich fing also an, nach Antworten zu suchen. So hat mein Hobby begonnen. Ich sammelte anfangs alte Fotografien, Bücher, erstellte Familienstammbäume und mit der Zeit hat sich das alles ausgebreitet.

Geschichte kann man als etwas allgemeines betrachten oder sich auf ein bestimmtes Zeitfenster, eine bestimmte Region fokussieren. Wie sieht das bei Dir aus?
Ich interessiere mich vor allem für die Geschichte Mitteleuropas und genauer gesagt die Geschichte Schlesiens und des Oppelner Landes. Dass ich mich gerade für diesen Teil der Welt interessiere, ist stark mit meiner Familiengeschichte verbunden. Alle meine Vorfahren stammen entweder aus Schlesien, Deutschland oder Tschechien. Es gibt dabei keine bestimmte Epoche, die mich mehr als alle anderen interessieren würde.

Was fasziniert Dich so an Schlesien?
Schlesien ist über die Jahrhunderte hinweg in verschiedene Einflussbereiche geraten und befand sich in unterschiedlichen Staatsgebilden. Dies führte dazu, dass sich in Schlesien eine einzigartige Kultur herausgebildet hat. Zum anderen fasziniert mich Schlesien deshalb, weil es meine Heimat ist und schon allein diese Tatsache bewirkt, dass diese Region einen besonderen Platz in meinem Herzen hat. Ich beteilige mich deshalb an Geschichtsprojekten des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit und führte in der Vergangenheit Interviews mit meinen bereits verstorbenen Großeltern im Rahmen des „Archivs der erzählten Geschichte“ durch. Es gelang mir auch, Flugblätter und Artikel zu publizieren, in denen ich die Geschichte und Sehenswürdigkeiten bestimmter Ortschaften des Oppelner Umlandes beschrieb.

Inwiefern wurden die Themen, die dich im Bereich Geschichte Schlesiens interessieren, in der Schule behandelt?
In der Schule wurde überraschenderweise selten über Schlesien gesprochen. Überraschend deswegen, da die regionale Geschichte eigentlich sehr wichtig ist. Man sollte wissen, wo man lebt und was die Region geprägt hat. Schlesien wurde im Mittelalter thematisiert, als es im Unterricht um die Piasten ging, die damals noch über Polen herrschten. Dann wurde Schlesien erst wieder im Hinblick auf die Schlesischen Aufstände nach dem Ersten Weltkrieg erwähnt und noch später gab es etwas zur Rolle Schlesiens in der Zweiten Polnischen Republik. Ich hatte das Glück gute Lehrer zu haben, die bestimmte empfindliche Themen neutral und mit Respekt behandelt haben.

 

Marcin Langner
Foto: A. Polański

Es ist etwas ungewöhnlich, wenn sich eine junge Person in so einem Ausmaß wie Du sich für die Vergangenheit interessiert. Warum ist das so und findest Du, dass es sich ändern sollte?
Geschichte hilft mir meine eigene Identität zu stärken und eine bestimmte Distanz zur alltäglichen Wirklichkeit aufzubauen. Beim Analysieren historischer Ereignisse, Zeitfenster etc., bemerkt man einfach, dass unsere Welt nicht schwarz-weiß, sondern etwas komplizierter ist, als es sich viele Menschen vorstellen. Dementsprechend sehe ich es als etwas Positives, wenn sich junge Menschen für Geschichte interessieren. Genau wie bei mir, kann solch ein Hobby einem jungen Menschen helfen seine Identität zu stärken und sich gegenüber anderen zu öffnen. Man sollte jedoch nicht den Fehler machen bestimmte Ereignisse nur aus einen Blickwinkel zu betrachten. Man muss immer mehrere Perspektiven in Acht nehmen.

Das Bewusstsein der eigenen Geschichte und der Vergangenheit der Heimat ist für viele Menschen ein Identitätsträger. Trifft das auch bei Dir zu?
Wie bereits erwähnt ist dies auch bei mir der Fall. Schlesien war und ist eine multikulturelle Region mit verschiedenen Identitäten, die auch in meiner Familie präsent waren. Ich selbst bin stolz aus Schlesien zu kommen und möchte keine dieser Identitäten, der deutschen, schlesischen und polnischen aufgeben, weil ich am Ende des Tages ein wenig von Allem bin. Ich fühle mich deshalb als oberschlesischer Europäer.

Was bedeutet es für Dich ein Europäer zu sein?
Es bedeutet für mich ein freier Mensch zu sein, der die Traditionen seiner Vorfahren pflegt und sie an die nächsten Generationen weiterreicht, aber es bedeutet auch offen für Neues zu sein, also die Tradition und der gleichzeitige Glaube an Fortschritt ist somit meine Freiheit und mein Identitätsträger. Solch eine Definition, ist aber nur meine persönliche und jeder muss für sich selbst wissen, was es für ihn bedeutet Europäer zu sein. Dies ist etwas was unseren Kulturkreis von den anderen unterscheidet, also dass menschliches Individuum Vorrang vor der Masse hat.

 

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