Das neue Jahr hat begonnen, Zeit also für das erste Exponat des Monats im Museum der Moderne im Allensteiner Städtischen Kulturzentrum. Im Saal des früheren Trolleybus-Depots hatte sich Rafał Bętkowski vom Museum am 17. Januar zum Jahrestag des Einmarschs der Roten Armee in Allenstein (Olsztyn) 1945 das Straßenschild der „Straße des 22. Januar“ vorgenommen.
Ungewöhnlich ist, dass das Exponat noch nicht den Weg ins Museum der Moderne gefunden hat, schließlich entstand die Straße Anfang des 20. Jahrhunderts, im Zeitraum der rasanten Entwicklung Allensteins also, mit dem sich das Museum hauptsächlich befasst. Ungewöhnlich ist darüber hinaus, dass das Straßenschild angesichts der massiven Entkommunisierung der letzten Jahre noch am Gebäude des Postamts Nr. 2 an der heutigen Pieniężnego-Straße (zu deutschen Zeiten Wilhelmstraße) hängt.
Befreiung 1945 oder Aufstand 1863?
Dem Schicksal der Entfernung aus dem Stadtbild entging der Name der kurzen Straße dadurch, dass diese offiziell nicht mehr an die Befreiung der Stadt durch die Rote Armee erinnert, sondern an den Tag des Ausbruchs des Januar-Aufstands 1863 gegen das zaristische Russland während der polnischen Teilungen. Interessant ist, dass bereits am 22. Januar 1946, dem ersten Jahrestag der Einnahme der Stadt Allenstein und Tag der feierlichen Umbenennung der Straße – die Enthüllung des Straßenschilds wurde vom Singen der polnischen Nationalhymne begleitet – der damalige Stadtpräsident Tadeusz Pałucki (1903–1968) neben der „Rückkehr der Stadt zum Vaterland“ auch dieses antirussische Ereignis erwähnte, wie die lokalen „Masurischen Nachrichten“ („Wiadomości Mazurskie“) berichteten.
Von der Hauptstraße nach Osten …
Rafał Bętkowski erinnerte die über 60 Gäste beim Vortrag zum ersten diesjährigen Exponat des Monats an die Anfänge der kurzen, aber wichtigen Straße. Im Jahr 1896 wurden die Wirtschaftsgebäude entlang der damaligen Wilhelmstraße abgerissen und die dazugehörenden Grundstücke von der katholischen Kirche an private Investoren verkauft. Schon damals war klar, dass neben dem Gebäude der Post eine Straße nach Osten gebaut werden sollte. Konzipiert hat sie von 1906 bis 1907 der Urbanist Prof. Theodor Goecke (1850–1919), der Stadtplaner von Allenstein, konkretisiert wurde das Projekt 1911 und dann nach 1918 umgesetzt. Die Poststraße, so ihr erster Name, sollte die Fabrikstraße kreuzen und gegenüber der Einmündung der Kopernikus-Straße auf die Kleeberger Straße (heute Piłsudskiego-Allee) stoßen.
Wie auf Luftbildern aus jener Zeit gut zu erkennen ist, mussten für den Bau der Straße Dämme aufgeschüttet werden. Aus Kostengründen wurde nur an den Kreuzungen am Ende gepflastert, der Rest der Straße nur geschottert. Die spätere Treudank-Straße – wegen der vielen Stimmen für Ostpreußen bei der Volksabstimmung 1920 – wurde 1939 aufgewertet, als dort Trolleybusse der Linie 1 fuhren. Geplant war sie ursprünglich als Verbindungsstraße zwischen dem Osten der Stadt Allenstein und dem Bahnhof Allenstein-West, als Teil der Umgehung der Altstadt. Das ist übrigens ein Plan, der sich bis in die 1970er-Jahre hielt, aber nie umgesetzt wurde.
… zur Zufahrtsstraße des Einkaufszentrums
Es gibt Unterlagen zu einer futuristischen Stadtplanung, in der die damalige Siegesallee (heute Piłsudskiego-Allee) als Fußgängerzone gedacht ist, während der Verkehr durch die ulica pocztowa (Poststraße, ab 1945) beziehungsweise ulica 22 stycznia (Straße des 22. Januar, ab 1946) und am Hohen Tor vorbeigeleitet wird. Verwirklicht wurde diese Idee nie. Lediglich die Trolleybusse der Linie 4 fuhren ab Januar 1947 bis in die 1950er-Jahre durch die Straße. Dann wurde die Straße durch die Aufschüttungen des Geländes für das Denkmal der Dankbarkeit gegenüber der Roten Armee abgeschnitten, das am 22. Januar 1954 eingeweiht wurde und heute in der Kritik steht und abgerissen werden soll.
Erst zehn Jahre später wurde aus der Straße des 22. Januar wieder eine durchgängige Straße, als hinter dem Denkmal Ordnung geschaffen wurde. Bis Anfang des 21. Jahrhunderts führte sie durch den Park westlich der Piłsudski-Allee, und man konnte von der Bushaltestelle am Gericht aus über sie hinweg die Sonnenuntergänge bewundern. Dann entstand ein Einkaufszentrum mit Kinokomplex, die Aussicht verschwand, und die Straße führte vor allem ins Parkhaus.
Uwe Hahnkamp