Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Minderheit nicht mehr im Sejm

Am 15. Oktober haben die Polen einen neuen Sejm und Senat gewählt. Trotz des Sieges von Recht und Gerechtigkeit (PiS) wird die Partei nicht in der Lage sein, die nächste Regierung zu bilden. Außerdem wird im neuen Parlament zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren kein Vertreter der deutschen Minderheit sitzen.

Als am Wahlabend die ersten Umfrageergebnisse veröffentlicht wurden, war unklar, ob die Deutsche Minderheit überhaupt im neuen Sejm vertreten sein würde. In den landesweiten Umfragen war dieses Wahlkomitee nicht berücksichtigt worden. In den ersten Minuten nach 21.00 Uhr freuten sich auch die Angehörigen der Minderheit selbst mehr über den tatsächlichen Sieg der demokratischen Opposition. „Diese ersten gemeldeten Umfrageergebnisse lassen uns hoffen, dass es einen Wechsel geben wird und dass es die Opposition ist, die schließlich vom polnischen Staatspräsidenten den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Das freut uns sehr, denn wir Deutschen in Polen haben in den letzten Jahren besonders zu spüren bekommen, was es bedeutet, wenn der Staat immer autoritärer wird, wenn er sich immer mehr vom Rechtsstaat abwendet, wie es zum Beispiel der Bildungsminister mit seiner Entscheidung, die Stundenzahl für Deutsch als Minderheitensprache zu reduzieren, getan hat. Jetzt hoffen wir, dass das Land wieder auf den Pfad der Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt, dass die Fehler korrigiert werden, denn das ist für uns Minderheiten extrem wichtig“, sagte damals Rafał Bartek, Nummer 2 auf der Liste der Deutschen Minderheit für den Sejm und Leiter ihrer Oppelner und landesweiten Strukturen.

Gründe

Am Montag begann jedoch auch für das Wahlkomitee der Minderheit eine hektische Zeit des Wartens auf das Ergebnis. Und das gab den Oppelner Deutschen zunächst die Chance, zumindest einen Sitz im Sejm zu behalten, obwohl das Komitee selbst mit dem Ziel in die Wahl gegangen war, zwei Abgeordnete zu erreichen. Im Laufe des Tages sanken die Chancen jedoch, bis am Abend klar wurde, dass es zum ersten Mal seit über 30 Jahren keinen Vertreter der Deutschen Minderheit im neuen Sejm geben würde. „Für mich war das ein großer Rückschlag, denn wir hatten eine gute Liste und einen guten Wahlkampf, wie auch Experten betonten. Aber am Ende fehlten uns trotz Überschreitung der Wahlhürde die Stimmen, um wenigstens diesen einen Sitz zu behalten. Wir müssen jetzt die vergangene Zeit und die Ergebnisse analysieren“, beurteilt Ryszard Galla, der die Minderheit 18 Jahre lang als Abgeordneter vertreten hat.

Am Wahlabend zeichnete sich die Niederlage noch nicht ab.
Foto: Rudolf Urban

Was war der Grund für die Niederlage der Minderheit? Zum einen, so betonen die Vertreter der Deutschen Minderheit, war der vergangene Wahlkampf eine Art Plebiszit zwischen den beiden größten Gruppierungen und ihren Zukunftsvorstellungen. „Wir sind uns bewusst, dass in der Situation, in der am 15. Oktober dieses Jahres das Schicksal des demokratischen Polens und sein Platz in Europa auf dem Spiel stand, viele Wähler vor einem Dilemma standen – die großen Parteien zu wählen, die in den Medien als diejenigen dargestellt wurden, die Einfluss auf die Richtung der Entwicklung des Landes haben, oder ein regionales Komitee, das nur auf der Ebene einer Woiwodschaft agiert“, heißt es in einer Erklärung des Wahlkomitees der Deutschen Minderheit.

Die Minderheit hat also nur 25.788 Stimmen erhalten, das sind über 6.000 weniger als bei den Wahlen 2019. Bei der aktuellen Wahl hat die Minderheit ihre führende Position in nicht wenigen Ortschaften rund um Oppeln verloren. Nur in einigen wenigen Wahllokalen wurden die meisten Stimmen für das Komitee abgegeben. Dies war beispielsweise in der Gemeinde Walzen der Fall, wo 31,39 % der Wahlberechtigten für die Minderheit stimmten, während in der Gemeinde Radlau die Minderheit sogar von 37,88 % der Wähler unterstützt wurde. Darüber hinaus gab es eine Reihe von Gemeinden, in denen das Wahlkomitee der Deutschen Minderheit den zweiten oder dritten Platz belegte.

Hinzu kommt, dass die Rekordwahlbeteiligung von 74,38 % im Land und damit eine höhere Wahlbeteiligung auch in der Woiwodschaft Oppeln (66,55 %) das negative Ergebnis verstärkte, das schließlich in einer Zustimmung von 5,37 % und dem sechsten Platz in der Region endete.

Ryszard Galla sieht jedoch noch einen anderen Grund für das schlechte Abschneiden der Minderheit: „Es ist der Irrglaube, dass ein Mandat für die Minderheit garantiert ist. Und obwohl wir versucht haben, unserer Gesellschaft bewusst zu machen, dass dies nicht der Fall ist, sind viele Menschen wahrscheinlich von diesem Irrglauben ausgegangen und haben lieber eine der großen Parteien gewählt.“

Trotz der Niederlage will die deutsche Minderheit nun aber nicht den Kopf in den Sand stecken. Zum einen werden Gespräche mit anderen Gruppierungen geführt. „Wir müssen schon jetzt nach Partnern im Sejm suchen, die unsere Forderungen auf Parlaments- und Regierungsebene für uns vertreten können“, sagt Rafał Bartek. Ryszard Galla ist der Meinung, dass auch die Minderheit selbst versuchen muss, im Sejm sichtbar zu bleiben. „Wir müssen darüber nachdenken – und das tue ich auch –, was wir tun können, um die bestehenden Aktivitäten an der Schnittstelle Region-Regierung zu ersetzen. Wir sollten weiterhin in Warschau aktiv sein, was eine Herausforderung für die Minderheit als Organisation und für mich persönlich ist. Ich möchte weiterhin für die Region arbeiten, wenn auch jetzt in einem anderen Format.“

18 Jahre lang war Ryszard Galla Abgeordneter der deutschen Minderheit im Sejm.
Foto: Rudolf Urban

Ohne Senator

Henryk Lakwa, der Landrat von Oppeln und Kandidat der deutschen Minderheit für den Senat im Wahlkreis 52 (Oppeln und Kreis Oppeln), hat ebenfalls keinen Sitz erhalten. Mit seinem Ergebnis von 29.390 Stimmen erhielt er jedoch mehr Stimmen als die gesamte Minderheitenliste für den Sejm. Nach den Wahlen ist für Henryk Lakwa das Wichtigste, dass es einen Machtwechsel in Polen geben wird. „Die Bildungsdiskriminierung nur einer, nämlich der deutschen Minderheit, wird damit beendet. Es wird keine Almosen mehr geben und damit auch keine dumme Anwerbung für die eigenen Bedürfnisse, denn so muss man es nennen”, kommentiert der Oppelner Landrat und wendet sich an seine Wähler: „Ich für meinen Teil möchte mich bei allen bedanken, die für mich gestimmt haben, sich mit mir getroffen haben und mir die Kraft gegeben haben, weiterzuarbeiten.“

Henryk Lakwa
Foto: Rudolf Urban

Woiwodschaft Schlesien

Doch nicht nur in der Woiwodschaft Oppeln standen Angehörige der deutschen Minderheit auf der Liste dieses Wahlkomitees. Waldemar Swierczek und Andrzej von Dramsky kandidierten mit Unterstützung der Schlesischen SKGD für das Wahlkomitee Dritter Weg in der Woiwodschaft Schlesien. Swierczek erhielt 1.117 Stimmen im Wahlkreis Ratibor, während von Dramsky im Wahlkreis Gleiwitz kandidierte und auf insgesamt 747 Stimmen kam. Kasper Piechatzek, Vorstandsmitglied des Bundes der Jugend der deutschen Minderheit, kandidierte dagegen ohne offizielle Unterstützung auf der Liste der Linkspartei im Wahlkreis Gleiwitz und erhielt 463 Stimmen. Keiner der drei wird auf der parlamentarischen Bank sitzen.

Henryk Siedlaczek dagegen, ein ehemaliges Mitglied der Partei Bürgerplattform, die mit der schlesischen Deutschen Minderheit zusammenarbeitet, wurde Senator. Er erreichte in Ratibor ein Ergebnis von mehr als 80.000 Stimmen.

Rudolf Urban

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