Es ist eine phänomenale Entdeckung im Herzstück der Region: In Oppeln an der ul. Wrocławska ist bei Bauarbeiten eine historische Skulptur des berühmten deutschen Bildhauers Thomas Myrtek ausgegraben worden. Anschließend landete die Skulptur zusammen mit der ausgehobenen Erde in einem Gebüsch!
„Es war eine sehr bedeutende Persönlichkeit für die deutsche und schlesische Bildhauerkunst – eine, die man in Erinnerung halten sollte“, sagt der Oppelner Geschichtsliebhaber und Hobbyhistoriker Romuald Kulik über Thomas Myrtek (geb. 28.12.1888 Beuthen, gest. 5.9.1935 Athen/Griechenland). In der Tat gehörte Myrtek zu den namhaftesten schlesischen Bildhauern im frühen 20. Jahrhundert. Von ihm stammen unter anderem die Skulpturen von fünf Kindern, die in der Vorkriegszeit eine Bank in Oppeln an der heutigen ul. Ozimska zierten. Da die Kinderskulpturen in einer Höhe aufgehängt waren, verbrachte man sie vermutlich aus Angst vor einem Herunterfallen an den heutigen Plac Wolności, wo sie die Gärten des Präsidenten des Regierungsbezirks Oppeln schmückten. Den Zweiten Weltkrieg konnten die Skulpturen zwar noch überdauern, doch die neue kommunistische Stadtverwaltung kümmerte sich nicht sonderlich um deutsches Kulturerbe. Und so lagen sie, von Erde zugeschüttet, hinter dem heutigen gastronomischen Lokal am Mühlgraben.
Denkmäler kehren zurück
Erst in den 1990er-Jahren wurde damit begonnen, Denkmälern ihre Würde wiederzugeben. Der Inhaber des besagten Lokals grub damals drei der insgesamt fünf Kinderskulpturen aus und stellte diese im Garten seiner Gaststätte auf, wobei er auch nach den letzten verbleibenden Skulpturen suchte. Diese mussten in den 1970er-Jahren verschollen sein, denn Bilder aus der Mitte der Sechziger zeigen noch die komplette Kollektion. Nach einer langen Suche in der Woiwodschaft Schlesien konnte die Kopie einer der originalen Skulpturen gefunden und zusammen mit den anderen aufgestellt werden. Bis vor kurzem standen am Mühlgraben also vier „Myrteks” (wie die Denkmäler allgemein genannt werden), wovon „einer“ nicht original ist.
Die kürzliche Entdeckung hat dazu geführt, dass die Kollektion von Thomas Myrtek auf vier Originalskulpturen und eine Kopie anwachsen wird. Bei Bauarbeiten an der ul. Wrocławska hob ein Bagger eine der fünf Skulpturen aus der Erde und warf dieses zusammen mit reichlich viel Erde in ein Gebüsch. Dort hat sie ein Bewohner Oppelns gefunden. Da es ein arbeitsfreier Tag war, konnte Marek Budziński nicht die Oppelner Denkmalschutzbehörde informieren und die Dienste wollten nicht glauben, dass etwas so Wertvolles in einem Gebüsch gefunden werden konnte. Inzwischen steht die Skulptur unter der Obhut der Denkmalbehörde. Diese hat sie gesichert und bestätigt, dass sie sich – gemessen an der langen Zeit unter der Erde – in einem außergewöhnlich guten Zustand befindet.
Kein Ende der Suche
Wie die Oppelner Skulptur an diesem Ort unter die Erde kam, ist nicht bekannt. Der Ort, wo sich die Skulpturen früher befanden, liegt fast vier Kilometer vom Fundort entfernt. Jemand musste einen der „Myrteks” also über eine erhebliche Entfernung getragen und in der Erde vergraben haben.
Um Thomas Myrtek selbst, der auch andere Denkmäler in Oppeln geschaffen hat (u.a. das Denkmal für die Gefallenen des IR 68), ranken sich übrigens viele Stadtlegenden: „Man sagt, dass Myrtek immer wieder nach Oppeln kam und dort viel Zeit mit seinem Partner verbrachte. Diesem soll er auch Skulpturen in der Stadt gewidmet haben“, sagt Romuald Kulik.
Laut den Beamten der Denkmalbehörde soll die in der Erde wiedergefundene Figur – wie auch die anderen kleinen Werke von Myrtek – ebenfalls in die Grünanlage am Mühlgraben kommen. Es ist sehr gut möglich, dass sie neben der übrigen Kollektion aufgestellt wird. Darüber freuen sich alle Geschichtsliebhaber und Kunstfreunde in der Stadt, zumal – wie Romuald Kulik sagt – „Myrtek zuletzt wieder en vogue ist”. Seine unlängst in Deutschland herausgegebene Biografie hat dem Vernehmen nach reißenden Absatz gefunden.
Ein großes Geheimnis bleibt noch das letzte fehlende Denkmal aus der Kollektion von Thomas Myrtek, also das Original zu der in Gleiwitz gefundenen Kopie. Bedenkt man die Umstände des jüngsten Fundes, ist es gut möglich, dass es sich irgendwann einmal finden wird – ausgegraben aus der Oppelner Erde.
Łukasz Biły