Gegen Ende August begeht die Gesellschaft der deutschen Bevölkerung „Herder“ in Mohrungen (Morąg) traditionell den Geburtstag des dort geborenen großen Dichters und Philosophen Johann Gottfried Herder (1744 – 1803). Dieses Jahr stand bei der Feier, die am 27. August im Gemeindehaus der Michał-Kozal-Kirche stattfand, aber das 30-jährige Bestehen des Vereins im Mittelpunkt.
Es waren, neben der großen Anzahl an deutschen und polnischen Freunden und Wegbegleitern aus den 30 Jahren der Gesellschaft der deutschen Bevölkerung „Herder“, vor allem zwei Dinge, die die Feierlichkeiten in der Kirche und im Gemeindesaal der Michał-Kozal-Pfarrei in Mohrungen auszeichneten: Das Jubiläum war vom Gottesdienst an bis zum letzten Ton der Tanzmusik am Ende der Feier ökumenisch und komplett zweisprachig auf Deutsch und Polnisch gehalten.
Praktische Bilingualität
Es kommt selten vor, dass man mitten am Tag einen Hahn krähen hört. In Mohrungen, bei der 30-Jahr-Feier des Vereins „Herder“, war dies auch kein Weckruf, sondern der Startschuss zu den Tanzdarbietungen der regionalen Tanzgruppe „Saga“ von der deutschen Minderheit in Bartenstein (Bartoszyce) im Rahmen des künstlerischen Teils der Veranstaltung. Während bei diesem Tanz ein Tänzer als Hahn im Korb allein mit einigen jungen Damen fertigwerden musste, gelang es den Organisatoren, eine ähnlich einsame Position auf sprachlicher Ebene zu verhindern. Sämtliche Grußworte und Gratulationen – unter anderem von Ingrid Tkacz im Namen der Kreisgemeinschaft Mohrungen auf Deutsch und von Mohrungens Vizebürgermeister Leszek Biernacki auf Polnisch – wurden in die jeweils andere Sprache übersetzt. Und wer beide Sprachen konnte, sprach auch in beiden, wie Róża Kańkowska von der deutschen Gesellschaft in Elbing (Elbląg) oder der Vorsitzende des Verbandes der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren, Henryk Hoch, der dem Verein „Herder“ eine Erinnerungstafel zum Geschenk machte.
Multikulturalität und Ökumene
Sogar Wiktor Marek Leyk, der Bevollmächtigte für Minderheitenfragen des Marschalls der Woiwodschaft Ermland-Masuren, ergriff das Wort mit Lob und Dank an die Gesellschaft „Herder“ – zuerst auf Deutsch, ehe er auf Polnisch auf aktuelle Ereignisse und die historisch traditionelle Vielfalt der Kulturen im früheren Ostpreußen einging. Eine Vielfalt, die auch der evangelische Pastor Wojciech Płoszek bei seiner Rede während des Gottesdienstes als Gast in der katholischen Michał-Kozal-Kirche thematisierte. Deren Pfarrer Dariusz Piórowski hielt sich dort zurück, hielt aber später auf der Feier einen Vortrag zum berühmten Sohn Mohrungens und Namensgeber des Vereins Johann Gottfried Herder.
Im Sinne dieses Vertreters der Völkerverständigung und des europäischen Gedankens feierten im Gemeindesaal Protestanten und Katholiken, Polen und Deutsche gemeinsam einen Verein, der diese Ideale, die deutsche Kultur und die Erinnerung an ihn selbst hochhält – und das konsequent seit 30 Jahren. Gestärkt von der Torte zu diesem Anlass, die die Vorsitzende des Vereins Urszula Mańka feierlich anschnitt, und von einem Imbiss nutzten die Gäste an diesem sommerlich heißen Samstag die Chance, zur Musik der Gruppe „Sonet“ aus Mohrungen mit Tanz das gemeinsame Vergnügen ausklingen zu lassen – und auf weitere 30 Jahre anzustoßen.
Uwe Hahnkamp