Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Wir wollen mitregieren“

Mit Rafał Bartek, dem Vorsitzenden des Oppelner Sejmik, spricht Rudolf Urban über die vergangene Wahlperiode, die Arbeiten des Sejmik und die Chancen auf eine weitere Mitregierung der Schlesischen Regionalpolitiker in der Woiwodschaft.

 

Es war Ihre erste Amtsperiode als Sejmik-Mitglied, und zugleich sind Sie sein Vorsitzender. Sie waren dabei der erste Vertreter der deutschen Minderheit auf diesem Posten. Wie waren diese fünfeinhalb Jahre für sie?

Viel wichtiger als die Verteilung der Posten, die sich aus dem Koalitionsvertrag ergaben, war die Möglichkeit, konkrete Akzente zu setzen, denn in der zu Ende gehenden Wahlperiode ist aus Sicht der Region und der Minderheit viel geschehen. Wir hatten unter anderem mit der Diskriminierung zu tun und da konnten wir im Regionalparlament einen Akzent setzen, indem wir mit einem Appell gegen die Diskriminierung im minderheitensprachlichen Deutschunterricht gestimmt haben.

Rafał Bartek
Foto: Rudolf Urban

Wir konnten aber auch kulturelle Akzente setzen, indem wir einen Bevollmächtigten für kulturelle Vielfalt beim Vorstand der Woiwodschaft eingesetzt haben, sowie vor allem die Tatsache, dass wir zusammen mit dem Verband deutscher Gesellschaften das Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen in Polen (DAZ) aufgebaut und eröffnet haben. Das wäre ohne politische Präsenz nicht möglich gewesen. Wir wissen ja, dass es in Berlin ein wichtiges Argument war, dass wir das DAZ in unserem regionalen Koalitionsvertrag verankert haben. Das ist für eine Unterstützung aus Deutschland eine ganz andere Ausgangslage, als wenn wir kämen und sagten, wir möchten Geld für dieses Projekt, wissen aber nicht, wie es dann weiterlaufen soll. Deshalb bin ich sicher, dass wir es nicht hätten vorantreiben können, wenn wir nicht in der Koalition im Sejmik wären und eben Mitspracherecht hätten.

Lassen Sie uns noch einmal kurz auf die Diskriminierung zurückkommen. Wie viel bewirkte denn der Appell des Sejmik in dem ganzen Streit um den Deutschunterricht?

Ich glaube, es war alles wichtig: die Arbeit unseres Abgeordneten im Sejm, der den damaligen Bildungsminister immer wieder auf das Problem angesprochen hat, die Aktivität der Eltern, das Sammeln von Unterschriften und Protestschreiben sowie die Aktionen der Jugend. Und in dieser Gesamtheit darf man nicht unterschätzen, dass ein Sejmik sich damit beschäftigt hat. Wir waren das einzige Regionalparlament in Polen, das dieses Thema in so einer Form aufgegriffen hat.

Ohne die Appelle und die anderen Protestformen hätte sich schließlich der damalige Bildungsminister nicht zweimal mit uns getroffen. Er merkte wohl, dass es ein gesellschaftliches Problem ist, das er angestoßen hat. Nun wusste er aber nicht genau, wie er daraus wieder herauskommen sollte.

Aber ohne die Appelle würde es auch bei der jetzigen Regierung nicht so schnell mit der Rücknahme der Diskriminierung vorangehen. Die aktuelle Regierung hat zig Probleme, mit denen sie zu tun hat und trotzdem hat man diese Angelegenheit gleich zu Beginn in Angriff genommen und schließlich eine Verordnung erlassen, wonach es ab dem 1. September 2024 wieder drei Stunden Deutsch als Minderheitensprache geben wird.

Aber Sie sind und waren nicht nur für die Minderheit und die deutsche Sprache zuständig, sondern für die Region als Ganzes. Wo würden Sie da Ihre Erfolge sehen?

Unsere Vertreter im Vorstand der Woiwodschaft, zunächst Roman Kolek und dann Zuzanna Donath-Kasiura, sind für sehr wichtige Bereiche zuständig gewesen: Gesundheitswesen, Bildung, Soziales. Und dort ist in der vergangenen Legislaturperiode sehr viel geschehen. Die Zeit der Pandemie hatte einen starken Einfluss auf unser Leben und das der Verwaltung. Man musste schnell Entscheidungen treffen, wie man die Krankenhäuser unterstützen kann. Und es war gerade unser Marschall Roman Kolek, der die Akzente gesetzt hat, indem er schnelle Entscheidungen getroffen hat. Seine Nachfolgerin Zuzanna Donath-Kasiura tat es ihm gleich und konnte ebenso weitere Akzente setzen, indem Gelder schnell umgewidmet wurden, um das Gesundheitswesen in dieser schwierigen Zeit generell zu unterstützen.

Rafał Bartek
Die deutsche Minderheit (hier vertreten durch Zuzanna Donath-Kasiura und Rafał Bartek in der Bildmitte) regieren bislang mit der Bürgerplattform und der Bauernpartei zusammen.
Foto: Rudolf Urban

Auch im Bereich Soziales ist viel passiert, denn es wurden Programme auf den Weg gebracht, die dem demografischen Wandel entgegenwirken sollen. Unsere Gesellschaft wird immer älter und wir haben immer mehr Menschen, die Betreuung brauchen. So wurden, auch in Zusammenarbeit mit der deutschen Minderheit zum Beispiel Seniorenklubs aufgebaut und eine Nachbarschaftshilfe für die Älteren eingeführt.

Schließlich der Bildungsbereich, wo wir die Rolle einer Institution ausgefüllt haben, die die Lehrer mitbegleitet. Gerade in der Zeit, wo in den letzten Jahren so viel Unsicherheit herrschte, so viele unüberlegte Entscheidungen in Warschau getroffen wurden, konnten wir die Lehrer kontinuierlich fortbilden. Das wurde eben von uns, von unserer Marschallin, betreut.

Und was ist Ihnen in dieser letzten Amtsperiode nicht gelungen?

Wir haben zwar eine neue Strategie in der Woiwodschaft Oppeln, aber sie ist aus meiner Sicht ein wenig zu allgemein gehalten. Ich bin nicht ganz zufrieden. Es sind da zwar natürlich Themen verankert, die für uns wichtig sind, zum Beispiel Multikulturalität und sprachliche Vielfalt. Es ist auch eigentlich alles benannt worden, aber gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass solche Herausforderungen wie der demografische Wandel mutigere Schritte verlangt. Einerseits müssen wir weiterhin Menschen anlocken, damit sie sich hier bei uns niederlassen, obwohl da auch noch manch andere Partner mitspielen müssen. Man muss sich bewusst sein, je weniger wir in der Region sind, desto schwieriger wird es für uns sein, als Region zu bestehen und uns weiterhin zu entwickeln.

Wir müssen auch Programme starten, damit wir unsere kleine Woiwodschaft als Potenzial darstellen können. Wir machen da viel, aber es ist uns damit noch kein großer Erfolg gelungen. Das bleibt also eine Herausforderung für uns.

Was auch besser laufen könnte, was wir aber ohne die Regierung in Warschau nicht bewerkstelligen können, sind bessere Transportwege. Wir haben viel gebaut, viele Züge gekauft. Wir sind aber immer noch zu sehr auf die privaten Autos angewiesen. Ich würde mir persönlich wünschen, dass gerade unsere Älteren und Kinder auf Züge und Busse umsteigen können, die aber regelmäßig fahren müssen. Hier sind die Abhängigkeiten von anderen Akteuren groß, weshalb unsere bisherigen Investitionen vielleicht gar nicht so sehr wahrgenommen wurden.

Es bleibt eine Herausforderung, unsere Städte und Dörfer, die auch weiter weg von Oppeln entfernt liegen, gut zu vernetzen. Damit erhöhen wir auch wieder das Potenzial der gesamten Region. Man muss versuchen, den Öffentlichen Nahverkehr noch besser zu machen, denn das bedeutet für die Bürger Sicherheit. Eine Sicherheit, dass sie auch ohne Auto überall hinkommen.

Mit welchen Gefühlen gehen Sie in die Wahlen? Sie wollen, nun als Schlesische Regionalpolitiker, weiterhin mitregieren, oder?

Ja, wir wollen mitregieren, weil wir der sichere Pol sind, der das Regionale vertritt. Die anderen Parteien sind ja landesweite Gruppierungen. Nur wir, die Schlesischen Regionalpolitiker, vertreten in erster Linie die Region. Ich freue mich vor allem über die neuen Kandidaten auf unseren Listen, denn über die Hälfte tritt zum ersten Mal bei Wahlen an. Ich freue mich aber auch, dass wir auf Sejmik-Ebene Kandidaten aus den Kreisen Neisse und Brieg haben. Das ist ein Zeichen, dass die proregionalen Aktivitäten, die kulturelle und sprachliche Vielfalt, wichtig sind, unabhängig von der Herkunft der Menschen.

Letzten Endes entscheidet aber der Wähler, und ich denke, dass wir mit unserer Arbeit und unserem Programm die Wähler überzeugen werden.

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