Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Auf Krücken zum Lektorat

Mit Beginn des Wintersemesters 2023/2024 hat Dr. Maja Ilona Nemere das Amt der Lektorin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) beim Institut für Germanistik an der Universität Ermland-Masuren (UWM) in Allenstein (Olsztyn) übernommen. Ihr Start dort war ungewollt komplizierter als erwartet.

 

Wo kommen Sie her? Wie war Ihr bisheriger beruflicher Werdegang?

Ursprünglich bin ich keine Germanistin, sondern Slawistin und Romanistin, genauer gesagt promovierte Slawistin, denn das war meine Spezialisierung in Hamburg an der dortigen Universität. Das war meine letzte Station in Deutschland. Danach war ich Lektorin in China, in Indien – die längste Station, fünf Jahre in Delhi –, anschließend hatte ich eine Art Zwischenlektorat wieder in China, aber wegen Corona als Fernlektorat von Berlin aus. Heute würde ich sagen, ich komme aus Berlin, weil das mein Standort in Deutschland ist.

An der UWM sind Sie jetzt Lektorin bei der Germanistik. Wie passt das zu Ihren bisherigen Erfahrungen? Wen und was unterrichten Sie?

Ich habe auch Germanistik studiert, aber später meinen Schwerpunkt auf russische Sprache und Literaturwissenschaft gelegt. Hier in Allenstein ist das – im Gegensatz zur Mehrheit der Lektorate, die sehr sprachlich orientiert sind – ein literatur- und kulturwissenschaftliches Lektorat, also eine Mischung aus Literatur, Kultur, Geschichte, Landeskunde und praktischer Sprachanwendung. Beim Bachelor haben wir drei Jahrgänge und beim Master nur das zweite Jahr. Ich unterrichte diesen Jahrgang und beim Bachelor das zweite und dritte Jahr.

Mit welchen literarischen Werken „quälen“ Sie ihre Studierenden?

Das sind überwiegend Seminare und Kurse zur Einführung in die Literaturwissenschaft, also wähle ich kurze Texte verschiedener Gattungen und Epochen, auch Fragmente aus größeren Werken, damit sie verschiedene Textarten und Schreibformen kennenlernen. Ich will die Studierenden nicht überfordern; wichtig sind daher auch thematische Schwerpunkte und Interessen, zurzeit etwa Kurzgeschichten zum Thema „Familie“.

Dr. Maja Ilona Nemere
Dr. Maja Ilona Nemere
Foto: www.uwm.edu.pl

Und mit welchen Werken haben Sie sich im Bereich der russischen Literatur befasst?

Meine Magisterarbeit beschäftigte sich mit dem Roman von Vladimir Nabokov „König, Dame, Bube“, der hier nicht so bekannt ist wie „Lolita“ oder „Maschenka“. Bei der Promotion ging es um „Realismus“, also ein umfassenderes Thema. Das waren Texte von Dostojewski über Turgenjew bis Tolstoi – quasi ein Durchschnitt durch die große russische Literatur.

Welchen Einfluss hat das Russische auf Ihr Polnisch? Stört es oder hilft es?

Ich habe es mir leichter vorgestellt. Meine polnischen Freunde sagten „Das machst du mit links“, aber ich habe gerade viel zu unterrichten und kaum Zeit, mein Polnisch im Self-Learning wieder zu aktivieren. Russisch hilft, ich verstehe etwas, aber ich kann mich nicht gut ausdrücken. Das ist meist eine Mixtur aus Englisch, Russisch und Deutsch, die auch verstanden wird, aber das ist nicht das Wahre. Polnisch hat es wirklich in sich.

Sie sind jetzt drei Monate hier. Wie ist Ihr erster Eindruck? Wie war Ihr Anfang?

Mein erster Eindruck ist, dass die Stadt und die Umgebung wunderschön sind. Zum ersten gehört leider auch, dass ich auf der Fahrt hierher einen Unfall hatte, mir die Sehnen gerissen habe, ins Krankenhaus musste und die ersten vier Wochen mit Schiene und auf Krücken unterwegs war. Das war ermüdend, zumal bei so einem Umzug am Anfang besonders viele Dinge zu erledigen sind. Ich hatte aber hervorragende Unterstützung von einer Kollegin, die mich überall hingebracht hat, mir alles erklärt hat und geholfen hat – echt super!

Hatten Sie schon Zeit für Stadt und Umgebung?

In diesem Semester habe ich viel zu unterrichten, dafür im nächsten viel weniger. Es bleibt also im Moment kaum Zeit, etwas zu unternehmen oder zu besichtigen. Gerade hat uns aber der Schriftsteller Marcel Krueger besucht und mit unseren Studierenden einen literarischen Ausflug durch die Stadt unternommen, und das gab mir das Gefühl, wenigstens einen kleinen Teil dieser Stadt erfahren zu haben. Aber ich freue mich schon auf den Frühling, wenn es wärmer wird, wenn ich Zeit habe und mehr von meiner Umgebung entdecken kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Uwe Hahnkamp auf dem Weihnachtsmarkt der Germanistik der UWM Anfang Dezember 2023

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