Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Erhöhung um 174 Prozent

Seitens einiger polnischer Regierungspolitiker wird immer wieder behauptet, dass an deutschen Schulen kein Polnischunterricht angeboten würde. Derlei Aussagen entsprechen jedoch nicht der Realität. Zur Aufklärung liefern wir deshalb Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um den Polnischunterricht in Deutschland. In diesem Text beschäftigen wir uns dabei mit der generellen Situation des Polnischen an den allgemeinbildenden Schulen in unserem Nachbarland. Nächste Woche schauen wir uns dann die einzelnen Bundesländer genauer an.

 

Kann man an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland Polnisch lernen?

Grundsätzlich ja. Zwar unterscheiden sich aufgrund des deutschen Bildungsföderalismus die Regelungen und Rahmenbedingungen für den Polnischunterricht von Bundesland zu Bundesland; Angebote zum Lernen der polnischen Sprache gibt es jedoch in fast allen Ländern in unterschiedlicher Ausprägung über alle Bildungsetappen hinweg.

Schon im Jahr 2013 stellte Dr. Magdalena Telus, damals noch Vorsitzende der Bundesvereinigung der Polnischlehrkräfte und heute Wissenschaftliche Leiterin des Kompetenz- und Koordinationszentrums Polnisch (KoKoPol) mit Sitz im sächsischen St. Marienthal, in einem Aufsatz zur Situation des Polnischen in Deutschland fest: „Die Vielfalt und Heterogenität der Unterrichtsmodelle der polnischen Sprache im deutschen Schulwesen ergibt sich aus der Randstellung dieser Sprache und einer geringen Nachfrage, ferner aus unterschiedlichen Motivations- und Bedarfslagen in den alten und den neuen Bundesländern sowie vor allem aus der Unterschiedlichkeit der Bildungssysteme in den einzelnen Bundesländern.“

Angebote zum Lernen der polnischen Sprache gibt es in fast allen Bundesländern in unterschiedlicher Ausprägung über alle Bildungsetappen hinweg.
Foto: B. Wefes/Carl-Fuhlrott-Gymnasium Wuppertal

Dennoch ist Polnisch – zumindest theoretisch – als erste Fremdsprache bereits im Primarbereich (also in der Grundschule) möglich. In der Sekundarstufe I (die in den meisten Bundesländern die Klassenstufen 5 bis 10 umfasst) wird Polnisch oftmals als dritte (Wahlpflichtfach, Wahlfach oder Arbeitsgemeinschaft ab den Jahrgangsstufen 8, 9 oder 10) oder seltener als zweite Fremdsprache (ab den Jahrgangsstufen 6 oder 7) angeboten. In der gymnasialen Oberstufe (Sekundarstufe II) kann Polnisch als fortgeführte oder neu einsetzende Fremdsprache belegt werden – entweder als Grundkurs oder als Leistungskurs mit erhöhtem Anforderungsniveau.

In der Mehrheit der Bundesländer ist Polnisch zudem als Abiturfach zugelassen und wird mit eigenen Bestimmungen geregelt. In einem Beitrag in der KoKoPol-Zeitschrift „Polonus“ aus dem Jahr 2021 weist Dr. Magdalena Telus jedoch darauf hin, dass in der Praxis die Zahl jener Schülerinnen und Schüler, die tatsächlich Abiturprüfungen in Polnisch ablegen, wohl „verschwindend gering“ sei.

Auch herkunftssprachlicher schulischer Polnischunterricht wird in einigen Bundesländern angeboten, meist als Wahlfach und verbunden mit der Möglichkeit, sich dies im Zeugnis vermerken zu lassen (die erbrachte Leistung ist allerdings nicht versetzungsrelevant).

 

Was ist herkunftssprachlicher Unterricht?

Der Herkunftssprachenunterricht (HSU) in Deutschland gilt als wichtiger Baustein zur Förderung der Mehrsprachenkompetenz der Schüler mit Migrationshintergrund. Er wird manchmal auch „Muttersprachlicher (Ergänzungs-)Unterricht“ genannt und hat als freiwilliges Zusatzangebot das Ziel, mehrsprachig aufwachsenden Kindern und Jugendlichen bildungssprachliche Fertigkeiten in der Sprache ihres Herkunftslandes zu vermitteln. Herkunftssprachen sind somit Sprachen, die die Schüler gewissermaßen „von zu Hause“ mitbringen. Im Unterschied zum Fremdsprachenunterricht werden zur Teilnahme am HSU deshalb Kenntnisse in der entsprechenden Sprache vorausgesetzt. Der HSU dient dazu, diese Vorkenntnisse zu erhalten und (auch schriftsprachlich) auszubauen. Zudem soll durch den Erhalt der Mehrsprachigkeit die ethnische, kulturelle und sprachliche Identität der Schüler mit Zuwanderungsgeschichte gestärkt werden.

Laut einer aktuellen Recherche des Mediendienstes Integration können Schüler in derzeit zwölf Bundesländern herkunftssprachlichen Unterricht an staatlichen Schulen besuchen. In Bayern und Baden-Württemberg liegt ein solcher Unterricht bislang ausschließlich in der Verantwortung der Herkunftsländer und wird von den jeweiligen Konsulaten organisiert und durchgeführt. In Thüringen und Sachsen-Anhalt gibt es keinen HSU (siehe auch „Wochenblatt.pl“ Nr. 8/2022).

Herkunftssprachlicher Unterricht in Deutschland im Schuljahr 2021/2022
Grafik: © Mediendienst Integration 2022

 

Wie viele Schüler allgemeinbildender Schulen in Deutschland lernen Polnisch?

Laut den letzten verfügbaren Daten, die Ende 2020 in dem Bericht „Zur Situation des Polnischunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland“ der Kultusministerkonferenz (KMK) zusammengefasst wurden und bis ins Jahr 2003 zurückreichen, hat sich die Zahl der Polnisch lernenden Schüler an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland in den letzten knapp 20 Jahren fast kontinuierlich erhöht: Lernten im Schuljahr 2003/2004 nur insgesamt 5.206 Kinder und Jugendliche an deutschen Schulen Polnisch, waren es im Schuljahr 2019/2020 schon 14.246 (siehe Diagramm 1 unten). Dies entspricht einer Steigerung um etwa 174 Prozent innerhalb von 16 Jahren (bei einer durchschnittlichen jährlichen prozentualen Wachstumsrate von 10,85 Prozent). Diese Zahlen umfassen neben Polnisch als Pflicht-, Wahlpflicht- oder Wahlfremdsprache in einigen Bundesländern auch den Unterricht in Arbeitsgemeinschaften sowie herkunftssprachlichen Unterricht – und sind zudem als Mindestangaben zu verstehen, da nicht aus allen Bundesländern über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg Daten vorliegen. Die tatsächlichen Schülerzahlen könnten unter Umständen also etwas höher liegen.

Diagramm 1: Erstellt auf der Grundlage der verfügbaren Daten aus dem KMK-Bericht (2020). Die Zahlen umfassen neben Polnisch als Pflicht-, Wahlpflicht- oder Wahlfremdsprache auch den Unterricht in Arbeitsgemeinschaften sowie herkunftssprachlichen Unterricht. Auf die Darstellung der Anzahl der Polnischlernenden in den Schuljahren von 2004/2005 bis 2009/2010 wurde aus Platzgründen verzichtet.
Grafik: „Wochenblatt.pl“; Quelle der Daten: Entnommen aus dem Bericht „Zur Situation des Polnischunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland“ (2020) der Kultusministerkonferenz

Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Der Anteil der Polnisch lernenden Schüler an der gesamten Schülerschaft allgemeinbildender Schulen in Deutschland bewegt sich immer noch im Promillebereich. So lernten im Schuljahr 2019/2020 gerade einmal 0,17 Prozent aller Schüler in Deutschland Polnisch, nämlich 14.426 von insgesamt etwa 8,3 Millionen (siehe Diagramm 2 unten). Im Schuljahr 2003/2004 war der Anteil mit 0,05 Prozent jedoch noch deutlich geringer.

Diagramm 2: Erstellt auf der Grundlage der verfügbaren Daten zur Anzahl der Polnischlernenden an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland sowie zur Gesamtanzahl der Schüler an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland in den jeweiligen Schuljahren. Auf die Darstellung der Prozentangaben in den Schuljahren von 2004/2005 bis 2009/2010 wurde aus Platzgründen verzichtet.
Grafik: „Wochenblatt.pl“; Quelle der Daten: Bericht „Zur Situation des Polnischunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland“ (2020) der Kultusministerkonferenz, Statista GmbH (2023)

 

Lucas Netter

Lesen Sie kommende Woche, wie die Situation des schulischen Polnischunterrichts in den einzelnen Bundesländern aussieht.

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