Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Preußische Huldigung – ein nationaler Mythos?

In Allenstein (Olsztyn) soll ein Denkmal für die Preußische Huldigung von 1525 errichtet werden. Das hat der Allensteiner Stadtrat am 7. Dezember 2023 beschlossen.

Es ist eine Idee des Sozialausschusses. Das Denkmal soll König Sigismund I. den Alten und Fürst Albrecht von Hohenzollern, Meister des Deutschen Ordens, vor ihm kniend, abbilden. Man schätzt, dass das Denkmal etwa 1,5 Millionen Złoty kosten wird. Ein Teil des Betrags soll aus einem Zuschuss des Zentrums für polnische Bildhauerei in Orońsko stammen, der Rest aus einer öffentlichen Sammlung.

Dem Sozialausschuss, der das Denkmal errichten will, gehören unter anderem Historiker aus Allenstein und Aktivisten der Kommunalverwaltung an. Über die Preußische Huldigung und Fürst Albrecht – den letzten Hochmeister des Deutschen Ordens – sprechen wir mit Prof. Sławomir Augusiewicz, Historiker am Institut für Geschichte der Universität Ermland-Masuren.

Computersimulation des geplanten Denkmals in AllensteinFoto: entnommen von www.radioolsztyn.pl
Computersimulation des geplanten Denkmals in Allenstein
Foto: entnommen von www.radioolsztyn.pl

Herr Professor, die Preußische Huldigung, was war dieses Ereignis im Jahr 1525? Und was ist es heute?

Heute ist es einer der nationalen Mythen, wonach Polen im 16. Jahrhundert einen Staat zurückdrängte, der seine Existenz bedrohte. Heute, um mehrere Jahrhunderte Geschichte reicher, können wir die Angelegenheit nicht so sehen. Der Deutsche Orden bedrohte damals keineswegs die Existenz der Rzeczpospolita, die aus zwei Staaten, Polen und Litauen, bestand. Der Deutsche Orden, der zuvor den Krieg mit Polen verloren und 1466 den 2. Frieden von Thorn mit Polen geschlossen hatte, ging aus diesem Krieg sehr geschwächt hervor. Er bedrohte die Existenz der Rzeczpospolita nicht und König Sigismund der Alte war sich dessen bewusst. Man schätzt, dass der Ordensstaat 100.000 Einwohner hatte. Die Polnische Krone hatte ein Vielfaches davon, vielleicht eine Million. Aufgrund dieses Friedens erhielt das Königreich Polen Pommerellen mit Danzig (als Königlich Preußen), das Culmer Land und die Michelau zurück, gewann das Ermland und das Weichseltal mit dem Weichselwerder und darin die preußischen Städte, darunter Marienburg und Elbing. Der Hochmeister und jeder seiner Nachfolger verpflichtete sich, dem polnischen König eine Lehnshuldigung zu leisten. Kraft des Friedens wurde der Hochmeister polnischer Senator und Mitglied des königlichen Rates, was das Recht einschloss, an der Wahl eines neuen Königs teilzunehmen. Der Hochmeister war außerdem verpflichtet, Polen bewaffneten Beistand zu leisten und war in außenpolitischen Fragen zugunsten des polnischen Königs eingeschränkt.

Fürst Albrecht von Hohenzollern leistete die Preußische Huldigung im Jahr 1525 in Krakau gegenüber dem polnischen König Sigismund dem Alten – seinem Onkel. Zur Erinnerung: Fürst Albrecht war der Urenkel von König Władysław Jagiełło. Die von ihm geleistete Huldigung war eine der zwölf Preußischen Huldigungen, die sich aus dem 2. Frieden von Thorn ergaben, also nichts Besonderes, sondern nur die Erfüllung der Lehnspflichten. Ihre Einzigartigkeit lag darin, dass Fürst Albrecht – ein gebildeter und religiöser Mann – die Ansichten Martin Luthers teilte und versuchte, die Situation in der Kirche zu heilen. Als er Luthers Lehren annahm, war noch nicht abzusehen, dass dies zu einer Spaltung der Kirche führen würde. Durch die Säkularisierung des Ordensstaates wollte er in Preußen eine Dynastie gründen, die das Land nach seinem Tod regieren sollte. Er brauchte einen starken Verbündeten, der seine Pläne unterstützen würde, und er fand einen – seinen Onkel, den polnischen König. Die Jagiellonen wiederum konkurrierten damals in Europa mit den Habsburgern um die Throne, und ein solcher Verbündeter war für sie von Vorteil. Sigismund der Alte sicherte durch die Preußische Huldigung meines Erachtens nicht die Interessen der Republik Polen-Litauen, denn die hatte er schon früher gewonnen, sondern die Interessen der jagiellonischen Dynastie. Denn zu dieser Zeit wurden in Europa nur die polnischen Könige in freier Wahl gewählt und der Staat war nicht ihr Eigentum. Er wurde unter ihre Verwaltung gestellt. Die Krone Polens ging also nicht auf die Nachfolger Sigismunds des Alten über. Von größerer Bedeutung für die Krone war die zweite Säkularisierung, über die wenig gesprochen wird. Im Jahr 1561 unterzeichnete Gothard Kettler, Hochmeister des Schwertbrüderordens, in Vilnius einen Vertrag mit Sigismund Augustus, dem König von Polen. Nach der Säkularisierung wurde er weltlicher Fürst eines Teils der damaligen Livlands, das heißt Lettland und Estland. Durch diesen Vertrag wurden die dem Fürsten Kettler unterstellten Ländereien in die Rzeczpospolita eingegliedert. Dadurch erhielt diese einen breiteren Zugang zur Ostsee. Dies führte später zu Konflikten mit Schweden und Russland.

Preußische Huldigung, Gemälde von Jan Matejko, 1882
Preußische Huldigung, Gemälde von Jan Matejko, 1882
Quelle: wikimedia.org

Weshalb blieb dann nur die Preußische Huldigung von 1525, die der Rzeczpospolita keine nennenswerten Vorteile brachte, im Gedächtnis der Polen, andere, wichtigere aber nicht?

Ihre Rolle wurde im 19. Jahrhundert während des Erwachens des polnischen Bewusstseins propagandistisch hervorgehoben und sogar überbewertet. Dies ist zu einem großen Teil das Verdienst von Sienkiewicz, der für seine antipreußische Haltung bekannt war, und von Jan Matejko. Das Allensteiner Denkmal soll seinem berühmten Gemälde nachempfunden werden. Später wurde diese Botschaft in der antideutschen Propaganda verwendet, besonders intensiv nach dem Zweiten Weltkrieg. Danach begann man, das Dritte Reich mit dem Deutschen Orden und dem Ordensstaat gleichzusetzen, bis hin zur propagandistischen Gleichsetzung von Grunwald 1410 = Berlin 1945. Dabei hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Bis 1871 gab es kein Deutschland, sondern nur einzelne, eher schwache Fürstentümer. Damals war für die Bewohner des Königreichs Polen ein Deutscher jeder Westeuropäer, der nicht Polnisch sprach, also auch Bürger der deutschen Fürstentümer sowie Franzosen und Niederländer.

Hat Fürst Albrecht von Hohenzollern aus dem jagiellonischen Königshaus – ein Senator der Republik beider Nationen – etwas zu den Errungenschaften Preußens und der Rzeczpospolita beigetragen?

Im Jahr 1544 gründete er in Königsberg eine Universität, die vom polnischen König die gleichen Rechte wie die Universität Krakau erhielt. Dort studierten auch junge Menschen aus Polen und Litauen. Die von ihm verabschiedete Kirchenreform empfahl, die kirchliche Liturgie in den Landessprachen zu feiern – in Preußen waren es Deutsch, Polnisch und Litauisch. Es gab keine Menschen, die die Kirchenbücher ins Polnische und Litauische übersetzen konnten. Der Fürst war daher bestrebt, eine Lehrerelite auszubilden, die diese Aufgabe übernehmen würde, und so unterstützte er das Studium von Polen und Litauern in Königsberg materiell. Königsberg wurde zu einem wichtigen Zentrum des polnischen Reformationsschrifttums. Albrecht holte viele Drucker und Verleger dorthin, darunter Jan Seklucjan und Hieronim Małecki. In seiner Zeit wurde in Königsberg eine große Anzahl von Bibeln, Kirchengesangsbüchern und Postillen in polnischer Sprache gedruckt. Er holte polnische Schriftsteller und Gelehrte ins Land, darunter Stanisław Murzynowski. Er war es, der die Regeln der polnischen Rechtschreibung entwickeln und als erster das Neue Testament ins Polnische übersetzen ließ. Der Fürst gründete auch die erste Gemeindeschule in Rastenburg. Er war ein Beschützer des Luthertums in Polen und Litauen. Er finanzierte zahlreiche Stipendien für protestantische Jugendliche an der Universität von Königsberg. Unter anderem vergab er auch ein großzügiges Stipendium (50 Silbermark) an Jan Kochanowski, einen polnischen Dichter, der immerhin katholisch war. Auch Familienangehörige des polnischen Dichters Mikołaj Rej studierten in Königsberg.

Matejko hat im Bewusstsein der Polen das Bild des Fürsten Albrecht verankert, der vor König Sigismund dem Alten kniet, als Besiegter und Gedemütigter. Diesem Bild soll das Denkmal nachempfunden werden.

Das Gemälde der Preußischen Huldigung ist eine malerische Überinterpretation. Im 16. Jahrhundert war es üblich, Lehnshuldigungen zu leisten. Auch andere Lehnsträger taten dies. Bis heute kniet man auch, um die Feierlichkeit des Augenblicks zu betonen, zum Beispiel in der Kirche oder um ein Banner zu küssen.

In den letzten Jahren hat die antideutsche Stimmung in Polen zugenommen. Abgesehen von den aktuellen politischen Erwägungen, ist sie historisch gerechtfertigt?

Die derzeitige antideutsche Stimmung ist durch den letzten Krieg und das Aufheizen von Ressentiments für kurzfristige politische Zwecke beeinflusst. Aber die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen folgt nicht dem Schema „1000 Jahre Nachbarschaft – 1000 Jahre Krieg“. Wir hatten zwei Könige, August II. und August III. aus der sächsischen Dynastie der Wettiner, die fast 70 Jahre lang in Polen regierten. Nach Meinung der Zeitgenossen müssen sie gut regiert haben, denn das patriotische Lager sah auch den Nachfolger von König Stanisław August als Wettiner an. Es ist also nicht so, dass der Deutsche der ewige Feind ist.

Das Interview führte Lech Kryszałowicz

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