Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ist Görings „Erlass“ noch in Kraft?

Vor einigen Wochen veröffentlichten Prof. Jan Barcz von der polnischen Botschafterkonferenz und Prof. Krzysztof Ruchniewicz, Direktor des Willi-Brandt-Zentrums in Breslau, ein Gutachten mit dem Titel „Die parteiinterne ,Reparationskampagne’ der PiS muss geprüft und abgerechnet werden“ (wir berichteten darüber in Ausgabe Nr. 1659). In weiteren Stellungnahmen wurde auf bestimmte historische Fragen eingegangen, darunter auch auf den sogenannten „Erlass“ von Göring.

Als der „Erlass“ im Februar 1940 in Kraft trat, wurde er zur Grundlage dafür, „die Tätigkeit der Organisationen der polnischen nationalen Minderheit (das war vor allem der Bund der Polen in Deutschland) zu verbieten und einen Kommissar zu ernennen, der diese Organisationen auflöste und ihr Vermögen (schätzungsweise 8 bis 9 Millionen Reichsmark) an das Reich übertrug. Nach dem Erlass verschärften sich die Repressionen gegen Angehörige der polnischen Minderheit, etwa 2.000 Menschen wurden verhaftet und in Konzentrationslager deportiert; die Zahl der Ermordeten ist bis heute unbekannt.“

Eindeutige Gesetzgebung

In rechten Kreisen wird behauptet, dass der „Erlass“ immer noch in Kraft sei und das geraubte Eigentum nun vom deutschen Staat zurückgegeben werden müsse. Dies ist jedoch nach Ansicht von Wissenschaftlern nicht der Fall. „Nach der Machtübernahme durch die Erklärung vom 5. Juni 1945 erließen die alliierten Mächte das Gesetz Nr. 1, mit dem die Gesetze, auf denen das NS-Regime beruhte, aufgehoben wurden. (…) Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 wurde eine ähnliche Klausel in Artikel 123 Absatz 1 des Grundgesetzes der BRD aufgenommen, was durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt wurde“, schreibt Prof. Barcz.

Eine Werbung der Vorkriegs-Arbeiterbank ist in Bochum erhalten geblieben. Foto: Maschinenjunge/Wikimedia Commons

Rückgabe von Eigentum

Auch die Forderung nach Rückgabe des durch den „Erlass“ beschlagnahmten Vermögens ist heute nicht mehr umsetzbar, allein schon wegen der „Grenzverschiebung (die vier größten Amtsbezirke des Bundes der Polen in Deutschland fanden sich nach 1945 innerhalb der polnischen Grenzen wieder und das von den Nazis beschlagnahmte Vermögen des BdP wurde von Polen als ,ehemals deutsches Eigentum’ übernommen)“. Und in den folgenden Jahrzehnten erhielt der BdP durch gerichtliche Vergleiche rund 700.000 DM. Auch Prof. Barcz betont: „Es ist symptomatisch, dass während der Debatten in Deutschland in den 1980er Jahren über Leistungen für die ,vergessenen’ Opfer der NS-Verbrechen keine Stimmen polnischer Organisationen, darunter auch die des BdP, hörbar waren“.

„Eine Fortsetzung der ,Wiedergutmachungskampagne‘ wird keinen positiven Effekt haben“

Hinzu kommt, dass der Bund der Polen in Deutschland auch nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 keinen Antrag auf Rückgabe von Eigentum in der ehemaligen DDR gestellt hat. „Eine Fortsetzung der ,Wiedergutmachungskampagne‘ wird daher keinen positiven Effekt haben“, so Prof. Jan Barcz abschließend.

Rudolf Urban

 

 

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