Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Roter Sheriff“ mit schlesischer Oma

Am Donnerstag vergangener Woche (19.01.) wurde der SPD-Politiker Boris Pistorius zum neuen Bundesverteidigungsminister ernannt. Er übernahm das Amt von seiner Parteikollegin Christine Lambrecht, die nach mehreren unglücklichen Auftritten, die ihr viel öffentliche Kritik einbrachten, zurückgetreten war. Der Neue auf der Bonner Hardthöhe beziehungsweise im Berliner Bendlerblock gilt als „harter Hund“ – und hat familiäre Wurzeln in Schlesien.

Nach der Ernennung durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der anschließenden Vereidigung vor dem Deutschen Bundestag war es amtlich: Boris Pistorius ist neuer Bundesminister der Verteidigung. Es ist ein beachtlicher Karriereschritt für den gebürtigen Osnabrücker: In den vergangenen zehn Jahren war er Minister für Inneres und Sport des Bundeslandes Niedersachsen. Die Zeitung „Der Tagesspiegel“ bezeichnete den 62-Jährigen einst als „roten Sheriff“, als „Law-and-Order-Mann“, der bei Fragen der inneren Sicherheit oft eine harte Linie verfolge.

Sozialdemokrat mit militärischer Erfahrung

Nun liegt es an Pistorius, auch die äußere Sicherheit Deutschlands sowie seiner Verbündeten zu gewährleisten und die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ in der Verteidigungspolitik zu managen – eine Herkulesaufgabe angesichts des derzeitigen Zustands der Bundeswehr. Immerhin kennt Pistorius die Truppe – anders als seine Vorgängerin – nicht nur vom Hörensagen: Anfang der 1980er-Jahre leistete er nämlich seinen Grundwehrdienst beim Flugabwehrregiment 11 in der Steuben-Kaserne in Achim bei Bremen ab.

Die Präsidentin des Deutschen Bundestages, Bärbel Bas, hat dem neuen Bundesminister der Verteidigung, Boris Pistorius (SPD), den Amtseid abgenommen.
Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Trutschel / photothek

Ob ihm seine militärische Erfahrung bei der Erfüllung seiner neuen Aufgaben helfen wird, bleibt abzuwarten. In seinem ersten Statement als Verteidigungsminister betonte er aber schon mal, dass er sich der „herausragend großen Verantwortung“ des Amtes bewusst sei.

Ausgezeichnet mit dem Schlesierschild

Auch für die deutsche Minderheit in Polen ist Boris Pistorius eine interessante Personalie, liegen seine familiären Wurzeln doch zumindest teilweise in Schlesien: „Meine Großmutter stammt aus Breslau. Sie war es auch, die in vielen Gesprächen mein Interesse für unsere polnischen Nachbarn und das gemeinsame schlesische Kulturerbe geweckt hat. Eben auch – aber nicht nur – wegen dieser familiären Verbindung liegen mir die Belange der Schlesierinnen und Schlesier besonders am Herzen“, sagte Pistorius beim Deutschlandtreffen der Schlesier 2019 in Hannover – in dessen Rahmen er zudem mit dem Schlesierschild, der höchsten Auszeichnung der Landsmannschaft Schlesien, geehrt wurde.

Beim Deutschlandtreffen 2019 wurde Boris Pistorius vom Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft Schlesien, Stephan Rauhut, mit dem Schlesierschild ausgezeichnet.
Foto: Landsmannschaft Schlesien – Nieder- und Oberschlesien e. V.

Zur Bedeutung Schlesiens im vereinten Europa hob der Niedersachse bei derselben Gelegenheit hervor: „Schlesien verbindet die heute dort wohnende Bevölkerung mit den deutschen Heimatvertriebenen, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen mussten, sowie deren Nachfahren. Darüber hinaus setzen sich Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft für Schlesien und seine besondere Kultur ein. Durch Gespräche mit Verbänden, Politikern und den Menschen vor Ort wird bis heute ein wichtiger Beitrag zur Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen geleistet. Mittlerweile sind beide Länder Partner in einem vereinten Europa. Das ist ein großes Glück! Zugleich ist diese Partnerschaft jedoch auch mit einer enormen Verantwortung für die Zukunft verbunden.“

In Pistorius‘ neuer Funktion als Bundesverteidigungsminister wird er ebenjene Partnerschaft mit Polen – also mit einem der lautstärksten Kritiker der Bundesregierung im Hinblick auf deren bisherige Weigerung, der Ukraine schwere Kampfpanzer zu liefern – wohl des Öfteren einem Praxistest unterziehen.

Lucas Netter

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