Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Tänzer, Lehrer, Landrat

Osterode (Ostróda) im früheren Ostpreußen ist immer eine Reise wert. So war es jahrelang auch für Grzegorz Swoboda, einem jungen Tänzer der Gruppe „Tworkauer Eiche“ aus Tworkau (Tworków) in der Woiwodschaft Schlesien mit vielen Freunden in Ermland und Masuren. Heute ist er als Landrat des Kreises Ratibor erfolgreich. Wir haben mit ihm gesprochen.

 

Herr Swoboda, wann sind Sie das erste Mal nach Norden zur deutschen Minderheit in der Woiwodschaft Ermland-Masuren gefahren?

Ich denke, das erste Mal haben wir uns vor 25 Jahren in Osterode getroffen. Das Leben schreibt viele Drehbücher aus unseren Lebenszielen. Ich wurde Landrat von Ratibor und freue mich, dass ich dank der Zusammenarbeit vieler hervorragender Leute um mich herum viel Gutes für die Menschen tun kann. Ich denke, damals wie heute haben wir vieles gemeinsam.

Vor 23 Jahren suchte die junge Tanzgruppe „Saga“ in Bartenstein (Bartoszyce) einen Trainer für ein oder zwei Werkstätten. Sie, von der südlichen Grenze Polens, haben die Aufgabe übernommen. Wie sind Ihre Erinnerungen an diese Zeit?

Das war einer der hervorragendsten Zeiträume in meinem Leben. Mit dem Tanzen habe ich in Tworkau bei der dortigen Gruppe begonnen, später durfte ich mit der Tanzgruppe „Saga“ aus Bartenstein arbeiten, an die ich mich sehr positiv erinnere. Nach den zwei Werkstätten trafen wir uns immer wieder bei den Adventstreffen in Osterode. Etwa 16-mal habe ich an diesen Treffen teilgenommen, wo neben Gesang und Plätzchen auch Tänze zur guten Stimmung beitrugen. Das war eine großartige Zeit, von der mir das Beste geblieben ist: Erinnerungen und langjährige Freundschaften.

Und wie sind Ihre Erinnerungen an die Adventstreffen des Bundes Junges Ostpreußen?

Wir haben uns dort jedes Jahr gesehen, unsere Freunde getroffen, die dort ebenfalls teilnahmen, und gemeinsam viele Attraktionen vorbereitet: von Tanz über Singen und Plätzchen backen bis hin zur Gestaltung des Adventsabends am Samstag mit der Zubereitung der Feuerzangenbowle. Aber das Wichtigste war das Zusammensein einmal im Jahr, um zu hören, wie das Jahr bei allen verlaufen ist.

Grzegorz Swoboda, Landrat des Kreises Ratibor
Foto: Landratsamt Ratibor

Wie wurde aus Ihnen, dem Tänzer, engagierten Trainer und Lehrer, der Landrat Grzegorz Swoboda?

Nach dem Ende des Studiums habe ich meine Arbeit an einer Grundschule und damals einem Gymnasium begonnen und gleichzeitig mein Studium in Oppeln an der Fakultät für Recht und Verwaltung fortgesetzt. So fing das an, dass ich aufgefallen bin; ich habe einen Volleyballverein in Nendza (Nędza, Woiwodschaft Schlesien, Anm. d. Red.) gegründet, später wurde ich zum Ratsmitglied gewählt, dann zum stellvertretenden Gemeindevorsteher in Kreuzenort (Krzyżanowice, Anm. d. Red.) berufen, wo ich mich weiterhin gesellschaftlich engagiert habe …

… und dann kam noch der letzte Schritt in das aktuelle Amt …

Bei den folgenden Wahlen startete ich zum Kreistag und wurde Landrat des Kreises Ratibor. Gemeinsam mit meinen Stellvertretern und vielen fantastischen Menschen um mich herum bilden wir die lokale Selbstverwaltung. Wir haben hervorragende Kontakte mit den Gemeinden und verschiedenen Vertretern der Gemeinderäte – und gemeinsam haben wir das Potential des Kreises Ratibor aufgebaut. Ich bin stolz, dass wir als Kreis Ratibor von unabhängigen Fachleuten zweimal als bester Kreis in Polen ausgezeichnet wurden. Das spornt zu weiteren Aktivitäten an.

Der Kreis Ratibor hat die Verantwortung für viele historische Bauten. Was lässt sich damit anfangen?

Ein Spezifikum des Kreises Ratibor ist die hohe Anzahl historischer Gebäude. Eines der interessantesten ist die Burg der Piasten in der Stadt Ratibor. Derzeit läuft deren gigantischer Umbau zu einem modernen Kongress- und Konferenzzentrum mit einem Museum der Geschichte der Region Ratibor, für den wir viele Millionen Złoty Zuschuss bekommen haben.

Worauf legen Sie besonderen Wert in Ihrer Arbeit?

Wir setzen außerdem vor allem auf die Jugend. Zum Austausch oder zu Erasmus-Programmen schicken wir die jungen Menschen in die ganze Welt, wo wir nur Kontakte knüpfen können, damit sie Erfahrungen sammeln und Kultur und Sprache kennenlernen können. Darüber hinaus haben wir viele Partnerschaften, gerade in Deutschland: Landkreis Elbe-Elster, Landkreis Märkischer Kreis und die Stadt Rendsburg. Gemeinsam mit den Partnern schaffen wir Bedingungen für die Jugendlichen und deren Initiativen und Projekte, denn sie haben es verdient, dass wir in sie investieren, damit sie sich begegnen und Freundschaften knüpfen.

Hier gibt es eine große deutsche Minderheit, die Grenze zu Tschechien liegt ebenfalls vor der Haustür. Wie gehen Sie mit der deutschen Minderheit und der kulturellen Vielfalt um?

Wegen der geografischen Lage und der reichen Geschichte dürfen wir unsere Wurzeln nicht vergessen. Daher das Motto auf unserem Logo „Grüne Oase der Kulturen“. Wir zeichnen uns durch Multikulturalität aus und arbeiten mit allen Nationalitäten zusammen, besonders mit der deutschen Minderheit. Vor einiger Zeit haben wir auf der Burg ein Oktoberfest mit dem lokalen DFK organisiert, aber es gibt noch mehr Veranstaltungen. Hier liegt Lubowitz (Lubowice, Anm. d Red.), „Radio Mittendrin“ ist aktiv, es geht um Kultur, Sprache und Tradition. Das freut mich, denn um die Zukunft zu gestalten, müssen wir die Vergangenheit kennen, die uns verbindet.

Welche Rolle spielt dabei Europa für Sie?

Als Landrat setze ich auf Europa, ich setze auf Offenheit und setze auf Freunde aus Europa, denn wir haben hervorragende Kontakte mit unseren Partnern hier in Polen und im Ausland. Dabei ist die fehlende Sprachbarriere hilfreich, denn unsere Generation hat vom Kindergarten an Deutsch und Englisch gelernt. Wir können uns frei mit unseren Partnern verständigen; das öffnet uns für Europa, und gemeinsam können wir etwas Hervorragendes aufbauen.

Sie als Landrat haben viel um die Ohren, zumal im nächsten Jahr Wahlen anstehen. Bleibt da noch Zeit für ein Privatleben? Und wann können die Organisatoren der Adventstreffen Sie wieder in Osterode erwarten?

Der Charakter der Arbeit ist unlimitiert – als Landrat ist man auch Chef der Zivilverteidigung. Außerdem haben wir eine spezifische Kadenz: Corona, der Krieg, viele Ukrainer in unserem Landkreis, aber mit vereinten Kräften schaffen wir das. Die Entfernungen in Polen sind dagegen nicht so sehr ein Problem. Was die Familie angeht: Ich habe zwei wunderbare Kinder und eine großartige Frau, mit denen ich so viel Zeit wie möglich verbringen will. Da ist Planung sehr wichtig, denn als Landrat gibt es Termine, die sich nicht verschieben lassen, bei denen erwartet wird, dass man erscheint. Aber glauben Sie mir, wenn es mir meine Zeit erlauben sollte, werde ich mit offenem Herzen wieder an einem Adventstreffen in Osterode teilnehmen.

Das Interview führte Uwe Hahnkamp

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