Mit Dietmar Nietan, dem Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit, sprach Rudolf Urban unter anderem über den minderheitensprachen Deutschunterricht in Polen.
Im Februar 2022 wurde durch Verordnung des Bildungsministers Przemysław Czarnek der Deutschunterricht als Minderheitensprache an polnischen Schulen von drei Wochenstunden auf eine gekürzt. Was anfangs heftig diskutiert wurde, scheint heute in der großen Politik in Vergessenheit geraten zu sein.
Ja, in der Tat bin ich ein bisschen unglücklich, denn wir haben im vergangenen Jahr im Bundeshaushalt ab 2023 Mittel für die Förderung auch von Polnisch als Muttersprache in Deutschland bereitgestellt. Die Ministerialbürokratie ist aber noch nicht so weit gekommen, dass die Mittel auch wirklich fließen. Ich bin allerdings guter Dinge, dass wir in den nächsten ein bis zwei Wochen endlich das Ganze zum Laufen bringen, um zu zeigen, dass wir es auch in Deutschland gut finden, wenn die Kinder der vielen Menschen, die aus Polen kommen, ihre Muttersprache weiter pflegen können. Und genauso wünschen wir uns, dass die Menschen hier, die deutsche Minderheit, ihre Muttersprache weiter pflegen kann.
Sie haben in Ihrer Rede beim Sommerempfang des Deutschen Konsulates in Oppeln auch an sich selbst angeknüpft, dass Sie in Ihrer Heimat zur evangelischen Minderheit in einer katholischen Mehrheit gehörten. Welche Bedeutung haben heute noch nationale und ethnische Minderheiten? Es kommt einem manchmal so vor, als könnten heute in Deutschland die wenigsten mit dem Begriff etwas anfangen.
Ich finde es großartig, wenn es eine bunte Gesellschaft gibt, denn dann ist sie spannend. Und wenn es in bestimmten Ländern aufgrund der geschichtlichen Entwicklung auch nationale Minderheiten gibt, dann spielen sie immer eine positive Rolle in der Gesellschaft. Denn eine Minderheit ist darauf angewiesen, dass in der Gesellschaft Frieden und Toleranz herrschen. Eine Minderheit würde immer die erste Gruppe sein, die bei Unfrieden und Intoleranz unter die Räder gerät. Deshalb haben Minderheiten eine positive Funktion für die Zivilgesellschaften. Ich habe in meiner Rede gesagt, dass Minderheiten das Salz in der Suppe sind. Und stellen wir uns doch mal eine Suppe ohne Salz vor – wie schrecklich. Deshalb sind Minderheiten wichtig, sie sind eine Bereicherung in jedem Land, ungeachtet dessen, ob es eine deutsche, dänische oder ungarische Minderheit ist. Den Zustand der Toleranz in einer Gesellschaft sieht man immer daran, wie die Mehrheitsgesellschaft mit der Minderheitengesellschaft umgeht.
Im Herbst finden in Polen Parlamentswahlen statt und im Wahlkampf, der eigentlich schon begonnen hat, wird von der PiS Deutschland immer eindeutiger als Feind beschrieben. Wie gehen Sie damit um?
Das Schlimme ist, ich kann oft mit Ministern der PiS-Regierung unter vier Augen durchaus vernünftige Gespräche führen, aber ich merke, dass im öffentlichen Raum antideutsche Rhetorik als Mittel der Innenpolitik genutzt wird. Das ist schade, denn das vergiftet das Klima und erschwert die Gespräche, zum Beispiel auch über den muttersprachlichen Deutschunterricht in Polen und den Polnischunterricht in Deutschland.
Ich wünsche mir sehr, dass die Diskriminierung der deutschen Minderheit durch die massiven Kürzungen der Unterstützung des muttersprachlichen Unterrichts aufgehoben werden und ich versuche, gerade in meiner Arbeit zu zeigen, dass ich mich natürlich auch für die Polonia in Deutschland einsetze, damit ihre Angehörigen mehr muttersprachlichen Unterricht erhalten. Ich finde es aber ungerecht, wenn Fehler, die wir vielleicht auf deutscher Seite gemacht haben, der Vorwand für die polnische Regierung ist, die deutsche Minderheit zu diskriminieren. Man kann doch nicht eigene polnische Staatsbürger diskriminieren und ich hoffe sehr, dass wir spätestens nach dem Wahlkampf, egal wer die Parlamentswahlen in Polen gewinnt, endlich zu guten Lösungen kommen.
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