Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wie hast du’s mit den Nachbarn?

Seit mehr als 20 Jahren untersucht das Deutsch-Polnische Barometer regelmäßig die gegenseitige Wahrnehmung von Deutschen und Polen. Vor Kurzem wurden die Ergebnisse der diesjährigen Studie veröffentlicht. Im Zentrum steht dabei der jeweilige Blick auf den anhaltenden Krieg in der Ukraine.

Das Deutsch-Polnische Barometer ist ein gemeinsames Projekt des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych, ISP) in Warschau, des Deutschen Polen-Instituts (DPI), der Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit (Fundacja Współpracy Polsko-Niemieckiej). Die Autoren des diesjährigen Forschungsberichts unter dem Titel „Der deutsche und der polnische Blick auf die russische Aggression gegen die Ukraine“ sind der Präsident des ISP, Dr. Jacek Kucharczyk, und die Stellvertretende Direktorin des DPI, Dr. Agnieszka Łada-Konefał. Durchgeführt wurde die nach Geschlecht, Alter, Wohnort und Bildungsniveau repräsentative Meinungsumfrage, auf deren Grundlage der Bericht erstellt wurde, zwischen dem 16. und 26. Mai 2023 unter jeweils 1.000 Einwohnern in Deutschland und Polen im Alter von 18 bis 75 Jahren.

Zentrale Ergebnisse

Die Untersuchung bringt dabei einige interessante Ergebnisse zutage. So gibt es sowohl in Deutschland als auch in Polen eine überwiegende Zustimmung zu den von beiden Ländern ergriffenen Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine, wie der Aufnahme von Flüchtlingen, Waffenlieferungen, Wirtschaftssanktionen sowie dem Verzicht auf russisches Öl und Gas. Gegenwärtig liegen die Zustimmungswerte für diese Maßnahmen niedriger als im März 2022, aber höher als vor dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022. In Polen sind die Zustimmungswerte in allen genannten Fällen höher als in Deutschland.

Antworten auf die Frage: „Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine haben die deutsche und polnische Regierung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen. Bitte geben Sie an, ob Sie die folgenden Entscheidungen und Maßnahmen unterstützen oder nicht.“ Unterstützende Antworten von Deutschen und Polen im Mai 2023 (in Prozent).
Quelle: Deutsch-Polnisches Barometer 2023

Deutsche und Polen bewerten den Umfang der Unterstützungsmaßnahmen ihrer eigenen Regierung tendenziell ähnlich. Die größte Gruppe der Befragten in beiden Ländern ist der Ansicht, dass die Maßnahmen ausreichend seien. Jeweils ein Drittel empfindet die Unterstützung als zu umfangreich, während ein relativ kleiner Teil in beiden Ländern sie als unzureichend ansieht. Bemerkenswert auch: Die überwiegende Mehrheit der Polen wünscht sich, dass Deutschland die Hilfsleistungen für die Ukraine weiter erhöht. Im Gegensatz dazu erwartet nur jeder zehnte Pole, dass seine eigene Regierung dies auch tut.

Antworten auf die Frage: „Wie beurteilen Sie die bisherige Unterstützung der Regierung des Nachbarlandes für die Ukraine angesichts der russischen Aggression gegen das Land?“ Antworten von Polen und Deutschen im Mai 2023 (in Prozent).
Quelle: Deutsch-Polnisches Barometer 2023

Angst vor Russland

Wie die Autoren in ihrem Forschungsbericht schreiben, werde der Ruf nach Unterstützung für die Ukraine und nach Sanktionen gegen Russland stark von dem Grad der Bedrohung beeinflusst, die die Menschen in ihren eigenen Ländern durch Russland empfinden. In Polen gebe es seit jeher eine vergleichsweise hohe Anzahl besorgter Menschen in Bezug auf diese Bedrohung. In Deutschland sei das Gefühl einer möglichen militärischen Bedrohung aus dem Osten erst nach dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 deutlich angestiegen.

Antworten auf die Frage: „Haben Sie Angst, dass Russland in der Zukunft für Polen eine Bedrohung darstellen könnte?“ Antworten von Polen in den Jahren 2005 und 2008, im Februar und März 2022 und im Mai 2023 (in Prozent).
Quelle: Deutsch-Polnisches Barometer 2023

Eine deutliche Mehrheit der polnischen Bevölkerung betrachtet Russland weiterhin als Bedrohung im militärischen (74 Prozent), politischen (71 Prozent) und wirtschaftlichen (61 Prozent) Bereich. Auch in Deutschland gibt die Mehrzahl der Befragten an, dass Russland in allen drei genannten Bereichen eine potenzielle Bedrohung darstellt. Die Einschätzungen bezüglich der militärischen und wirtschaftlichen Bedrohung liegen hier gleichauf bei 60 Prozent, gefolgt von der politischen Bedrohung (54 Prozent).

Antworten auf die Frage: „Haben Sie Angst, dass Russland in der Zukunft für Deutschland eine Bedrohung darstellen könnte?“ Antworten von Deutschen im Jahr 2015, im Februar und März 2022 und im
Mai 2023 (in Prozent).
Quelle: Deutsch-Polnisches Barometer 2023

In beiden Ländern hat das Gefühl der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Bedrohung durch Russland im Vergleich zum März 2022 allerdings um einige Prozentpunkte abgenommen.

Antworten auf die Frage: „Haben Sie Angst, dass Russland in der Zukunft für Ihr Land eine militärische Bedrohung darstellen könnte?“ Positive Antworten von Polen und Deutschen in den Jahren 2005, 2008 und 2015, im Februar und März 2022 und im Mai 2023 (in Prozent).
Quelle: Deutsch-Polnisches Barometer 2023

Positive Einstellung zur Aufrüstung der Bundeswehr

Auf die allgemeine Frage nach Hoffnungen und Ängsten im Hinblick auf eine aufgerüstete deutsche Armee ist die Mehrheit der Polen (59 Prozent) davon überzeugt, dass eine gestärkte Bundeswehr auch die Sicherheit Polens und anderer Verbündeter erhöhen würde. Dieser Wert hat sich seit März 2022, kurz nach der russischen Invasion und der „Zeitenwende“-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz, nicht verändert. Dennoch fällt es den Polen schwer, einzuschätzen, ob die angekündigten Veränderungen in der deutschen Sicherheitspolitik tatsächlich einen Wendepunkt darstellen. Die größte Gruppe der polnischen Befragten (37 Prozent) betrachtet die Entwicklung als einen echten Wendepunkt in der deutschen Außen- und Verteidigungspolitik. Eine nur etwas kleinere Gruppe (31 Prozent) hält sie jedoch für eine emotionale und wenig nachhaltige Reaktion auf den Kriegsausbruch. Das dritte Drittel der polnischen Befragten (32 Prozent) hat keine Meinung zu diesem Thema.

Antworten auf die Frage: „Würde eine Verstärkung der Bundeswehr die polnische Sicherheit erhöhen?“ Antworten der Polen in den Jahren 2018 und 2021, im März 2022 und im Mai 2023 (in Prozent).
Quelle: Deutsch-Polnisches Barometer 2023

Im Allgemeinen hat ein beträchtlicher Anteil der befragten Polen und Deutschen Schwierigkeiten, die Aspekte der Politik des jeweils anderen Landes einzuschätzen. Der Anteil der Antworten „Ich weiß nicht/schwer zu sagen“ ist generell recht hoch. Bei den polnischen Befragten liegt er zwischen 22 und 33 Prozent, während er bei den deutschen Befragten zwischen 18 und 31 Prozent liegt.

Es gibt in Deutschland und Polen also immer noch viele Menschen, die sich nie oder nur selten mit ihrem jeweiligen Nachbarland beschäftigen.

ln

Das Deutsch-Polnische Barometer können Sie auf der Webseite des Deutschen Polen-Instituts einsehen und herunterladen. Der Forschungsbericht ist sowohl in deutscher als auch in polnischer Sprache verfügbar.

Titelfoto: Andreas Vogel/wikimedia.org (CC BY-SA 4.0)

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