Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Bedeutung ist messbar

Die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten organisierte das 7. FUEN-Forum der europäischen Minderheitenregionen dieses Mal in Zusammenarbeit mit dem Verband deutscher Gesellschaften in Polen. Austragungsort waren die Hauptstädte der beiden oberschlesischen Woiwodschaften. Diesjähriges Thema waren die Minderheitensprachen und ihre Bedeutung für die Arbeitswelt.

„Das Motto der Europäischen Union lautet ‚In Vielfalt vereint‘, doch trotz der vielen internationalen Dokumente und klaren Regelungen der EU-Verträge herrschen weiterhin signifikante Lücken im Bereich des Minderheitenschutzes in Europa. Kein Wunder, denn die Minderheitenpolitik liegt vollkommen in den Kompetenzen der Mitgliedsstaaten. So haben wir in Europa mit großen Unterschieden in der Umsetzung der Minderheitenpolitik in den einzelnen Ländern zu tun. Deshalb müssen wir versuchen zu zeigen, welche Vorteile die Minderheiten und ihre Sprachen mit sich bringen können. Diesmal in der Wirtschaft“, sagte FUEN-Vizepräsident Bernard Gaida zur Eröffnung des Forums der europäischen Minderheitenregionen

Auf die Bedeutung der Mehrsprachigkeit und die Förderung der Minderheitensprachen wies auch aus eigener Erfahrung Rafał Bartek, Vorsitzender des Oppelner Sejmik und des Verbandes deutscher Gesellschaften in Polen, hin. „Meine Töchter sprechen untereinander nicht nur in einer Sprache, sondern sowohl Polnisch als auch Deutsch. Das ist der große Unterschied zwischen lebendigen Minderheitensprachen und einer erlernten Fremdsprache, die nicht zur Alltagssprache wird“, sagte Bartek.

 

Prof. Bengt-Arne Wickström: „Es lohnt sich natürlich, Englisch zu können, aber höhere Prämien und Gehälter erhalten Menschen, wenn sie weitere Sprachen kennen.“

Der Fall Katalanisch
Und gleich der erste Vortrag von Prof. Antonio di Paolo von der Universität Barcelona sollte den Teilnehmern zeigen, welchen Stellenwert eine Minderheitensprache haben kann. Zunächst erklärte di Paolo den Weg der katalanischen Sprache aus dem Untergrund in der Franco-Zeit, als die Sprache unterdrückt wurde, bis heute, wo sie sich einer starken Förderung in allen Lebensbereichen erfreuen kann. Dabei bleibe das Katalanische weiterhin eine Minderheitensprache, denn die meisten Bewohner der Region sprechen spanisch. „Und doch spielen Katalanisch-Kenntnisse eine wichtige Rolle für Arbeitnehmer, denn sie garantieren ca. 18 Prozent mehr Gehalt gegenüber den Menschen, die diese Sprache nicht beherrschen“, unterstreicht Prof. di Paolo.

 

Polen
Dass es sich lohnt andere Sprachen zu lernen, davon ist der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Bengt-Arne Wickström von der Andrassy-Universität in Budapest überzeugt. Dabei meint er aber gar nicht das Englische. „Diese Sprache wird mittlerweile von so vielen Menschen gesprochen, dass sie als Mehrwert eines Arbeitnehmers keinen großen Wert mehr darstellt. Es lohnt sich natürlich, Englisch zu können, aber höhere Prämien und Gehälter bekommen Menschen, wenn sie weitere Sprachen, z. B. die des Nachbarlandes, kennen“, sagt Wickström und fügt hinzu, dass in Polen zum Beispiel weiterhin sichtbar ist, wie die Nachfrage nach Deutschkenntnissen steige.
Um also zukünftigen Arbeitnehmern einen guten Start ins Berufsleben zu bieten, müsste die Sprachenpolitik an den Schulen langfristig geplant werden. Dazu sollten auch die Minderheitensprachen hinzugezogen werden, denn sie erweitern das Spektrum der Sprachbildung in den jeweiligen Regionen.

 

Privat und öffentlich
In zwei weiteren Diskussionspanels sprachen die Teilnehmer dann über den Gebrauch der Minderheitensprachen im privaten und öffentlichen Sektor. Zunächst stellten Àngels Jerico Dindinger und Sergi Montalvà Furió die Lage im spanischen Valencia vor und betonten, dass das Katalanische im Grunde im privaten Sektor überall präsent sei. Und Maria de Lluc Muñoz stellte die „International Plataforma per la lengua vor“, eine Nichtregierungsorganisation, die sich dem Schutz der Rechte der Katalanisch sprechenden Menschen verschrieben hat.

Prof. Bengt-Arne Wickström
Foto: Rudolf Urban

David Nagy sprach im Weiteren über die Situation der Ungarn in der Slowakei und die Journalistin Bogna Koreng stellte die Möglichkeiten vor, die Sorben in der Lausitz haben, um ihre Sprache zu bewahren und aktiv zu nutzen.

Beim Panel zur Minderheitensprache im öffentlichen Raum sprachen neben Paul Bilbao Sarria vom Bildungszentrum für baskische Immersion und Prof. Vincent Climent aus Barcelona auch Onno Falkena, Journalist und Vorstandsmitglied der niederländischen Dachorganisation für Minderheitensprachen EBLT. Er konzentrierte sich dabei vor allem auf die friesische Sprache. „Im Jahr 2001 entstand der letzte friesischsprachige Film ‚Nyke‘. Seitdem erhalten solche Produktionen keine Förderung mehr aus Amsterdam. Was helfen würde, wäre ein eigener Filmfonds“, sagte Falkena und stellte zum Schluss seiner Präsentation fest: „Ich müsste fairerweise auch darauf hinweisen, was gegen den Gebrauch der friesischen Sprache sprechen könnte. Aber … ich habe keine Gründe gefunden.“

Und Jaan Siitonen, Geschäftsführer der Sprachbotschafter aus Finnland, zeigte seinen eigenen Weg hin zur schwedischen Sprache. „Als ich jung war, wollte ich gar nicht Schwedisch lernen. Erst später beim Militär habe ich gesehen, wie wichtig Schwedisch in Finnland ist. Nach und nach sah ich die Vorteile, dass man in Finnland zum Beispiel auch auf Schwedisch studieren kann, sodass ich letztendlich auch diesen Weg gewählt habe“, sagte Siitonen.

 

Herausforderungen für die Minderheiten
Das letzte Panel des ersten Konferenztages beschäftigte sich mit den Herausforderungen für die Minderheitenorganisationen und war mit Referenten aus Irland, Italien, Griechenland und Polen besetzt. Noch bevor die Diskussion startete, machte der Moderator der Runde, der Ideenhistoriker und Kulturwissenschaftler Nils Erik Forsgård „human availability“ (menschliche Verfügbarkeit im demografischen Sinne) und „competition“ (Wettbewerb um die Aufmerksamkeit seitens der Politik) als zwei zentrale Herausforderungen für die Minderheiten aus.

Im Laufe des Austauschs berichteten Sabrina Rasom, Direktorin des Ladinischen Hochschulinstituts im Trentino, Eugenia Natsolidou, Gründerin der mazedonischen Bildungs- und Kulturbewegung in Griechenland, sowie Ultan Ó Fátharta von der Regionalbehörde „Údarás na Gaeltachta“, die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung der Gaeltacht zuständig ist, über die spezifische Situation der Angehörigen „ihrer“ jeweiligen Minderheit.

Mit von der Partie war auch der FUEN-Vizepräsident Bernard Gaida, der die Lage der deutschen Minderheit in Polen darstellte. Im Rahmen seiner Ausführungen ging er auf das Positionspapier „Der Weg zur sicheren Zukunft der deutschen Sprache“ ein, das im Oktober 2021 vom Vorstand des Verbandes deutscher Gesellschaften (VdG) verabschiedet wurde. Darin formuliert die deutsche Minderheit ihre Erwartungen an die polnische Regierung, was die Umsetzung der vom Europarat gezeichneten Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen angeht.

Gaida ermutigte die anderen Minderheiten, ähnliche Stellungnahmen zu verfassen, um den Europarat zum Handeln zu bewegen. „Wenn der Europarat aus mehreren europäischen Ländern entsprechende Dokumente erhielte, würde er sein Monitoring und in der Folge seine Aktivitäten intensivieren – und im besten Fall auch Best-Practice-Schulungen für die Politiker und Staatsbeamten der Länder anbieten, um ihnen zu erklären, wie die Stellungen der Regional- oder Minderheitensprachen, zum Beispiel im Bildungsbereich, verbessert werden können“, so Gaida.

Rudolf Urban
Lucas Netter

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