Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Brotze

„Johann Christoph Brotze (* 12. September 1742 in Görlitz; † 16. August 1823 in Riga) absolvierte das Gymnasium in Görlitz und studierte dann Theologie und Philosophie an den Universitäten von Leipzig und Wittenberg. Er ließ sich auch als Zeichner ausbilden. 1768 ging er nach Riga und verbrachte 46 Jahre als Lehrer und Konrektor zunächst am dortigen Kaiserlichen Lyzeum, ab 1804 als Oberlehrer am Gouvernements-Gymnasium. Während dieser Zeit sammelte er Quellen, Aufzeichnungen und Nachrichten zur Geschichte Rigas, Livlands, Kurlands und Estlands. Sein Werk ist heute eine wertvolle Quelle für Historiker.“

Ungefähr so viel Informationen finden wir im Internet über Brotze, der die zentrale Person zweier Veranstaltungen in Riga war, die mit dem 200 Jahrestag seines Todes verbunden waren: Das „Europäische Friedenskonzert“ als Teil der traditionellen Liederfeste der deutschen Minderheit im Baltikum und das Kolloquium „Künstler bauen Brücken“, das in Kooperation der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) mit dem Verband der Deutschen in Lettland organsiert wurde.

Die enzyklopädischen Informationen über Brotze beinhalten nicht das, was uns an seiner Person besonders inspiriert hat: mit dem unermüdlichen Werk, das heißt mit Hunderten von Zeichnungen und Beschreibungen hat er seine Epoche so wahrhaftig und systematisch dokumentiert, dass es ohne ihn unmöglich ist, die lettische Geschichte und Identität zu verstehen. Auf dieser Weise ist der Schlesier aus Görlitz als einer der Väter der kulturellen Grundlage des unabhängigen Lettland zu bezeichnen.

Und diese Verflechtung der Deutschen mit dem kulturellen Leben anderer Völker am Beispiel des Baltikums war der Kern der wissenschaftlichen Vorträge, die sich mit der Literatur, Musik, Kunst und Architektur beschäftigt haben. Auf dieser Grundlage war mir wichtig zu zeigen, dass die deutschen Gemeinschaften in allen Ländern diese kulturelle Brücken gebaut haben und gegenwärtig bauen.

Schließlich hat der deutschstämmige Oskar Kolberg die polnischen Volkslieder gesammelt und Joseph Elsner ist nicht nur als Lehrer Chopins bekannt, sondern auch als eine der ersten Persönlichkeiten des polnischen Theaters und der Oper in Lemberg und Warschau. Herta Müller aus Rumänien ist Nobelpreisträgerin und einer der wichtigsten gegenwärtigen Schriftsteller Kroatiens ist Ludwig Bauer, Mitglied der dortigen deutschen Minderheit. Die Brücken der Kunst sind nicht nur in der Geschichte zu finden. Sie werden auch heute gebaut, nur brauchen sie immer zwei befestigte Ufer, um stabil zu sein.

Bernard Gaida

Titelfoto: Blick auf Riga (Foto: Barnos/wikimedia.org)

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