Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Ein Leben für die Minderheit

Irgendwo in einem Haus in Groß Stein (Kamień Śląski), einem kleinen Dorf, etwa 25 Kilometer von der Stadtgrenze Oppelns entfernt, wird diese Woche eine Geburtstagstorte angeschnitten und vermutlich auch das ein oder andere Lied gesungen. Jan Lenort wird am heutigen 22. September nämlich 90 Jahre alt. Aber Jan Lenort ist nicht irgendein Einwohner von Groß Stein. Jan Lenort ist für die deutsche Minderheit in Schlesien eine wichtige Figur. Er ist ein lebendiges Geschichtsbuch der deutschen Minderheit in Schlesien und aktiv an ihrer Entwicklung beteiligt gewesen.

Über einen Zeitraum von ganzen 17 Jahren hat Jan Lenort als Schriftführer akribisch festgehalten, was bei sämtlichen bedeutenden Versammlungen und Diskussionen der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien (SKGD) besprochen wurde.

In dieser langen Zeitspanne war er bei fast allen Treffen dabei und hat aktiv an wichtigen Entscheidungen und Dialogen innerhalb der Organisation der deutschen Minderheit teilgenommen. Jan Lenort war als Schriftführer der SKGD ein unentbehrliches Rückgrat für die deutsche Gemeinschaft in Schlesien. Manche nennen ihn sogar die graue Eminenz der deutschen Minderheit. Neben seiner Tätigkeit als Schriftführer engagierte er sich tatkräftig bei der Gründung der Stiftung für die Entwicklung Schlesiens, der Deutschen Bildungsgesellschaft, der Wohltätigkeitsgesellschaft der Deutschen und war eine Zeit lang auch Vorstandsvorsitzender der Mediengesellschaft Pro Futura, die bis zur Auflösung Herausgeber der Fernsehsendung „Schlesien Journal“ und einiger Radiosendungen gewesen ist.

Bereits von Anfang an dabei

Jan Lenort zählte praktisch von den ersten Tagen an zu den engagierten Mitwirkenden der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien. Bereits im Jahr 1988, zwei Jahre vor der offiziellen Gründung und Anerkennung der Gesellschaft, brachte er sich aktiv ein.

Am 7. April 1990 organisierte Jan Lenort die erste offizielle und rechtlich anerkannte Wahlversammlung dieser frisch gegründeten und von dem Oppelner Gericht zugelassenen Gesellschaft. Bei dieser denkwürdigen Veranstaltung wurde er von den anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern zum Schriftführer der Gesellschaft gewählt – eine Position, die er unglaubliche 17 Jahre lang ausübte.

Jan Lenort (links) bei seiner Arbeit als Schriftführer
Foto: Schlesien Journal / Screenshot

Diese Aufgabe war alles andere als leicht. Das Amt des Schriftführers war ehrenamtlich und Jan Lenort musste während dieser Zeit seine normale berufliche Tätigkeit ausüben. Bis zur seiner Pensionierung arbeitete er tagsüber, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und widmete sich nach Feierabend und an Wochenenden der Unterstützung der deutschen Minderheit. Dabei erfuhr er stets die volle Unterstützung seiner Frau. Erst im April 2007 legte er diese Funktion nieder.

Treffen mit dem Bundeskanzler

Ein wahrer Höhepunkt im Leben von Jan Lenort war zweifellos ein Treffen mit Vertretern deutscher Parteien und dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl. Als Vorstandsmitglied des Verbandes deutscher Gesellschaften — denn auch dort war er aktiv — nahm Jan Lenort 1998 an einer Reise nach Deutschland teil, bei der er neben Kohl auch weitere Kabinettsmitglieder sowie Vertreter anderer Parteien getroffen hat. Noch immer bewahrt Lenort zu Hause Andenken an dieses Treffen.

Jan Lenort nach seiner Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz
Foto: Schlesien Journal/Screenshot

Anhaltendes Engagement nach seiner Amtszeit als Schriftführer

Selbst nachdem Jan Lenort im Jahr 2007 sein Amt als Schriftführer niedergelegt hatte, setzte er sein Engagement für die deutsche Minderheit in Schlesien unbeirrt fort. Er spielte eine maßgebliche Rolle bei der Gründung einer Jugendgruppe in seiner Gemeinde Gogolin und half später zahlreichen Bewohnern seines Dorfes dabei, Anträge in deutscher Sprache zu stellen oder Dokumente zu übersetzen – und das alles ohne Gegenleistung. In einem Interview mit dem „Schlesien Journal“ 2013 erklärte er, dass er einfach nur den Leuten helfen wolle.

Jan Lenort ist bis heute lokal aktiv.
Foto: gogolin.pl

Bis heute bleibt Jan Lenort aktives Mitglied der deutschen Minderheit in Groß Stein und der gesamten Gemeinde Gogolin.

Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz

Vor vier Jahren, am 11. September 2019, wurde Jan Lenort zusammen mit Richard Urban für seine herausragende Arbeit, sein beispielloses Engagement und seine unermüdliche Arbeit und für die Stärkung der Rechte der deutschen Minderheit in Polen mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet, der höchsten Ehrung der Bundesrepublik Deutschland. Die Auszeichnung wurde damals im Deutschen Konsulat in Breslau von Generalkonsul Hans Jörg Neumann überreicht. Er würdigte Jan Lenorts Verdienste „seit der ersten Stunde“. Jan Lenort und seine Mitstreiter trugen maßgeblich dazu bei, dass die deutsche Minderheit in Schlesien ihre Rechte erhielt und die deutsche Sprache weiterhin gepflegt wurde.

Jan Lenort (links) und Henryk Kroll
Foto: Rudolf Urban

Bei der Verleihung vor vier Jahren äußerte sich Jan Lenort bescheiden: „Diese Auszeichnung gilt meiner langjährigen Arbeit für die deutsche Minderheit“, sagte er. „Doch ich teile sie auch mit all den Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Sie ist eine Anerkennung für unsere gesamte Organisation.“

Wir wünschen zum 90. Geburtstag alles Gute und sagen danke für alles!

Andreas Schneider

Show More