Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Mit dem Rosenkranz gegen die „deutsche Investition“

Angefangen hat es im Januar dieses Jahres mit zwei Petitionen beim Gemeindeamt in Dietrichswalde (Gietrzwałd) bei Allenstein (Olsztyn). Es geht um ein Vertriebszentrum des deutschen Discounter-Konzerns Lidl mit einer Fläche von 40 Hektar und einer Halle von 80.000 Quadratmetern, das an der Kreisstraße zwischen Dietrichswalde und Leyßen (Łajsy) entstehen soll. Eine Petition war für den Bau, die andere dagegen. Aus diesem Konflikt entwickelte sich eine bewusst geschürte Auseinandersetzung, die zu einer nationalen Frage erhoben wurde.

Die Gemeinde Dietrichswalde und die in der unterstützenden Petition versammelte deutliche Mehrheit ihrer Einwohner erhofft sich durch die Investition Arbeitsplätze für 250 Personen sowie Einnahmen von drei Millionen Złoty in diesem und jeweils etwa zwei Millionen Złoty in den Folgejahren. Die Gegner befürchten die Zerstörung der Landschaft und erhöhten Lastwagenverkehr; darüber hinaus würde, so ihre Aussage, auf der Fläche eine Mülldeponie entstehen.

Von Bäumen und Müll

Dass eine Halle mit 80.000 Quadratmetern in der Landschaft nicht gerade schön aussieht, ist unbestritten. Jedoch liegen auf derselben Seite der an Dietrichswalde vorbeiführenden Bundesstraße Allenstein-Osterode (Olsztyn-Ostróda) zwei Tankstellen und weitere kleinere Gewerbegebäude deutlich sichtbar und weit verstreut. Die Bundesstraße ist zudem stark befahren, sodass die zusätzlichen Lastwagen nicht ins Gewicht fallen sollten, argumentieren die Befürworter. Ergänzend dazu informierten das Gemeindeamt und die Firma Lidl, dass auf der Fläche der Abfall aus den Filialen lediglich für den weiteren Transport gesammelt, also nicht dort verbleiben werde.

Lageplan des Vertriebszentrums bei Dietrichswalde
Foto: Webseite der Gemeinde Dietrichswalde

Eine weitere Befürchtung betrifft mehrere Dutzend Bäume entlang der Kreisstraße, die bei deren Erweiterung bis zum Vertriebszentrum beschädigt oder gefällt werden könnten. Diese kurze Allee ist im Register des Denkmalpflegamtes der Woiwodschaft registriert. Doch auch hierfür ließe sich eine einvernehmliche Lösung unter Mitwirkung aller Beteiligten finden.

Abwahl des Gemeindevorstehers

Es gibt also berechtigte Kritik an dem Vorhaben; eine konstruktive Lösung der sachlichen Fragen scheint aber nicht das Ziel der Gegner des Vertriebszentrums zu sein. Die Mehrheit der Gemeinde äußerte sich positiv, also versuchten die Gegner über ein Referendum die Abwahl des Gemeindevorstehers Jan Kasprowicz zu erreichen, wofür sie vom 14. Februar bis Mitte April die Unterschriften von zehn Prozent der Wahlberechtigten bekommen mussten, die nötig sind, damit ein Referendum abgehalten wird.

Plakat der Gegner des Vertriebszentrums
Foto: Agnieszka Chmielewska/Radio Olsztyn

Ende April entschied das Landeswahlbüro in Allenstein nach eingehender Prüfung, dass die für ein Referendum erforderliche Stimmenzahl nicht erreicht wurde. Das „Komitee zur Verteidigung von Dietrichswalde“ mit Jacek Wiącek an der Spitze machte dann Anfang Mai anders mobil.

Demonstrationen mit Rosenkranz und Xenophobie

Er hatte Gläubige aus ganz Polen zu einem Wallfahrtsprotest gegen die Investition aufgerufen. Etwa 100 Teilnehmer übergaben im Gemeindeamt eine Petition zur „Verteidigung des Throns der Gottesmutter in Dietrichswalde“ – ein Ort wie dieser käme für eine solche Investition, die über ganz Dietrichswalde thronen würde, nicht infrage. Ihre Aussage „Wir sind die Kirche und erlauben nicht, aus Dietrichswalde eine Müllhalde zu machen“ (Zitat: Radio Olsztyn) trug mit Sicherheit nicht zu einer Deeskalation der Situation bei.

Wie Gemeindevorsteher Jan Kasprowicz anmerkte, könne von „thronen“ keine Rede sein; das Vertriebszentrum liege auf der anderen Seite der Hauptstraße hinter einem Wäldchen und einem Hügel und sei nach dem vorliegenden Lageplan vom Ort aus nicht einmal zu sehen.

Mit den Argumenten der Kirche, des Rosenkranzes und des einzigen anerkannten Erscheinungsortes der Gottesmutter Maria im Rücken kam es Anfang Juni zu einer weiteren Demonstration mit 300 bis 400 Personen, von denen nur ein sehr geringer Teil aus Dietrichswalde und Umgebung kam (Quelle: Gazeta Olsztyńska). Protestrufe richteten sich auch gegen den Vorstand des Sanktuariums in Dietrichswalde, der sich von der Manifestation distanziert hatte. Es fielen aber auch nationalistische und fremdenfeindliche Parolen gegen die „deutsche Investition“.

Demonstration im Namen des Rosenkranzes und der polnischen Nation
Foto: Agnieszka Chmielewska/Radio Olsztyn

Planungssicherheit?

In einem weiteren eskalierenden Schritt wandten sich die Gegner einen Monat später an den ermländisch-masurischen Woiwoden Artur Chojecki, der in der Folge die Erlaubnis des Landrats des Kreises Allenstein, Andrzej Abako, für den Bau des Vertriebszentrums aufhob – wogegen dieser Einspruch einlegte, die Erlaubnis aber dennoch neu prüfen ließ.

Das Verwaltungsgericht der Woiwodschaft hat Mitte September wiederum die Entscheidung des Woiwoden aufgehoben, der daraufhin ankündigte, er werde die Gültigkeit der Bauerlaubnis prüfen lassen. Gleichzeitig verlangte das „Komitee zur Verteidigung von Dietrichswalde“ bei einer Demonstration in Allenstein im August die Aufhebung des Umweltgutachtens und vom Landwirtschaftsministerium sogar die Aufhebung der Umwidmung der Landnutzung für den Grund unter der Investition.

Demonstration auf der Piłsudski-Allee in Allenstein
Foto: Agnieszka Chmielewska/Radio Olsztyn

Wie diese vorgeschlagenen Eingriffe in planungsrechtlichen Verfahren funktionieren sollen, sei dahingestellt. Zwar können die Investoren nach dem Urteil des Gerichts erst einmal aufatmen, und nach den Wahlen zum Sejm sieht es danach aus, als ob die Woiwodschaft Ermland-Masuren einen neuen Woiwoden bekommen wird. Der Streit jedoch ist noch nicht zu Ende.

Uwe Hahnkamp

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