Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Neue Öffnung?

In der vergangenen Woche fand die erste Sitzung der Gemeinsamen Kommission der Regierung und der nationalen und ethnischen Minderheiten in der neuen Legislaturperiode statt. Es war eine Gelegenheit, neue Mitglieder der Kommission von Seiten der Regierung zu ernennen und die erste Sitzung, an der wieder Vertreter der deutschen Minderheit teilnahmen.

Auf der Sitzung wurde den Bildungsfragen viel Raum gewidmet. Im Bild links die stellvertretende Bildungsministerin Katarzyna Lubnauer. Foto: Innenministerium

Für die Vertreter der deutschen Minderheit war es nach einer zweijährigen Pause die Rückkehr in die Kommission. Sowohl Rafał Bartek, Vorsitzender des Verbandes deutscher Gesellschaften in Polen, als auch sein Vorgänger in dieser Funktion, Bernard Gaida, hatten ihre Arbeit in diesem Gremium aus Protest gegen die bildungspolitische Diskriminierung der deutschen Minderheit ausgesetzt. „Es war kein gutes Gefühl, dass wir unsere Pflichten, zu denen wir uns verpflichtet hatten, nicht erfüllten. Aber die damalige Situation, d. h. die Reduzierung der Stundenzahl für Deutsch als Minderheitensprache in den Schulen, zwang uns zu einem solchen Protest. Jetzt bin ich froh, wieder in der Kommission zu sein“, sagt Bernard Gaida, und Rafal Bartek ergänzt: „Sowohl Innenminister Kierwiński als auch der für die Minderheiten zuständige Vizeminister Tomasz Szymański haben eine neue Offenheit und ihre Bereitschaft erklärt, die Probleme der verschiedenen Minderheiten zu lösen. Das gibt Anlass zu Optimismus.“

„Eröffnungsbilanz“

Co-Vorsitzender der Minderheitenseite, Grzegorz Kuprianowicz, Innenminister Marcin Kierwiński und Co-Vorsitzender der Regierungsseite, Tomasz Szymański kurz nach seiner Ernennung.
Foto: Innenministerium

Und Probleme gibt es viele, wie der Umfang der von der Minderheitenseite der Kommission erstellten „Eröffnungsbilanz“ beweist. Das rund 50 Seiten starke Dokument behandelt unter anderem Fragen des Minderheitenschulwesens (wie die inzwischen beendete Diskriminierung von Kindern, die Deutsch als Minderheitensprache lernen, die Reform des Minderheitenschulwesens sowie die Ablegung der Minderheitensprachenprüfung beim Abitur und die Ausbildung von Lehrern), das kulturelle Leben der nationalen Minderheiten und dessen Finanzierung, die Arbeitsweise der für Minderheiten zuständigen staatlichen Organe und die Novellierung des Gesetzes über nationale und ethnische Minderheiten und Regionalsprachen.

Ein eigenes Thema ist auch die politische Vertretung der Minderheiten im Sejm, nachdem nach den letzten Parlamentswahlen kein Vertreter der nationalen und ethnischen Minderheiten mehr auf den Bänken des Sejm sitzt. „Wir hatten den Eindruck des guten Willens auf Seiten der Regierung“, sagt Rafał Bartek. „Minister Szymański kündigte an, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich mit den Forderungen der ,Eröffnungsbilanz’ befassen soll. Wir warten nun auf eine schriftliche Antwort.“

Aktuelle Probleme

Die erste Sitzung der Gemeinsamen Kommission von Regierung und Minderheiten seit neun Monaten war jedoch nicht nur allgemeinen Fragen gewidmet. Die Minderheitenvertreter wiesen auch auf aktuelle Probleme hin, die in den letzten Jahren von der Regierungsseite offenbar vernachlässigt worden waren. „Ich habe zum Beispiel auf die Frage der zweisprachigen Beschilderung in vier Gemeinden hingewiesen, in denen das Verfahren längst abgeschlossen ist, die Aufstellung der Schilder aber aus politischen Gründen blockiert wurde. Dabei handelt es sich um zwei Gemeinden in der Woiwodschaft Schlesien und um ausgewählte Orte in den Gemeinden Groß Strehlitz und Zawadzki, je nach dem Ergebnis der öffentlichen Konsultationen. Ich habe gefordert, dass die zweisprachigen Schilder dort so schnell wie möglich aufgestellt werden“, sagt Rafał Bartek und fügt hinzu, dass er während des Treffens auch die rasche Einrichtung eines Bildungsteams innerhalb der Kommission gefordert hat. „Das wollen und brauchen auch andere Minderheiten, nicht nur die deutsche Minderheit, die bisher von der Vorgängerregierung diskriminiert wurde.“

Bernard Gaida: „Wir hatten den positiven Eindruck, dass der für Minderheiten zuständige stellvertretende Minister zuhören kann und seine Aufgaben ernst nimmt.”

Wie geht es weiter?

Beide Vertreter der deutschen Minderheit in der Gemeinsamen Kommission betonen, dass ihre Rückkehr in die Arbeit dieses Gremiums eine Art Vertrauensvorschuss ist, da die Rückkehr der deutschen Sprache in die Schulen erst am 1. September ansteht. Und Bernard Gaida erinnert daran, dass er sich ebenso wie der Bürgerrechtssprecher für die sofortige Rücknahme der diskriminierenden Verordnung eingesetzt hat: „Es ist jedoch wichtig, dass die Kommission getagt hat. Aber es ist bereits etwas mehr als vier Monate her, dass die neue Regierung gebildet wurde. Sie hätte schon früher einberufen werden können, um ein klares Signal an die Minderheiten zu senden.“

Nach neun Monaten kamen die Vertreter der minderheiten und der Regierun zu ihrer esten Sitzung zusammen.
Foto: MSWiA

Er fügt aber auch hinzu: „Wir hatten den positiven Eindruck, dass der für die Minderheiten zuständige Vizeminister zuhören kann und seine Aufgaben ernst nimmt. Ebenso positiv war für uns, dass er den Inhalt der doch recht umfangreichen ,Eröffnungsbilanz‘ offenbar bereits kannte. Er teilte uns mit, dass im Ministerium ein Team eingerichtet wurde, das sich mit allen Fragen der Minderheiten in Polen befassen wird.“

Positiv überrascht waren die Vertreter nationaler und ethnischer Minderheiten auch von der Ankündigung einer intensiveren Arbeit der Gemeinsamen Kommission, die bisher nur wenige Male im Jahr getagt hat. Nun sollen häufiger Arbeitssitzungen, auch in Online-Form, abgehalten werden, um Probleme laufend zu lösen oder zumindest zur Kenntnis zu nehmen. „Meine einzige Sorge“, so Gaida weiter, „ist, ob die nachgelagerte Beamtenschaft im Ministerium, die sich in den letzten Jahren an einen noch restriktiveren Umgang mit Minderheiten gewöhnt hat, diese angekündigte Politik des guten Willens und der Aktivität auch umsetzen kann.“

Rudolf Urban

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