Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Schließen oder nicht? (+Video)

Seit Anfang des Jahres fallen an den Börsen die Verkaufspreise von Getreide. Die Speicher sind voll, und die Ernte 2023 naht. Auch die Preise für einen in die Molkerei gelieferten Liter Milch fallen seit dem 1. Januar. Was sind die Gründe dafür?

Der Preis diverser in Polen angebauter Getreidearten war im letzten Jahr fast doppelt so hoch wie 2023. Beispielsweise betrug der Preis für Weizen im Juni 2022 ca. 1500 zł. Doch bereits im Dezember fielen die Preise, vor allem für Mais. Die Ursache: die Zufuhr von Getreide aus der Ukraine. „Schuld daran war der Krieg in der Ukraine und die Blockade des Hafens in Odessa. Polen wurde zum ‚Transitland‘ für die Ukraine. Jedoch ist ein Teil des ukrainischen Getreides auf unserem polnischen Markt geblieben und Mühlen und Futterlager kauften dieses billigere Getreide aus der Ukraine auf“, erklärt der Landwirt Sebastian Jarosz aus Ponientzütz vom Verband Schlesischer Bauern, Vorsitzender für den Kreis Ratibor.

Landwirt aus Ponientzütz bei Ratibor, Vorsitzender für den Kreis Ratibor beim Verband Schlesischer Bauern.
Foto: Manuela Leibig

Kapazität der Häfen
Für die Ukraine sind in der aktuellen Situation die Häfen der Nachbarländer der einzige Weg, ihr Getreide an andere Länder zu verkaufen. Die tatsächliche Kapazität der polnischen Häfen wird auf etwa 750 Tausend Tonnen pro Monat geschätzt. Dabei warten laut der polnischen Getreide- und Futterkammer noch mindestens 4 Millionen Tonnen Getreide in den Silos darauf, auf dem Meerweg von Polen aus exportiert zu werden (Stand Anfang Juni). Nach der Entscheidung der Europäischen Kommission werden die Getreideeinfuhren aus der Ukraine nach Polen noch bis mindestens 15. September dieses Jahres eingefroren bleiben. In den ersten 51 Wochen der Saison 2022/23 (bis zum 18. Juni dieses Jahres) beliefen sich die Weizeneinfuhren aus Nicht-EU-Ländern nach Polen auf rund 813.000 Tonnen und die Maiseinfuhren nach Polen auf 1.308.000 Tonnen, errechnete das Portal cenyrolnicze.pl. Des Weiteren beliefen sich in den ersten 51 Wochen der laufenden Saison die Rapseinfuhren nach Polen aus Ländern außerhalb der EU auf etwa 709.000 Tonnen.

Die Speicher sind voll, die Ernte naht. Wohin mit dem Getreide, wenn der Preis so niedrig ist?
Foto: Manuela Leibig

Teure Düngemittel
Und nicht nur das macht den Landwirten Sorgen. „Die Maschinen sind teurer geworden, ebenso Dienstleistungen, Kraft- und die Düngemittel. Die Landwirte, die sehr teure Düngemittel gekauft haben, wie Salpeter für ca. 5.000 zł pro Tonne, werden in einer miserablen Situation sein, wenn sie jetzt ihr Getreide für so wenig Geld verkaufen müssen, wie derzeit der Preis ist“, beurteilt der Landwirt Sebastian Jarosz. Da in wenigen Wochen die Ernte ansteht, versprach der Landwirtschaftsminister eine Zuschusszahlung für alle Landwirte, die ihr Getreide zwischen Dezember und April (für manche Getreidesorten bis Ende Juni) verkauft haben. Die dafür vorgesehene Summe beträgt über 10 Milliarden Złoty. Bei den Bauern hält sich die Begeisterung in Grenzen. „Die Ernte wird voraussichtlich in unserer Region Schlesien gut ausfallen, da wir ausreichend viel Regen zur entsprechenden Zeit bekommen haben. In Zentralpolen hingegen herrscht seit Wochen Dürre“, so Sebastian Jarosz.

Milchbranche ist anders
In einer anderen Situation sind die Milcherzeuger. Zwar fallen auch die Preise der von den Molkereien angekauften Milch, doch in diesem Fall ist die Schließung der polnisch-ukrainischen Grenze ein Nachteil für den Handel. „Viele wundern sich, warum wir Milcherzeuger kein Importverbot für Milchprodukte aus der Ukraine haben wollen. Die Antwort ist: das Verhältnis beträgt 1 zu 10. Also, aus der Ukraine importieren wir einen Käse und wir exportieren 10 Käse. Wenn es jetzt dazu führt, dass wir Importverbot haben, verlieren wir einen riesigen Absatzmarkt. Und das wollen wir nicht“, erklärt Martin Ziaja, Milcherzeuger aus Guttentag und zugleich Vorsitzender des Oppelner Rinderzuchtverbandes, Mitglied der Polnischen Föderation der Rinderzüchter, Mitglied des Verbandes Schlesischer Bauern sowie Mitglied des Gesamtausschusses der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft.

Milcherzeuger aus Guttentag Martin Ziaja, Mitglied des Verbandes Schlesischer Bauern, Vorsitzender des Oppelner Rinderzuchtverbandes.
Foto: Manuela Leibig

Export und Import
Deutschland ist mit über 30 Miliaren Liter Milch der führende Milchproduzent in Europa. An vierter Stelle platziert sich mit 12,5 Milliarden Litern Milch Polen. Der Selbstversorgungsgrad an Milchprodukten in Polen beträgt 123 Prozent. 2,5 Milliarden Liter Milch, bereits verarbeitet zu Käse, Butter und Co., müssen also exportiert werden. „Wenn wir das Tor schließen, kommen zwar keine Produkte mehr aus dem Ausland, aber wir verkaufen auch nicht unsere Produkte. 2,5 Milliarden Liter Milch müssen wir ins Ausland verkaufen. Dazu kommt noch der Import aus den Nachbarländern, der selbstverständlich ist, also insgesamt exportieren wir über 3 Milliarden Liter Milch. Und das ist sehr gefährlich und man muss sehr viel Fingerspitzengefühl haben, wie man jetzt verhandeln will“, gibt Martin Ziaja zu bedenken.

Foto: Manuela Leibig

Verzehr von Milchprodukten nimmt ab
Ein Teil der Milch wird zu Milchpulver verarbeitet und für bessere Zeiten aufgehoben, doch der Pulverisierungsprozess ist sehr teuer. Ein weiterer Faktor, der die Milchbranche schwächt, ist, dass sich die Essgewohnheiten der Menschen erneut verändert haben. Während der Pandemie, als viele Menschen zu Hause gearbeitet haben, griffen sie im Laufe des Tages gerne zu Milchprodukten, da Joghurt, Käse und Quark bereits verzehrfertig gekauft werden. „Das ist vielleicht lächerlich, was ich sage, aber wenn man das mit Millionen Menschen multipliziert, haben wir die Antwort. Ab dem Jahr 2023 haben wir in ganz Europa wieder einen Rückgang beim Verzehr von Milchprodukten zu verzeichnen. Und die Molkereien haben ein großes Problem: wo soll man mit der Ware hin?“, so Martin Ziaja.

Deutschland ist mit über 30 Miliaren Liter Milch der führende Milchproduzent in Europa. An vierter Stelle platziert sich mit 12,5 Milliarden Litern Milch Polen. Der Selbstversorgungsgrad an Milchprodukten in Polen beträgt 123 Prozent. 2,5 Milliarden Liter Milch, bereits verarbeitet zu Käse, Butter und Co., müssen also exportiert werden.
Foto: Manuela Leibig

Kleine Molkereien gehen pleite
Besonders hart trifft es die kleinen Molkereien, bei denen das Angebot eher sehr schmal ist: z. B. Quark, Butter und Sahne. In der Woiwodschaft Oppeln sind bereits die Molkereien in Neustadt und Leobschütz pleite gegangen. „Einen großen Teil ihrer Milch verkaufen sie anderen Molkereien als sogenannte Spottmilch. Die ist heute extrem billig. Diese Milch, gehandelt zwischen den Molkereien, erreicht heute ein totales Preisminimum. Und wenn die Molkerei 50 Prozent ihrer Milch so weiterverkauft, hat sie kein Geld mehr, um die milcherzeugenden Betriebe gut zu bezahlen“, erklärt Martin Ziaja.

Aufgeben
So geben immer mehr Milchproduzenten ihren Bauernhof auf, weil es sich nicht mehr lohnt. Und das betrifft nicht nur kleine Landwirte mit 10 oder 20 Kühen. „Die Situation wird in den neuen Bundesländern eintreten, also z. B. Brandenburg. Ich gehe jetzt über die Grenze, aber nur weil wir alle ein Markt sind. Da werden dieses Jahr Hunderte Betriebe aufgelöst. Betriebe mit mehreren hundert Kühen. Die haben schon die Entscheidung vor 3 Jahren getroffen. Aber dann kam eine andere Situation, in der die Milchpreise plötzlich gestiegen sind. Da haben die Bauern gesagt, ok, da machen wir noch weiter. Aber schon mit dem Gedanken, dass, wenn die Preise wieder fallen, wir dann aufgeben. Und das passiert auch so“, prognostiziert Martin Ziaja,

Die Stirn bieten?
„Die Molkereien gehören uns Bauern, wir sind da Teilhaber und wollen natürlich gute Preise für die Milch, die wir liefern, doch das geht nicht, weil die Supermarktketten die Preise für unsere Produkte diktieren“ erklärt Martin Ziaja.
Die großen Molkereien können sich zwar halten, doch um den Supermarktketten die Stirn zu bieten und beim Preis gut zu verhandeln, fehlt ihnen die Durchsetzungskraft. Die meisten Milchprodukte kosten im Handel das Doppelte dessen, was die Molkerei für den Verkauf an die Supermärkte erhält. „Ein Kilo Käse, das im Supermarkt für 30 zł angeboten wird, verkauft meine Molkerei für 14 zł, wobei unser Käse bereits in Scheiben geschnitten ist. Die Hälfte an unseren Erzeugnissen verdienen leider die Supermärkte“, bedauert Martin Ziaja und fährt fort: „Das fehlt hier, unser Zusammenhalt, daran sind wir Landwirte selbst schuld, dass wir als Molkereien zusammenhalten. Dass wir ein Verkaufssystem haben, bei dem wir sagen, diese Art Käse kriegt der Supermarkt in keiner anderen Molkerei günstiger, weil wir alle sagen, dass der Supermarkt so viel und nicht weniger bezahlen muss. Wenn wir so einen Zusammenhalt schaffen könnten, würden die Supermarktketten nicht einfach eine Molkerei nach der anderen zerlegen können“, so Martin Ziaja.

Manuela Leibig

 

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