Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Von der Spielfigur zur Kunst

Im früheren Trolleybus-Depot und heutigen Veranstaltungssaal des „Museums der Moderne“ des Städtischen Kulturzentrums in Allenstein (Olsztyn) eröffnete am 19. Januar die Ausstellung „Nie-Zabawki“ – also „Nicht-Spielzeuge“ – des Bildhauers, Schauspielers und Musikers Piotr Rogaliński. Der Künstler selbst führte die Gäste der Vernissage durch das Labyrinth seiner Werke. Die Skulpturen, Artefakte und Installationen zu verschiedenen Themen sind allesamt aus massivem Holz.

„Die Figuren in dieser Ausstellung sind grundsätzlich wie die Holzspielzeuge, mit denen unsere Eltern und Großeltern gespielt haben. Ich stelle sie nur in einen anderen Kontext“, so Piotr Rogaliński auf die Frage nach dem Titel der Ausstellung. In seiner Ausstellung sei es erlaubt, viele der Werke zu berühren und einzelne Figuren zu bewegen; das gäbe manchmal interessante neue, von ihm selbst nicht beabsichtigte Aspekte.

Piotr Rogaliński
Der Künstler Piotr Rogaliński (rechts) neben seinem Werk „Krankenhaus“ und dem Direktor des Museums der Moderne in Allenstein, Jacek Moczulski
Foto: Uwe Hahnkamp

Vom Gegenstand zu Zusammenhängen …

Im Saal finden sich einzelne Exponate wie Rasseln von Kindern, eine Windmühle, Masken für Karneval und Theater oder eine Kerze, die zusammen mit zwei Holzstücken, die einen Bienenstock bilden, daran erinnern soll, dass „die Bienen sich für uns zu Tode arbeiten“, wie es Piotr Rogaliński beim Anzünden drastisch formuliert. Angeschwemmtes Holz wird zu einer überfluteten Landschaft mit Häusern, auf einer einzelnen Baumscheibe treibt ein einsames Boot mit einer Figur, aber ohne Ruder oder Motor; mit Beschlägen, alten Schuhen und anderen ausrangierten Gegenständen entsteht ein großes Rad des Schicksals.

Allenstein 2024
In den Alleen bei Wengaithen (Węgajty)
Foto: Uwe Hahnkamp

„Früher haben Kinder mit solchen Spielfiguren die Welt der Eltern, der Erwachsenen nachgespielt; heute sind es meine Konstellationen“, erklärt der Künstler. Hier bemühen sich Menschen mit Ochsenwagen, ihr Feld zu bestellen oder – ein Bild aus den Mythen der polnischen Geschichte – einen großen Felsen nach Gnesen (Gniezno) zu bringen. Dort bildet ein dritter Wagen mit einem Sarg die Spitze eines Leichenzugs und viele „Menschen“ folgen ihm. Eine weitere lange Schlange bilden ebensolche Spielfiguren beim Anstehen für Wasser bei einem traditionellen Ziehbrunnen, in dem es aber kein Wasser gibt.

Piotr Rogaliński präsentiert seinen „Leichenzug“.
Foto: Uwe Hahnkamp
Allenstein 2024
Wenn das Wasser fehlt
Foto: Uwe Hahnkamp

… in die dritte Dimension

Die Dürre als Kontrast zum Hochwasser, blühende Rosen im Kontrast zu einer Dampfwalze, die sich ihren Weg durch sie hindurch bahnt, Werke zu Krieg, Zerstörung und Leid stehen Skulpturen zum Thema „Liebe“ gegenüber. Es ist die ganze Spannbreite des menschlichen Lebens, der Schwierigkeiten des Alltags, die Piotr Rogaliński vor dem Betrachter ausbreitet. Dabei muss sich dieser auch auf eine Verschiebung der Perspektive einlassen. Denn über den auf Tischen ausgestellten Figuren und Installationen gibt es noch die dritte Dimension: unter dem Dach der Halle schweben ein Schwarm Vögel und eine F-16, daneben ein Kinderdrachen, der – hier gleitet der Blick wieder zur Erde – mit einem Rollstuhl für Kinder verbunden ist.

Dampfwalze im Rosenbeet
Foto: Uwe Hahnkamp

In beiden Werken verarbeitet der Künstler persönliche Erfahrungen. Er wohnt bei Posen (Poznań) in der Nähe eines Flughafens, von dem aus Bomber starten. „Manchmal ist oben in der Luft sehr viel mehr los als bei uns unten im Dorf“, seufzt Piotr Rogaliński. „Und da kommt es eben zu solchen Begegnungen zwischen Tieren und Flugzeugen.“ Mit dem Drachen und dem Rollstuhl hat er ein Bild aus seiner Arbeit mit behinderten Kindern – er selbst wählt für sie lieber das Wort „unvollkommen“ – verewigt. Ein Kind sitzt im Rollstuhl am Strand im Sand, unbeweglich und verloren, über ihm steigen bunte Drachen in die sonnige Luft – ein traurig-schönes Bild.

Allenstein 2024
Düsenjäger gegen Vogelschwarm
Foto: Uwe Hahnkamp

Einflüsse persönlicher Erlebnisse

Zu den weniger angenehmen Erinnerungen gehört der Tod seines Vaters, der Piotr Rogaliński zum Schaffen seines komplexesten Werks angeregt hat: das Krankenhaus. Nach der Art eines Puppenhauses lässt er viele Figuren in mehreren Stockwerken bis hin zum Hubschrauber auf dem Dach das durchmachen, was sie nun einmal dort erwartet. „Auch hier dürfen Kinder – und gern auch Erwachsene – Hand anlegen, Figuren verschieben, dem Ganzen eine neue Bedeutung geben“, erlaubt der Künstler.

Allenstein 2024
Zwischen Rollstuhl und Drachen
Foto: Uwe Hahnkamp

Bei seinem heiteren Kreisverkehr mit dem Titel „Fahrzeuge“ hat er das schon erlebt. Er könnte auch „Geduld“ heißen, denn die Autos stauen sich dort, weil ein Metallsammler mit seinem Schubwagen unter genauer Beachtung der Verkehrsregeln die Kreuzung passiert. Genau diese Situation ist Piotr Rogaliński passiert, wie er bei der Führung humorvoll schildert. In dieses positive Werk haben Kinder dann einmal einige Panzer gesetzt, die sich gegenüberstanden, und daraus die beklemmende Vision eines Kriegszustands gemacht.

Allenstein 2024
Geduld – mit dem Leiterwagen im Kreisverkehr
Foto: Uwe Hahnkamp

Für Menschen, die sich mit dem warmen Material Holz, den Dingen, die ein Künstler daraus erschaffen kann, sowie den verschiedenen Deutungen seiner Installationen und Skulpturen auseinandersetzen wollen oder vorhaben, ein wenig mit den Figuren zu spielen, ist die Ausstellung im Museum der Moderne in Allenstein noch bis zum 3. März geöffnet.

Allenstein 2024
Interessierte Besucher der Ausstellung im früheren Trolleybus-Depot von Allenstein
Foto: Uwe Hahnkamp

Uwe Hahnkamp

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