Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wie viele Deutsche gibt es eigentlich in Polen?

Im März dieses Jahres veröffentlichte das Hauptamt für Statistik (GUS) nach monatelanger Erwartung die Daten der Volkszählung über die Zahl der Personen, die eine andere als die polnische Nationalität angegeben haben. Damals wurde berichtet, dass es 132.500 Deutsche in Polen gibt, was einen deutlichen Rückgang gegenüber der Volkszählung 2011 bedeutet hätte. Die neuesten Zahlen wurden jedoch nach oben korrigiert.

Ende September präsentierte das GUS die Nationalitätenstruktur in Polen nach Woiwodschaften und es stellte sich dabei heraus, dass es nicht lediglich 132.500 Deutsche in Polen gibt, sondern genau 144.177. Das sind zwar immer noch weniger als 2011, als die deutsche Nationalität, sei es als erste oder zweite, von 147.814 Bewohnern Polens angegeben wurde, aber der Rückgang ist nicht so dramatisch. „Bei der Volkszählung 2021 wurden Erklärungen zur deutschen Nationalität in allen Woiwodschaften erfasst, wenngleich die höchste Anzahl davon (ausgedrückt in der ersten oder zweiten Erklärung) nach wie vor in den beiden oberschlesischen Woiwodschaften zu finden ist: in der Woiwodschaft Oppeln – 59.911 Personen (41,6 %) und in der Woiwodschaft Schlesien – 27.923 Befragte (19,4 %). Bezeichnenderweise ist in diesen beiden Woiwodschaften bei der Volkszählung 2021 ein Rückgang der deutschen Nationalität zugunsten der schlesischen Nationalität zu verzeichnen“, so eine Analyse der Daten durch Dr. Magdalena Lemańczyk, Soziologin am Institut für politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften.

Volkstum, Brauchtum und Tradition – so wird die deutsche Minderheit meistens gesehen. Foto: Archiv

Mehr Deutsche außerhalb Oberschlesiens
Der negative Trend bei den Erklärungen zur deutschen Nationalität in den oberschlesischen Woiwodschaften ist dagegen in anderen Regionen nicht zu beobachten. „Bei der Volkszählung 2021 verzeichneten fast alle anderen Woiwodschaften einen Anstieg der Zahl der deutschen Erklärungen im Vergleich zur Basiserhebung 2002 bzw. zur Volkszählung 2011: Niederschlesien 8.978 (2.158 und 5.032), Pommern 7.055 (2.319 und 4.830), Großpolen 6.306 (1.013 und 3.421), Masowien 5.318 (574 und 2.937), Westpommern 5.222 (1.224 und 3.535) oder Ermland-Masuren 4.717 (4.535 und 4.843)“, so Dr. Lemańczyk.
Wie lassen sich diese Veränderungen in der Statistik erklären? Dr. Magdalena Lemańczyk ist in ihren Einschätzungen vorsichtig. „Der Rückgang der deutschen Erklärungen in den Woiwodschaften mit der landesweit höchsten Konzentration der deutschen Identifikation, d. h. Oppeln und Schlesien, aber auch Ermland-Masuren, hängt einerseits mit den demografischen Prozessen innerhalb der deutschen Minderheit zusammen (u. a. Aussterben der ältesten Generation, Migrationen nach Westeuropa und in andere polnische Woiwodschaften), andererseits mit einer der landesweit höchsten Entvölkerungsraten in der Woiwodschaft Oppeln und einem Rückgang der deutschen Erklärungen zugunsten der schlesischen in beiden schlesischen Woiwodschaften. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse aus der Woiwodschaft Oppeln keine Übersetzung der deutschen Identifikation unter der jüngeren Generation, die den schulischen Deutschunterricht als Minderheitensprache besuchte. Andererseits kann die Zunahme der deutschen Erklärungen in den anderen Woiwodschaften mit der Wirtschaftsmigration von Deutschen in die großen städtischen Zentren wie Warschau, Breslau, Posen und Danzig sowie mit interethnischen Ehen zusammenhängen. Im Falle der übrigen Woiwodschaften in den West- und Nordgebieten ist auch eine Rückwanderung von Personen mit deutscher Nationalität, die vor 1945 in diesem Gebiet geboren wurden, nicht ausgeschlossen.“

 

Deutsche Sprache en vogue
Anders als bei der Erklärung zur Nationalität wurde bei der Verwendung der deutschen Sprache im Privatleben ein starker Anstieg verzeichnet. Während bei der Volkszählung 2011 96.500 Menschen in Polen angaben, Deutsch zu verwenden, gaben bei der letzten Volkszählung 216.342 Personen an, zu Hause ausschließlich (7.878) oder neben anderen Sprachen Deutsch zu sprechen.
Auch für Forscher mag dieses Ergebnis überraschend sein. „Einerseits kann es durch die Tendenz zu einer relativ leichteren, bequemeren Angabe von sprachlichen Erklärungen im Vergleich zu nationalen Erklärungen angesichts der antideutschen Rhetorik der Partei Recht und Gerechtigkeit erklärt werden, und andererseits durch die Zunahme der deutschen Erklärungen außerhalb der traditionellen Siedlungsgebiete der deutschen Minderheit, die eher mit der Wirtschaftsmigration von Deutschen nach Polen und polnisch-deutschen Ehen zusammenhängt“, so Dr. Magdalena Lemańczyk.

„Das schwächere Ergebnis in der Region als noch vor zehn Jahren ist u.a. ein Spiegelbild der Politik gegenüber der deutschen Minderheit.“

Ansicht der Minderheit
Die Gesamtzahl der Deutschen in Polen, die nur geringfügig zurückgegangen ist, wird von Rafał Bartek, dem Vorsitzenden des Verbandes der deutschen Gesellschaften, positiv bewertet. Allerdings findet er einige der Daten überraschend. „Im April wurde berichtet, dass es rund 132.000 Deutsche gibt. Ich frage mich, woher 12.000 Menschen kommen, wenn das Hauptamt für Statistik erklärt, dass 100 Prozent befragt wurden“, sagt Rafał Bartek und stellt mit Verweis auf den starken Rückgang der Angehörigen der deutschen Minderheit in der Woiwodschaft Oppeln fest: „Das schwächere Ergebnis in der Region als noch vor zehn Jahren ist zum einen ein Spiegelbild der Politik gegenüber der deutschen Minderheit und der daraus resultierenden Atmosphäre rund um das Deutschtum. Sich in dieser Situation zum Deutschtum zu bekennen, erforderte einen gewissen Mut. Es war leichter, sich regional zu definieren, was einer Erklärung zum Schlesiertum förderlich war.“

Rudolf Urban

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