Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Lutherische Spuren in Oppeln

Der Regionalforscher Marek Brożek zeigte bei einem Spaziergang, zu dem vor kurzem das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit eingeladen hatte, die Objekte in Oppeln, die für Lutheraner von Bedeutung waren. Denn bereits 1525, also nur 8 Jahre nachdem Martin Luther seine 95 Thesen zur Klärung der Funktion der Ablässe in Wittenberg verkündete, kamen die neuen Ideen in Oppeln an.


Begonnen hatte der Spaziergang in die Vergangenheit allerdings in der Gegenwart, mit einem Besuch der heutigen Evangelisch-Augsburgischen Kirche und ihrem Pastor Wojciech Pracki. Und dann erzählte Marek Brożek von den Anfängen der Lutheraner in Oppeln: „Die Ideen des Luthertums fallen hier auf sehr fruchtbaren Boden. Laurentius Jost, der damalige Pfarrer der Heilig-Kreuz-Kirche, des heutigen Doms, ist fasziniert von Luther. Er predigt in der Heilig-Kreuz-Kirche im lutherischen Geist. Das war eine Seltenheit, denn dies hörten Katholiken.“ Laurentius Jost steckte auch den Orden der Dominikaner, der sich in der heutigen Kirche auf dem Hügel befand, mit den lutherischen Ideen an. Die wiederum begannen, die neuen Weisheiten der damaligen Jugend von Oppeln weiterzugeben.

Anfangs konnten die Lutheraner in Oppeln ihren Glauben ohne Widerstände ausleben, die Andachten wurden in der Bergelkirche abgehalten.

Schikanen
Anfangs konnten die Lutheraner in Oppeln ihren Glauben ohne Widerstände ausleben, die Andachten wurden in der Bergelkirche abgehalten. 1622 erlauben die Stadtbehörden der neuen Glaubensgemeinschaft, eine Holzkirche zu bauen. „Drei Jahre nach der Erlaubnis, ändert der Stadtrat plötzlich seine Haltung. Er ordnet an, dass die Kirche abgerissen wird. Das ist ein großer Schlag für die Oppelner Lutheraner. Dies ist der Beginn einer größeren Schikane gegenüber den Lutheranern. Es folgen weitere Entscheidungen, die dazu führen, dass die Lutheraner die Stadtmauern verlassen müssen. Es ist ihnen nicht erlaubt, innerhalb der Stadtmauern zu leben und zu arbeiten. Sie gehen in andere Städte der Region“, so der Regionalforscher. Der evangelische Chronist Albert Steiner verzeichnet, dass in den Jahren zwischen 1640 und 1740 keine Lutheraner in Oppeln weilten.

Bis heute kann man in dem Objekt an der ul. Kropidły 5, das von den Lutheranern bewirtschaftet wird, orthopädische Geräte ausleihen.
Foto: SJ

Wieder da
1742, als nach dem Ersten Schlesischen Krieg ein Teil Schlesiens an Preußen fiel, kommt das 9. Kürassier-Regiment nach Oppeln, die meisten von ihnen: Lutheraner. „Also muss für sie eine Militärseelsorge eingerichtet werden. Hieran macht sich Pastor Klaus Schulz, der das Luthertum in Oppeln von Grund auf wiederaufbaut“, weiß Marek Brożek. Nach Oppeln kommen auch preußische Beamte und Handwerker, die ebenfalls dem lutherischen Glauben angehören. Im Rathaus wird ein Raum geboten, der als Kapelle für die Gottesdienste dient. Doch der reicht nicht aus, da die Zahl der Lutheraner in Oppeln sehr schnell auf 1.800 ansteigt. „Auf Erlass des preußischen Königs erhalten 1811 die Oppelner Lutheraner die Kirche der Franziskaner. Zunächst die Kirche selbst, aber nach ein paar Jahren kommen die anderen Gebäude hinzu. 1890 erbauen die Lutheraner den charakteristischen Turm der Franziskanerkirche, der bis heute erhalten ist“, so Marek Brożek.

Marek Brożek
Foto: SJ

Ehrenamt
Neben den liturgischen Aktivitäten wirken die Lutheraner auch karitativ und in der Krankenpflege, es entsteht eine entsprechende Stiftung in Oppeln, die ein Krankenhaus und eine Pflegeeinrichtung erbaut. Diakonissen, meistens Schülerinnen von Eva von Tiele-Winckler aus Miechowitz, bilden das Personal der Einrichtungen. 1906 wurde am heutigen Daszyńskiego-Platz in Oppeln ein evangelisches Gymnasium eröffnet. „Es war eine der renommiertesten Schulen in Oppeln. Zu den Lehrkräften gehörte damals der berühmte Rabbiner Leo Beck. Er unterrichtete dort Philosophie und Griechisch. 1939 entsteht in der Stadt auch eine Lutherische Diözese. 1945 bildet auch für die Lutheraner eine Zäsur. Denn alles, was mit dem Glauben verbunden ist, wird in Polen als Deutsch, und somit feindlich angesehen“, weiß der Regionalforscher Brożek zu berichten.

In der neuen Wirklichkeit
In den Archiven stießet Brożek auf einen Mann namens Buchner: „Wir wissen, dass er Bäcker war und wahrscheinlich in der Koraszewskiego-Straße wohnte. Er war derjenige, der begann, das Luthertum auf, sagen wir, konspirative Weise, wiederzubeleben. Die Leute trafen sich zum Gebet in ihren Wohnungen und mussten sehr vorsichtig sein, denn wenn sie von den damaligen Behörden aufgespürt wurden, konnte das durchaus mit Gefängnisstrafen enden“, sagt Marek Brożek.
Seit Mitte der 1950er Jahre ist Pastor Stanisław Żwak 30 lang Jahre in Oppeln tätig. Er erlangt vom Staat u. a. das Gebäude an der Pasieczna-Straße 12 zurück, in dem bis heute die Gottesdienste der Evangelisch-Augsburgischen Kirche abgehalten werden. Sein Nachfolger wird Pastor Marian Niemiec. „In der Zwischenzeit haben wir ein weiteres Problem, das die lutherische Kirche hierzulande auf schreckliche Weise erdrückt hat. Das ist die Massenabwanderung nach Deutschland. Das gilt besonders für die 1960er und 1970er-Jahre. Man stelle sich nur vor: 800 Gemeindemitglieder gingen damals weg“, unterstreicht der Regionalforscher. Ein weiterer großer Schlag für die Lutheraner in Oppeln ist die Überschwemmung im Juli 1997. Die Kapelle in der Pasieczna-Straße wird von der Flut stark betroffen, die Lutheraner wissen nicht wohin. „Doch dann melden sich die katholischen Brüder in Gestalt des Ordinarius Bischof Alfons Nossol und Pfarrer Professor Siegfried Glaeser zu Wort und luden die Lutheraner ein, in der Zeit des Umbaus des Objektes die Gottesdienste in der St. Sebastiankirche zu feiern. Eine wunderbare ökumenische Geste“, resümiert Marek Brożek.

Manuela Leibig

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