Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Mehrsprachigkeit als Chance

Der zweite Tag des diesjährigen FUEN-Forums der Europäischen Minderheitenregionen führte die Referenten und Teilnehmer nach Kattowitz. Im dortigen Sejmik der Woiwodschaft Schlesien beschäftigten sie sich mit grenzüberschreitenden Arbeitsmärkten. Während des Austauschs wurde wiederholt die große Bedeutung der Mehrsprachigkeit betont.

Trotz des Schneegestöbers, das Oberschlesien am Samstag vergangener Woche (02.12.) fest im Griff hatte, gelang es dem Busfahrer, der die Tagungsteilnehmer von Oppeln nach Kattowitz beförderte, das Schlesische Parlamentsgebäude pünktlich zu erreichen. Um der Kälte zu entkommen, begaben sich die Minderheitenvertreter, die aus allen Ecken Europas zum diesjährigen FUEN-Forum angereist waren, dann auch schnell ins Innere dieses imposanten modernistischen Baus aus den 1920er-Jahren und nahmen im nicht minder beeindruckenden Plenarsaal des Sejmiks Platz, der einst als Vorbild für den Saal des Sejms der Zweiten Polnischen Republik diente.

Die Teilnehmer, Referenten und Organisatoren des diesjährigen FUEN-Forums im Foyer des Schlesischen Parlaments in Kattowitz
Foto: Lucas Netter

Am Rednerpult wartete schon Maria Materla, die Vorsitzende des Sejmik-Ausschusses für ausländische Zusammenarbeit und europäische Integration. Die schlesische Regionalpolitikerin begrüßte die internationalen Gäste in der Woiwodschaftshauptstadt mit einer kurzen Ansprache – und betonte gleich zu Beginn, dass die Kenntnisse von Minderheitensprachen sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber einen Mehrwert bieten können. Dies gelte nicht zuletzt auch für den „sehr dynamischen Arbeitsmarkt“ in der Woiwodschaft Schlesien.

Maria Materla, die Vorsitzende des Sejmik-Ausschusses für ausländische Zusammenarbeit und europäische Integration während ihrer Begrüßungsrede
Foto: Lucas Netter

„Deutschland ist nicht mehr so attraktiv wie früher“

Inhaltlich startete der zweite Konferenztag dann mit einem Vortrag des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Romuald Jończy von der Wirtschaftsuniversität in Breslau. Der gebürtige Groß Strehlitzer referierte über die Auswirkungen der Existenz der deutschen Minderheit in Oberschlesien auf den örtlichen Arbeitsmarkt und die regionale sozioökonomische Entwicklung. So sei in Gemeinden, in denen zahlreiche Angehörige der deutschen Minderheit leben, die Arbeitslosigkeit geringer. Außerdem zeichneten sich diese „Minderheitengemeinden“ durch eine starke Konzentration von ausländischem Kapital aus – vor allem aus Deutschland.

Prof. Romuald Jończy
Foto: Lucas Netter

Spätestens seit 2019 sei zudem die Tendenz zu beobachten, dass „gut entwickelte und von Minderheiten bewohnte Regionen eine spürbare Erweiterung der beruflichen Möglichkeiten und eine Steigerung der Lebensqualität“ böten, darunter ein größeres Jobangebot und die Option zur Arbeit im Homeoffice. In der Folge wirkten ausländische Arbeitsmärkte weniger anziehend. Diese Feststellung gelte auch für die Arbeit in Deutschland. „Deutschland ist nicht mehr so attraktiv wie früher“, sagte Jończy – und fügte hinzu: „Aber vielleicht ist Deutschland auch nicht mehr so deutsch wie früher.“

Prof. Joanna Kurowska-Pysz und der FUEN-Vizepräsident Gösta Toft
Foto: Lucas Netter

Den zweiten Impulsvortrag lieferte Prof. Joanna Kurowska-Pysz von der WSB-Universität in Dombrowa (Dąbrowa Górnicza). Die Wissenschaftlerin sprach über den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt in der polnisch-ukrainischen Grenzregion, insbesondere über die Herausforderungen, die sich nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges, als viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Polen kamen, ergeben haben. Die Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt stehe und falle mit den Sprachkenntnissen, betonte Kurowska-Pysz. „Nur jene potenziellen Arbeitnehmer, die dazu bereit sind, Polnisch zu lernen, werden hier eine berufliche Perspektive haben. Wir müssen diese Menschen dazu befähigen und ihnen gute Bedingungen bieten, auf dem polnischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, ergänzte sie.

Konzentriertes Zuhören
Foto: Lucas Netter

Podiumsdiskussion zu grenzüberschreitenden Arbeitsmärkten

Nach der anschließenden Mittagspause ging es auf die Zielgerade der Konferenz – und zwar mit einer Podiumsdiskussion, die sich mit Beispielen mehrsprachiger grenzüberschreitender Arbeitsmärkte beschäftigte. Moderiert wurde der Austausch von Joanna Hassa, der Geschäftsführerin des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG). Die Referenten auf dem Podium waren Andrea Vukelić vom Serbischen Nationalrat in Kroatien, Grégory Dalbert, Politischer Berater der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien, Jean Faivre von der Regionalpartei „Unser Land“ im Elsass in Frankreich sowie Maurizio Tremul, Präsident der „Unione Italiana“, die die italienische Volksgruppe in Slowenien und Kroatien vertritt.

An dem Panel nahm außerdem noch der Baske Paul Bilbao-Sarria teil, der am Tag zuvor aufgrund des Schneechaos nicht rechtzeitig zu seinem Impulsreferat anreisen konnte und daher seine Anmerkungen zu den Vorteilen des Sprechens einer Minderheitensprache im öffentlichen Sektor nachholte.

Andrea Vukelić (oben links), Joanna Hassa (oben Mitte), Jean Faivre (oben rechts), Grégory Dalbert (unten links), Maurizio Tremul (unten Mitte) und Paul Bilbao-Sarria (unten rechts)
Foto: Lucas Netter

Die Referenten sprachen über die spezifischen Möglichkeiten und Herausforderungen der grenzüberschreitenden Arbeitsmärkte in ihren jeweiligen Heimatregionen, hoben dabei aber alle die Vorteile der Mehrsprachigkeit hervor – sei es für den Handel, den Tourismus, für Grenzpendler oder gar für die Verbesserung der bilateralen Beziehungen zwischen zwei Staaten.

„Es gibt immer einen Mehrwert in der Zweisprachigkeit“

Die Schlussfolgerung, dass Mehrsprachigkeit auf dem Arbeitsmarkt ein elementar wichtiger Faktor ist, kam auch in der Rede zum Ausdruck, die der FUEN-Vizepräsident Gösta Toft aus den Reihen der deutschen Minderheit in Dänemark zum Ende der Konferenz hielt. „Die meisten, die hier sitzen, haben schon erlebt, dass sie einen Vorteil durch ihre Mehrsprachigkeit haben“, sagte er – und ergänzte: „Wir als Minderheit haben einen Mehrwert. Das ist nicht überall bekannt, vor allem nicht auf europäischer Ebene. Wir können nicht oft genug darauf hinweisen, dass es diesen Mehrwert gibt. Denn eigentlich sind wir die Musterschüler der EU: Wir zeigen eine hohe Mobilität und eine hohe Flexibilität, wir sind mehrsprachig, und wir haben interkulturelles Verständnis – das müssen wir auch den politischen Entscheidungsträgern deutlich machen.“

Der FUEN-Vizepräsident Gösta Toft während seiner Schlussbemerkung
Foto: Lucas Netter

Nach diesem Resümee stand für die Teilnehmer noch ein kurzer Besuch auf dem Weihnachtsmarkt in Kattowitz auf dem Programm; danach ging es zurück nach Oppeln. Dort ließen die Minderheitenvertreter die Tagung bei einem Bankett ausklingen – und setzten währenddessen das Netzwerken fort, das ja bei derartigen Zusammenkünften immer auch ein wesentliches Element ist.

Der FUEN-Vizepräsident Bernard Gaida während der Diskussion. Rechts neben ihm: Johan Häggman
Foto: Lucas Netter

Der Cheforganisator des Ganzen, Johan Häggman, zieht in diesem Sinne ein positives Fazit des diesjährigen FUEN-Forums: „Wir haben festgestellt, dass die Minderheiten sehr unterschiedlich sind. Aber das Gemeinsame ist: Es gibt immer einen Mehrwert in der Zweisprachigkeit – und zwar nicht nur für die einzelnen Menschen, sondern auch für die Wirtschaft, die Regionen und die Länder als Ganzes. Es lohnt sich für die Unternehmen, mehrsprachige Angestellte, zum Beispiel aus den Reihen der Minderheiten, zu haben“, so Häggman.

Dies gelte nicht zuletzt auch für den Arbeitsmarkt in Polen, speziell in Oberschlesien, meint der FUEN-Vertreter: „Man hat einen großen Vorteil, wenn man hier Deutsch spricht. Denn viele deutsche Unternehmen investieren in der Region. Die Firmen brauchen also deutschsprachige Mitarbeiter. Und die Arbeitnehmer können durch das Plus ihrer Mehrsprachigkeit einen besseren Job finden und mehr Geld verdienen. Es ist also eine Win-win-Situation.“

Lucas Netter

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