Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

„Ich bin der Mann fürs Leichte“

In Berlin sprach Dominik Emme, der Kulturmanager des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) beim Bund der Jugend der Deutschen Minderheit (BJDM), mit dem in Polen äußerst bekannten deutschen Schauspieler, Kabarettisten und Autoren Steffen Möller.

 

Herr Möller, um was geht es in Ihrem neuen Buch „Polnische Paartherapie – Wenn Deutsche und Polen sich lieben“?

Das ist die Taschenbuchausgabe meines Buches „Weronika, dein Mann ist da!“, das schon drei Jahre alt ist. Neuer Titel, neues Cover. Jetzt wird es hoffentlich ein Weltbestseller!

Momentan sind Sie mit dem Buch auf Tour, richtig?

Genau, mit meinem Programm „Polnische Paartherapie“. Ich bin aktuell viel unterwegs. Bei meinen Auftritten erzähle ich den Leuten, was die wichtigsten Probleme deutsch-polnischer Paare sind.

Cover von Steffen Möllers Buch „Polnische Paartherapie – Wenn Deutsche und Polen sich lieben“
Foto: Piper Taschenbuch

Sie sind bekannt aus der polnischen Fernsehserie „M jak miłość“ („L wie Liebe“) und haben auch die polnische Version von „Wetten, dass…?“ („Załóż się“) moderiert. In den letzten Jahren sind Sie öfter in Deutschland als in Polen aufgetreten. Planen Sie in Zukunft wieder mehr Auftritte in Polen?

In Polen, ehrlich gesagt, nicht. Ich habe meine Nische hier in Deutschland gefunden. Ich bin ja viele Jahre lang nur in Polen aufgetreten. Aber es ist so: Wir haben hier in Deutschland über 3,5 Millionen polnischstämmige Menschen. Die haben alle Partner aus Deutschland, Freunde oder Nachbarn. Und für diesen Personenkreis, ich schätze rund zehn Millionen Menschen, trete ich auf. Das ist meine Nische.

Wie sieht es mit Ihrer Bekanntheit in Polen aus? Werden Sie nach wie vor erkannt?

Seltener als früher. Aber ich wurde letztens sogar hier in Berlin erkannt. Als ich im Edeka saß und leider viel Senf am Mund hatte, kam ein polnischer Mann vorbei, guckte mich so komisch an, winkte dann so – und ich wusste: „Ja, Pole!“

Welche Projekte planen Sie für die kommende Zeit?

Ich arbeite an einem neuen Buch. Ich wollte ja ursprünglich über polnische Pflegekräfte in Deutschland ein Buch schreiben. Aber das Thema erwies sich als zu schwer. Ich habe viele E-Mails bekommen, sowohl Briefe von Polinnen, die hier arbeiten, als auch von Deutschen, die polnische Pflegerinnen haben. Und es stellte sich heraus: Es gibt massenweise Probleme, auch finanzielle Probleme, und das alles ist zu schwer für mich. Ich kann das nicht. Ich bin der Mann fürs Leichte.

Verbringen Sie die eine Hälfte des Jahres in Deutschland und die andere in Polen?

Nein, ich bin deutlich mehr in Deutschland. In Polen habe ich keine Kabarettauftritte mehr beziehungsweise weniger. Ich habe noch welche, meistens geschlossene Auftritte für Firmen. Ich bin überwiegend in Deutschland.

Steffen Möller während des Interviews in Berlin
Foto: Konrad Müller

Ist das Interesse an der deutschen Sprache in Polen nach wie vor so groß wie damals, als Sie als Deutschlehrer angefangen haben?

Also nach meinem Eindruck ist es immer noch groß. Ich habe ja das Vergnügen, dass ich jedes Jahr für das polnische Unterrichtsministerium die Abiturtexte einsprechen darf. Habe ich auch dieses Jahr gemacht, Anfang Februar. Streng geheim, in Warschau, zusammen mit einer Kollegin.

Ich habe aber gehört, dass die Lage ziemlich schwierig geworden ist, gerade in Oberschlesien. Es wurden Stunden gekürzt, statt drei Wochenstunden gibt es nur noch eine Wochenstunde Deutsch (als Minderheitensprache, Anm. d. Red.). Das ist natürlich nicht gut. In einer Stunde pro Woche, was will man da machen? Ich weiß noch, als ich in Warschau Deutsch unterrichtet habe. Da konnten meine Schüler eigentlich nach zwei Jahren Deutschunterricht, den sie vor mir schon hatten, nur drei Sätze sprechen. „Jawohl, jawohl, ich liebe Alkohol“, „Komm nach Hause, Kinder machen“ und „Meine Mutter ist Computer“. Und ich fürchte, wenn wir jetzt bei einer Stunde sind, dann kommt nur noch: „Meine Mutter ist Computer“.

Wie sehen Sie die deutsch-polnischen Beziehungen heute? Wie haben sie sich Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren entwickelt?

Also, ich bin ja nun schon seit 30 Jahren in Polen. Ich habe meinen ersten Polnischkurs vor 30 Jahren gemacht. Unfassbar. Damals war wenig Interesse an Deutschland. Für mich war der Höhepunkt 2012 mit der Europameisterschaft. In den letzten Jahren kann ich nur sagen: Unten an der Basis ist die Beziehung gut. Ich sehe es ja bei meinen Auftritten, zum Beispiel in München. 350 Leute, deutsch-polnische Paare und das läuft super! Politik? Klar, ist schwierig. Das ist interessant. Ich glaube, mit Frankreich ist es umgekehrt. In der Politik – wunderbar. An der Basis – weiß ich nicht, ob es so wunderbar ist.

Sie sprachen eben die Stundenkürzungen an. Gehen Sie in dieser Frage von einer Besserung aus?

Also politisch, würde ich mal sagen, geht es ja nur noch besser. Aber ich bin nicht in der Politik. Ich sehe das tägliche Leben im Zug zwischen Berlin und Warschau. An den Schulen. Und ja, Polen, Deutschland, das war, als ich vor 30 Jahren nach Polen ging, noch ein exotisches Thema. Auch noch vor 15 Jahren, als ich mein Buch „Viva Polonia“ veröffentlicht habe. „Oh, Polen – mutig, mutig!“ Polen heute – hallo? Das ist so wie Zehlendorf oder Spandau (Stadtbezirke von Berlin, Anm. d. Red.), das ist um die Ecke.

Was sind für Sie typische Situationen in Deutschland und Polen?

Das war gerade übrigens eine typisch deutsche Situation. Die beiden haben sich gerade geärgert, dass wir hier während unseres Gesprächs den Bürgersteig versperren. Das ist interessant. Kleiner Kulturunterschied, ganz kleiner Exkurs. In Polen passiert mir das nicht; in Polen, wenn man so blockiert, gehen die Leute einfach vorbei, sagen gar nichts. Keine Aggression. In Deutschland, finde ich, gibt es sehr viele aggressive Situationen, jeden Tag auf der Straße, auf dem Bürgersteig, weil man irgendwas falsch gemacht hat, falsch geparkt, oder hier und da ruft auch schon mal einer bei der Polizei an. Wenn ich das aber in Polen erzähle, dass es meiner Ansicht nach hier in Berlin oder in Deutschland stärkere Aggression im Alltag gibt, glaubt mir keiner. „Was? Co ty gadasz? Nie, u nas jest najgorzej!“ Ich kann nur sagen: Ich finde es hier aggressiver.

Warum gibt es diese Unterschiede?

Ja, das ist sehr interessant. Es hat – glaube ich – damit zu tun, dass wir Deutschen uns ganz stark an abstrakten Normen, Vorschriften, Gesetzen orientieren. In Polen ist das Jetzt und Hier wichtiger. Es steht einer im Weg? Kein Problem! Omijamy!

In Polen gibt es andere Aggressionspotenziale. Misstrauen. Misstrauen ist ein Riesenthema in Polen. Zum Beispiel, dass mein Nachbar für mich ein Päckchen annimmt. Hier in Berlin ist das normal. In Warschau: „Oh, Päckchen beim Nachbarn? Nee, nee, nee. Das könnten Mafiosi sein!“ Ist natürlich alles Quatsch, die Kriminalität ist ja viel niedriger als in Deutschland.

Steffen Möller mit Dominik Emme, dem ifa-Kulturmanager beim BJDM
Foto: Konrad Müller

In Ihren Büchern haben Sie mal geschrieben, dass Warschau Ihre Lieblingsstadt sei, noch vor Krakau. Gibt es auch Städte in Schlesien, die Sie gern besuchen? Vielleicht Oppeln?

Opole ist sehr schön. Ich war mal in Kluczbork. Das ist eine schöne Stadt. Gefällt mir sehr gut. Katowice hat sich sehr verändert, sehr verschönert. Sehr gute Erinnerungen habe ich an Chorzów. Chorzów, nicht Gorzów. Ich habe nämlich mal einen Riesenfehler gemacht: Ich hatte einen Auftritt in Gorzów und musste da irgendeine Brücke eröffnen, da habe ich gesagt: „Witamy w Chorzowie!“ Seitdem wurde ich leider nie wieder dorthin eingeladen.

Haben Sie vielleicht auch eine Message an die Jugend der deutschen Minderheit in Polen?

Eine Message? Die Message ist ganz einfach: Guckt euch Deutschland an, guckt euch Polen an. Fahrt nach Warschau. Ich vermute mal, viele Angehörige der deutschen Minderheit kennen sich in Berlin besser aus als in Warschau. Warschau ist ja sowieso in Polen total unbeliebt. Alle glauben, Warschau ist grau und hässlich und kriminell und schmutzig. Deswegen sage ich: Zapraszam do Warszawy!

Und dann lade ich noch ein in meine Heimatstadt nach Wuppertal. Auch eine schöne Stadt. Vielleicht nicht auf den ersten Blick, aber auf den zweiten. Da gibt es die Schwebebahn. Da ist mal 1950 ein Elefant rausgesprungen. Eine interessante Geschichte, die ihr recherchieren könnt. Der Elefant Tuffi.

Und dann wahrscheinlich auch noch eine Einladung nach Berlin?

Ich bin nicht so ein großer Berlin-Fan. Naja, irgendwie doch. Aber ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu Berlin. Aber gut, Berlin ist ja auch eine gespaltene Stadt. Also meine Städte sind Warschau und Wuppertal. W und W.

Herr Möller, vielen Dank für dieses Gespräch.

Show More