Schlesische Musikfeste 2023
Meine Reise am Samstag (27.05.) nach Görlitz zu der Eröffnung der Schlesischen Musikfeste erinnerte mich einmal mehr an einen guten Vergleich. Adolf Tramnitz, ein bekannter deutscher Forstmann, der in Stettin geboren und in der Grafschaft Glatz gestorben ist, verglich im Jahr 1869 Schlesien mit einem Eichenblatt — mit der Oder als Hauptrippe des Blattes. Schlesien zeigt sich als ein besonders reiches Land, solange man nicht vergisst, dass es links und rechts der Oder liegt. Und solange man nicht vergisst, dass die schlesische Kultur, auch die deutsche Kultur, Wissenschaft und Industrie links und rechts der Oder entstand.
Der Geist Schlesiens ist dabei unterschiedlich. Deswegen nannte Johann Wolfgang von Goethe, der im Jahr 1790 Schlesien insbesondere zum Studium der Montanindustrie bereiste, die Region mit Bewunderung „ein zehnfach interessantes Land“. Sein Weg führte bis Tarnowitz in Oberschlesien, wo die erste Dampfmaschine auf dem europäischen Festland in Betrieb gegangen war. Aber auch Alexander von Humboldt reiste nach Oberschlesien, um aus der Entwicklung von Industrie und Bergbau zu lernen.
Als Schlesier und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) aus 25 Ländern habe ich bei der Eröffnung der Schlesischen Musikfeste gesagt, dass bis heute die deutsche Kultur entsteht und lebt auch dank der deutschen Minderheiten in den Ländern, in denen sie leben und die kulturelle Vielfalt mitgestalten. Aus solch vielfältigem Reichtum erwuchsen in Jahrhunderten zahlreiche kulturelle und historisch bedeutende Orte und Ereignisse.
Eines davon sind die Schlesischen Musikfeste, die womöglich das älteste Musikfestival Deutschlands sind. Angefangen 1830 in Bad Salzbrunn, wurden die Musikfeste dann in Freiburg, Schweidnitz, Striegau, Waldenburg, Brieg, Jauer, Landeshut, Breslau und endlich in Görlitz organisiert. Mit Höhen und Tiefen werden sie dieses Jahr zum 34. Mal veranstaltet als ein internationales Konzept, um das auf Deutschland, Polen und Tschechien verteilte Schlesien als einen europäischen Kulturraum zu betrachten. Und jetzt, wo vieles zersplittert ist, brauchen wir besonders die lebendige europäische Dimension.
Weil aber ohne Oberschlesien der schlesische Kulturraum so undenkbar ist wie das Eichenblatt ohne seine rechte Seite, denke ich, dass die Konzerte auch nach Oberschlesien kommen sollten. Schließlich haben auch Beethoven, Weber und Elsner ihren festen Platz hier.
Bernard Gaida
Titelfoto: Bernard Gaida mit Stephan Rauhut, dem Geschäftsführer der Schlesischen Musikfeste (Foto: privat)