Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Enttäuschung

Vor zwei Wochen konnten wir in einer Medienmitteilung von Natalie Pawlik MdB, der Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, lesen: „Heute, am 28. Juni 2023, wurden im Bundeskabinett wesentliche Verbesserungen für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler durch die Änderung des Bundesvertriebenengesetzes auf den Weg gebracht. (…) Ich bin zuversichtlich, dass auch im Deutschen Bundestag eine breite Mehrheit die Änderung befürworten wird.“

Diese Information habe ich von Frau Pawlik persönlich gehört, denn an diesem Tag trafen wir uns in Bayreuth zu der Konferenz „Heimatverbliebene und Heimatvertriebene“, die die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) gemeinsam mit der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen veranstaltet hat. Das war für mich als AGDM-Sprecher eine besonders gute Botschaft, weil sich die AGDM als Vertreterin der deutschen Minderheiten auch aus der Ukraine, Russland und anderen GUS-Ländern natürlich schon lange politisch an der Seite der Betroffenen engagiert.

Im Februar begannen die Gespräche mit Frau Pawlik im Bundesinnenministerium (BMI); nach vielen internen Beratungen hat die AGDM im April eine Stellungnahme veröffentlicht, in der stand: „Ohne die Vorgaben des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) und weitere gesetzliche Rahmen infrage stellen zu wollen, ist es der AGDM ein Anliegen, darauf aufmerksam zu machen, dass mit jeder Ablehnung des Antrages zur Aufnahme als Spätaussiedlerin oder Spätaussiedler eine Vielzahl von Menschenschicksalen betroffen ist. Nicht nur unsere Landsleute aus der Ukraine, die durch den menschenverachtenden Krieg eine Zuflucht in dem Land ihrer Vorfahren suchen, werden infolge der verschärften Anforderungen im Spätaussiedlerverfahren von den Behörden abgelehnt. (…) Daher bitten wir alle politischen Kräfte in Deutschland zur baldigen Änderung der Bundesvertriebenengesetze (BVFG).“

Deshalb die Freude, dass Natalie Pawlik mit den Mitstreitern im BMI und der Bundesregierung es in relativ kurzer Zeit doch geschafft hat, vor der Sommerpause eine entsprechende Änderung in den Deutschen Bundestag zu schicken. Umso größer ist nun aber die Enttäuschung, dass die Fraktionen der Ampelkoalition in der letzten Woche vor der Pause entschieden haben, sich mit diesem Thema nicht zu beschäftigen. Die von uns erwähnten Schicksale haben offenbar eine zu geringe Bedeutung für die Abgeordneten, um irgendetwas mehr oder außerplanmäßig zu tun. Sie kennen die Gefühle nicht, wenn ein Amt in Deutschland das Deutschtum der Menschen verneint. Es ist, als ob die gegenwärtige Generation einen Schatz, den die Vorfahren trotz Auswanderung, einem Leben in der Fremde, Deportation und Diskriminierung bewahrt haben, endgültig verloren hat.

Vielleicht sind in Deutschland solche Gefühle schon unverständlich.

Bernard Gaida

Titelfoto: Blick ins Plenum des Deutsches Bundestages (Foto: Deutscher Bundestag / Tobias Koch)

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