Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Von Minderheiten und ihren Museen

Vergangene Woche (19. bis 21. Oktober) fand im Marschallamt der Woiwodschaft Oppeln die wissenschaftliche Konferenz „(Selbst)darstellungen – Kultur und Gedächtnis von Minderheiten in Ausstellungsprojekten“ statt. Im Mittelpunkt des Austauschs zwischen den internationalen Experten stand die Frage, wie Minderheiten – zum Beispiel Friesen, Sorben, Kaschuben oder Karpatendeutsche – ihre Geschichte sowie ihr kulturelles und sprachliches Erbe in Museumsausstellungen präsentieren können.

Im Plenarsaal „Orła Białego“ des Oppelner Marschallamtes ist am Vormittag des 19. Oktober alles bereit für die große Tagung, die das Forschungszentrum der Deutschen Minderheit, das Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen in Polen (DAZ), die Woiwodschaftsbibliothek in Oppeln, das Kulturinstitut des Marschallamtes der Woiwodschaft Oppeln sowie das Sorbische Institut und das Sorbische Museum in Bautzen monatelang vorbereitet haben: Das Podium ist mit Namensschildern versehen, die Simultandolmetscher sitzen in ihren Kabinen, Kaffee und Kuchen sind aufgetischt, Informationsmaterial liegt aus, die Technik funktioniert. Sogar das Wetter spielt mit und begrüßt die mehr als ein Dutzend eingeladenen Referenten, die von Minderheitenregionen in Italien, Deutschland, Dänemark, Rumänien, der Slowakei und anderen Teilen Polens den Weg nach Oppeln gefunden haben, mit herrlichem Herbstsonnenschein.

Die Konferenz fand im Oppelner Marschallamt statt.
Foto: Lucas Netter

Auf die ausgewiesenen Experten wartet in den folgenden drei Tagen eine Konferenz, die es in dieser Form zuvor wohl noch nicht gegeben hat. Schließlich werden die Fragen, die Minderheitenmuseen beziehungsweise Ausstellungsprojekte mit Minderheitenbezug betreffen, nur selten wissenschaftlich unter die Lupe genommen. „Aus museologischer Sicht gibt es zu diesem Themenspektrum kaum Forschungsliteratur. Also wird diese Tagung zur wissenschaftlichen Diskussion über museale Darstellungen von Minderheiten einen wichtigen Beitrag leisten“, erklärt in diesem Sinne die ehemalige Kulturmanagerin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) beim DAZ, Dr. Maria Stolarzewicz, die die Konferenz konzipiert und organisatorisch angeschoben hat. Entsprechend groß sind auch die Erwartungen an die Tagung.

Aufmerksames Zuhören
Foto: Lucas Netter
Die Konferenz wurde simultan ins Deutsche beziehungsweise ins Polnische übersetzt.
Foto: Lucas Netter

„Sehr wichtig ist uns, dass die Institutionen, die an dieser Konferenz teilnehmen, einander besser kennenlernen und in Zukunft enger zusammenarbeiten“, sagt zum Beispiel Dr. Michał Matheja, der Leiter des Forschungszentrums der Deutschen Minderheit. Und Weronika Wiese, die Koordinatorin des DAZ, betont: „Die Minderheiten stehen vor gemeinsamen Problemen und Herausforderungen – und darüber möchten wir in den nächsten drei Tagen diskutieren; wir werden unsere Erfahrungen austauschen und hoffentlich auch Kooperationsprojekte anstoßen.“ Was sind diese Probleme und Herausforderungen? „Dass wir immer um unsere Rechte kämpfen müssen, dass wir oft als eine Belastung betrachtet werden und nicht als Bereicherung, dass wir die Menschen immer wieder für die Minderheit gewinnen müssen“, antwortet Weronika Wiese.

Weronika Wiese bei der Begrüßung der Konferenzteilnehmer
Foto: Lucas Netter
Auch Dr. Michał Matheja hieß die Referenten und Zuhörer willkommen.
Foto: Lucas Netter

Die Bedeutung der Konferenz wird nicht zuletzt auch dadurch ersichtlich, dass es sich die Vizemarschallin der Woiwodschaft Oppeln, Zuzanna Donath-Kasiura, sowie der Vizepräsident der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) in der FUEN, Bernard Gaida, nicht nehmen lassen, die internationalen Gäste persönlich willkommen zu heißen und die Konferenz mit einigen Grußworten zu eröffnen.

Zuzanna Donath-Kasiura im Gespräch mit zwei Teilnehmern der Konferenz
Foto: Lucas Netter
Bernard Gaida, Vizepräsident der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) in der FUEN
Foto: Lucas Netter

Die „ethnische Versuchung“

Inhaltlich startet die dreitägige Konferenz mit einem erfrischenden und prägnant formulierten Vortrag von Dr. Christoph Schmidt, dem Direktor des Nordfriisk Instituut (auf Deutsch: Nordfriesisches Institut) mit Sitz im schleswig-holsteinischen Bredstedt. In seinem gut 20-minütigem Referat zur Problematik von Selbstdarstellung am Beispiel der Ausstellung „Nordfriisk Futuur“ legt er nämlich selbstkritisch den Finger in die Wunde. So referiert er über „Stolperfallen“ bei der Ausgestaltung ebenjener Ausstellung über die Nordfriesen, die er auch als „ethnische Versuchungen“ bezeichnet. „Das Hauptproblem ist, dass wir simulieren, es gäbe so etwas wie eine geschlossene Gruppenidentität, etwas Einheitliches und Homogenes, ein Faktor, an dem man messen kann, wer dazu gehört – und wer nicht. Aber das funktioniert im Alltag überhaupt nicht“, so der Wissenschaftler.

Dr. Christoph Schmidt während seines Vortrags
Foto: Lucas Netter

Als eine weitere Gefahr macht er die Überzeichnung aus, also die zu positive Darstellung der eigenen Gruppe. Dies könne schnell zu einer Art Verklärung führen. Ein Beispiel liefert Schmidt gleich mit: So habe es nicht zuletzt auch in Nordfriesland sehr viele Nationalsozialisten gegeben. Derartige Schattenseiten dürfe man in Selbstdarstellungen nicht verschweigen, denn sonst verkläre man.

In den Pausen blieb reichlich Zeit für den Austausch und die Vernetzung.
Foto: Lucas Netter

Drei Schwerpunktthemen, elf Vorträge, eine Podiumsdiskussion

Im Rahmen der thematischen Schwerpunkte „(Selbst)darstellung und (Selbst)reflexion“, „Identität und ihr Schutz“ sowie „Geschichte, Gegenwart und Zukunft“ folgen bis zum Samstagmittag zehn weitere Vorträge der angereisten Minderheitenvertreter, Museologen, Kuratoren und Archivare (ein Referent, Bohdan Gocz vom Museum Lemkischer Kultur in Zyndranowa in der Woiwodschaft Karpatenvorland, konnte krankheitsbedingt nicht an der Tagung teilnehmen). In ihren Präsentationen stellen sie ihre jeweiligen Einrichtungen und Institutionen vor, erklären ihre Prämissen und Erfahrungen bei der Ausstellungskonzeption, berichten von Schwierigkeiten und Herausforderungen hinsichtlich des musealen Erzählens, zeigen Perspektiven für die Zukunft auf – und treten mit ihren Kollegen und den anwesenden Zuhörern in den Austausch.

Der Historiker Prof. Dr. Jarosław Syrnyk moderierte den ersten Themenschwerpunkt zur (Selbst)darstellung und (Selbst)reflexion.
Foto: Lucas Netter
Christina Boguszowa vom Sorbischen Museum in Bautzen
Foto: Lucas Netter
Joanna Hołda sprach über den Sektor der Galiziendeutschen im Ethnografischen Park in Neu Sandez (Nowy Sącz).
Foto: Lucas Netter
Dr. Robert Lorenz vom Sorbischen Institut in Bautzen
Foto: Lucas Netter
Hauke Grella vom Deutschen Museum Nordschleswig
Foto: Lucas Netter
Dr. Stefan Planker referierte über die Geschichte der Ladiner und Sudetendeutschen in der musealen Präsentation.
Foto: Lucas Netter
Bernard Gaida präsentierte die Wanderausstellung „IN ZWEI WELTEN. 25 Deutsche Geschichten – Deutsche Minderheiten stellen sich vor“.
Foto: Lucas Netter
Winfried Ziegler stellte die Wanderausstellung „Die deutsche Minderheit in Rumänien – Geschichte und Gegenwart im vereinten Europa vor“.
Foto: Lucas Netter

Auch eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die Rolle der Archive und Museen in der Sicherung des kulturellen Erbes von Minderheiten“ steht auf dem Programm der Tagung, an der unter anderem Ewa Czeczor, die Archivleiterin des Forschungszentrums der Deutschen Minderheit, teilnimmt.

An der Podiumsdiskussion nahmen Jędrzej Soliński vom Sorbischen Museum in Bautzen (links), Ewa Czeczor vom Forschungszentrum der Deutschen Minderheit in Oppeln (2. v. l.), Nina Jebsen vom Deutschen Museum Nordschleswig sowie Rastislav Fil’o vom Museum der Karpartendeutschen in Bratislava (nicht im Bild) teil. Moderiert wurde das Ganze von Dr. Christoph Schmidt, dem Direktor des Nordfriisk Instituut in Bredstedt (2. v. r.).
Foto: Lucas Netter
Weronika Wiese, die Koordinatorin des DAZ in Oppeln, mit Dr. Robert Lorenz vom Sorbischen Institut in Bautzen
Foto: Lucas Netter

Selbstverständlich geht es auch „ins Gelände“. So unternehmen die internationalen Gäste einen Ausflug nach Kattowitz zum dortigen Schlesischen Museum und sehen sich den im Frühjahr in Raschau (Raszowa) eröffneten deutsch-polnischen Lehrpfad an. Und natürlich werden sie durch das Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen in Polen geführt.

Dr. Ondrej Pöss (links) und Rastislav Fil’o vertraten die Minderheit der Karpatendeutschen in der Slowakei.
Foto: Lucas Netter
Magdalena Sudoł (Mitte) sprach über die Kaschuben als Gegenstand und Subjekt musealer Erzählungen. Rechts im Bild: Prof. Dr. Adriana Dawid von der Universität Oppeln.
Foto: Lucas Netter

Als die Konferenz endet, scheinen die Teilnehmer mit deren Verlauf zufrieden, man sieht so manche Visitenkarte, die von der einen in die andere Hand wandert. Auch Dr. Robert Lorenz vom Sorbischen Institut in Bautzen, der am ersten Tag über die Wanderausstellung „Was heißt hier Minderheit?“ des Minderheitensekretariats in Berlin referierte, zieht ein positives Fazit: „Der Austausch zwischen den Minderheiten und ihren Museen ist enorm wichtig – einfach um zu erfahren, was die jeweils anderen machen. Insofern war das eine tolle und gewinnbringende Tagung, und ich hoffe, dass wir es schaffen, im stetigen Kontakt zu bleiben und uns regelmäßig zu treffen. Da hat Oppeln jetzt einen schönen Aufschlag gemacht – wozu man nur Danke sagen kann.“

Christina Boguszowa (links) und Weronika Wiese
Foto: Lucas Netter

Lucas Netter

Die dreitägige Konferenz wurde aus Mitteln der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung gefördert und vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) aus dem Haushalt des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland über den Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) mitfinanziert. Die Tagung stand unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Warschau, des Marschalls der Woiwodschaft Oppeln, Andrzej Buła, der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) sowie der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) in der FUEN.

Show More