Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Jugend aktivieren

Seit Anfang September arbeitet Chantal Stannik als Kulturmanagerin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) beim in Allenstein (Olsztyn) beheimateten Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren (VdGEM). Im Interview mit Lucas Netter spricht sie über ihre familiären Wurzeln im früheren Ostpreußen – und verrät, was sie in den kommenden Monaten mit der deutschen Minderheit im Norden Polens vorhat.


Chantal, seit dem 1. September arbeitest Du als ifa-Kulturmanagerin für den VdGEM, seit dem 1. Oktober bist Du vor Ort in Allenstein. Hast Du Dich schon ein wenig in Deiner neuen Umgebung eingelebt?

Definitiv! Ich wurde hier von allen sehr freundlich aufgenommen und habe schon einen Tag nach meiner Ankunft am traditionellen Empfang des Deutschen Generalkonsulats in Danzig zum Tag der Deutschen Einheit teilgenommen. Dort wurde ich vielen wichtigen Persönlichkeiten aus der Region vorgestellt, unter anderem auch der Generalkonsulin Cornelia Pieper.

Ein paar Tage später war ich dann beim Kommunalpolitischen Kongress der Landsmannschaft Ostpreußen und bei der Feier zum 30-jährigen Bestehen des VdGEM in Allenstein dabei – und habe auch bei diesen Gelegenheiten viele Vertreter der hiesigen deutschen Minderheit kennengelernt. Das war auf jeden Fall ein sehr guter Auftakt; ich kenne nun die relevanten Ansprechpartner und wurde auch schon zu mehreren Adventsfeiern sowie zu der Veranstaltung „Bethlehem der Nationen“ nach Heilsberg (Lidzbark Warmiński, Anm. d. Red.) eingeladen.

Allenstein selbst habe ich mittlerweile ebenfalls erkundet. Obwohl die Stadt nicht so groß ist, gibt es hier ein reiches kulturelles Angebot, viele Museen, Galerien, schöne Cafés und sogar eine alternative Szene. Außerdem ist Allenstein ziemlich fahrradfreundlich und die Natur liegt direkt vor der Tür. Ich werde mich hier also ganz bestimmt nicht langweilen.

Was hat Dich dazu bewogen, als ifa-Kulturmanagerin nach Allenstein zu gehen?

Bevor ich zum ifa kam, habe ich für das Goethe-Institut in Kasachstan gearbeitet. Dort war ich als Sprachassistentin in Pawlodar, einer Großstadt im Norden des Landes, eingesetzt und habe eng mit der örtlichen deutschen Minderheit zusammengearbeitet, besonders mit den Jugendlichen. Diese Arbeit hat mir so gut gefallen, dass ich auf jeden Fall weiter in dieser Richtung tätig sein wollte. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, am Entsendeprogramm des ifa teilzunehmen.

Für mich war klar, dass ich nach Polen gehen wollte – und zwar speziell nach Ermland und Masuren, denn ich habe familiäre Wurzeln hier in der Region: Mein Vater stammt aus Rößel (Reszel, Anm. d. Red.). In den 1980er-Jahren ist er mit seinen Eltern als Spätaussiedler nach Deutschland ausgewandert.

Meine Mutter kommt übrigens aus der Nähe von Radom, wo immer noch viele meiner Verwandten leben. Auch in Schlesien habe ich Familienangehörige – in Beuthen und in Kattowitz. Seit meiner Kindheit bin ich regelmäßig in Polen; ich kenne das Land also recht gut – und gehe fast jedes Jahr auf eine polnische Hochzeit (lacht).

Chantal Stannik ist die neue ifa-Kulturmanagerin beim VdGEM in Allenstein.
Foto: © ifa, Foto: Benjamin Pritzkuleit

Wusstest Du schon vor Deiner aktuellen Tätigkeit von den Aktivitäten der deutschen Minderheit in Polen?

Aufgrund meiner familiären Wurzeln wusste ich natürlich, dass es hier noch eine aktive deutsche Minderheit gibt. Ehrlich gesagt, dachte ich aber, dass sie mittlerweile viel kleiner wäre. Es hat mich überrascht, dass hier noch so viele Menschen aus den Reihen der deutschen Minderheit leben, auch in den kleinen Ortschaften. Allerdings ist mir bereits aufgefallen, dass nur noch wenige von ihnen Deutsch sprechen. Immerhin kann ich aber ganz gut Polnisch, sodass es sprachlich keine Probleme geben sollte.

Was hast Du Dir für Deine Kulturmanagertätigkeit vorgenommen? Was möchtest Du in den kommenden Monaten erreichen?

Zum einen möchte ich hier in Allenstein wieder den Deutschklub aktivieren, den meine Vorvorgängerin Julia Herzog ins Leben gerufen hat und der mittlerweile etwas eingeschlafen ist. Zum anderen will ich enger mit dem Jugendpunkt zusammenarbeiten, von dem es hier in Ermland und Masuren drei Standorte gibt: in Bartenstein (Bartoszyce, Anm. d. Red.), Allenstein und Osterode (Ostróda, Anm. d. Red.). Mein Fokus wird also ganz klar auf der Jugendarbeit liegen.

Darüber hinaus gibt es auch schon ein konkretes Projektvorhaben: Am 2. Februar 2024 werde ich in Kooperation mit der „Fundacja Sztuka Wolności“ eine Vernissage zum Thema „Gleichzeitige Welten – Irgendwo sind wir alle eine Minderheit“ organisieren. Eingeladen ist unter anderem der polnische Künstler Daniel Rycharski, dessen Arbeit sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem Dorfleben, dem Katholizismus und der Homosexualität beschäftigt.

Chantal, vielen Dank für dieses Gespräch.


Das ifa-Entsendeprogramm

Das Entsendeprogramm des ifa bietet die Möglichkeit, Organisationen deutscher Minderheiten zu unterstützen und neue Erfahrungen zu sammeln. Die Arbeitsaufenthalte im östlichen Europa oder Zentralasien dauern zwischen einem und fünf Jahren. In den Organisationen arbeiten die ifa-Kulturmanager beziehungsweise Redakteure in ausgewählten Projekten und unterstützen die Einrichtungen mit ihrem Know-how. Ziel des Entsendeprogramms ist es, ein modernes und lebendiges Deutschland- und Europabild zu vermitteln und die Organisationen vor Ort in ihrer kulturellen Brückenfunktion zwischen Minderheit und Mehrheit zu stärken. Weitere Informationen zu dem Programm finden Sie online unter „www.ifa.de/foerderungen/entsendeprogramm“.

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